Wie funktionieren Luftschlangen? Fasnacht und Karneval in Keinsteins Kiste
Ob Güdismäntig oder Rosenmontag: Heute geht es vielerorts bunt und lustig zu. Die grossen Festumzüge ziehen durch die Strassen, und bei all dem bunten Treiben dürfen besonders in Mitteleuropa zwei farbenfrohe Accessoires nicht fehlen: Luftschlangen und Konfetti.
Die Schweizer Fasnacht kommt vor allem nicht ohne Konfetti aus. Säckeweise kann man die bunten Papierschnipsel zur Zeit in jedem Supermarkt erstehen, und beim Umzug und allen anderen närrischen Gelegenheiten bewirft man sich damit, was das Zeug hält.
Besonders berüchtigt ist dabei die Konfetti-Badewanne. Die wird von einer Gruppe furchterregender Hexen auf einem Wagen mit dem Umzug mitgerollt. Und wenn diese Truppe in Sicht kommt, heisst es besonders für weibliche Zuschauer Obacht – denn die verschlagenen Begleiter (meist sind die Hexen nur scheinbar weiblich) entführen immer wieder gern jemanden vom Strassenrand und stecken sie komplett mit allem Drum und Dran in die schnitzelbunte Wanne. Mich selbst hat es zum Glück noch nie getroffen – denn Reto, mein Partner, hasst Konfetti in der Wohnung. Und die wären danach wohl unvermeidlich.
Nichts einzuwenden hat er dafür gegen Dekoration mit Luftschlangen. Farbe im Haus hellt schliesslich auch seinen grauen Februar auf, und die hübsch gelockten Papierschlingen lassen sich auch ohne grossen Aufwand wieder beseitigen. Aber wie funktionieren Luftschlangen eigentlich? Und seit wann gibt es sie? Wer hat sie erfunden?
Wie funktionieren Luftschlangen?
Wir kennen sie alle, die bunten, schmalen Papierrollen, die mit einem kräftigen Luftstoss zu quirligem Eigenleben erwachen. Doch wie können sie sich eigentlich entrollen, wenn wir doch durch das Loch in der Mitte blasen?
Bernoulli machts möglich: Schon anlässlich der Antwort auf die Leserfrage, wie denn ein Helikopter fliege, habe ich den nach ihm benannten Effekt erklärt, dank welchem Luft die unwahrscheinlichsten Dinge in Bewegung setzen kann. Eine Luftströmung geht nämlich stets mit einem Unterdruck entlang ihrer selbst einher, sodass solch eine Strömung bewegliche Gegenstände regelrecht ansaugen kann.
Wenn diese Gegenstände Tragflächen eines Flugzeugs oder Rotorblätter eines Helikopters sind, hebt dieser Sog sie (unterstützt von einem höheren Druck von unten) in die Höhe. Wenn es sich aber um die leichtgewichtige Innenwand einer Papierrolle handelt, an welcher die Luft entlang strömt, wird diese Innenwand in Stromrichtung aus der Rolle hinaus gesogen – und was daran hängt, muss zwangsläufig folgen.
So setzt ein Luftstoss durch die Rolle das Eigenleben der Luftschlange in Gang. Und wenn erst einmal genügend Papier in Bewegung ist, nimmt die klassische Mechanik ihren Lauf. Denn was einmal in Bewegung ist, hört damit nicht mehr auf, so lange es nicht durch äussere Umstände – wie den Luftwiderstand – dazu gezwungen wird. Und wenn letzterer die Schlange auszubremsen droht, bringt die Gravitation das Ganze zuende: Die Papierrolle wird vollständig abgewickelt.
Im Übrigen wollen Wissenschaftler an der TU München herausgefunden haben, dass zwischen 25 und 30 cm der optimale Abstand zwischen Mund und Luftschlangen-Rolle ist, um den wirksamsten Sog damit ein spektakuläres Entkringeln zu erzeugen.
Seit wann gibt es Luftschlangen? Und wer hat sie erfunden?
Nein, nicht die Schweizer. Die Luftschlange ist, wie viele spannenden Erfindungen, ein Zufallsprodukt. Und zwar aus dem Jahre 1887.
Damals leitete der deutsche Buchbindermeister Paul Demuth in Berlin eine Firma, die nützliche Papierprodukte herstellte. Dazu gehörten auch Telegrafenrollen – fest aufgewickelte schmale Papierstreifen, die man in einen Telegrafen-Empfänger einlegte, damit dieser fortlaufend Morsezeichen darauf drucken oder stechen konnte.
Eines Tages, so heisst es, liess einer von Demuths Angestellten eine solche frisch produzierte Rolle versehentlich fallen. Da Demuth scheinbar ein jähzorniger Chef war, klaubte er die Rolle auf und schleuderte sie wütend durch den Raum. Der Fahrtwind, welcher dabei durch das Loch in der Mitte pfiff, führte dabei zum Bernoulli-Effekt und wickelte das Telegrafenband zu einer hübschen Spirale aus, die dann um so gemächlicher zu Boden geschwebt sein muss.
Einen Funken Humor (oder etwas mehr) muss Paul Demuth, der zu jener Zeit schon über 70 Jahre zählte, sich jedenfalls bewahrt haben. Denn er färbte die nächsten Papierrollen bunt ein und liess sein Spass-Produkt kurz darauf erfolgreich patentieren. Weniger humorvoll war damals, im deutschen Kaiserreich, die Berliner Polizei. Die wertete nämlich Demuths ersten Feldversuch mit der neuen Erfindung in Berlins Strassen als „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ an und nahm den Erfinder kurzerhand in Haft.
Und die Geschichte zu den Konfetti?
„Konfetti“ leitet sich vom italienischen Wort für Konfekt ab. Mit diesen recht kostspieligen Süssigkeiten bewarfen sich dereinst die Wohlhabenden beim Karneval in Venedig. Unter der weniger reichen Bevölkerung, die sich diesen Spass nicht leisen konnte, wurden dazu entsprechende Attrappen aus Gips verwendet. Davon getroffen zu werden war allerdings eine ziemlich schmerzhafte Erfahrung.
Der Legende nach soll auch Paul Demuth zum Karneval in Venedig gewesen sein – und alsbald eine Idee gehabt haben, wie er das schmerzhafte Problem der Venzianer lösen konnte: Papierschnitzel sind billig, bunt und mangels Gewicht absolut nicht schmerzhaft (höchstens für die ordnungsliebende Seele). Und wenn man Anlagen zur Herstellung von Papierprodukten hat, kann man sie ganz einfach in grossen Mengen herstellen.
Noch heute werden übrigens Reste von buntem Luftschlangenpapier in grosse Locher-Maschinen gegeben, die die farbenfrohen Schnitzel daraus ausstechen. Allerdings hat Paul Wermuth es verpasst, auch diese Erfindung zum Patent anzumelden, sodass sie ihm nurmehr in der Legende zugeschrieben werden kann.
Während in Luzern auf meinem Neben-Bildschirm schon der Güdismäntigs-Umzug läuft, wünsche ich euch allen noch ein fröhliches Helau!, Alaaf!, Narri! Narro!, ä rüüdigi Fasnacht! Oder was man sonst noch bei euch wünscht und ruft!
Eure Kathi Keinstein
Verratet uns doch in den Kommentaren euren Fasnachts- bzw. Karnevalsruf oder – gruss – und erzählt vielleicht auch gleich von eurem närrischsten Erlebnis mit Luftschlangen oder Konfetti!
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