Als ich die Spülmaschine ausräumte, fiel mir ein, dass wir früher mal ein Stück Alufolie mit hineingetan haben, um den Flugrost zu minimieren bzw. “zu fangen”. Kennst du das bzw. macht das Sinn?
Diese Frage hat nicht nur ein Keinsteins-Kiste-Leser. Sie tauchte zudem vor knapp 2 Wochen zur Prime-Time im Fernsehen auf, als ein Erfinder den Investoren in der „Höhle der Löwen“ einen Flugrost-Fänger für die Spülmaschine vorstellte, der nach dem gleichen Prinzip funktionieren soll.
Deshalb gewähre ich euch hier einen Einblick in die Chemie dahinter (denn Chemie ist überall und alles ist Chemie – das gilt auch für dieses Gadget, wie Ole von Bananabond bereits festgestellt hat). Und ich verrate euch ein „Hausmittel“, das den gleichen Zweck erfüllt – und eine Möglichkeit zur Vorbeugung von Flugrost, die das eine wie das andere unnötig machen kann!
Was ist Flugrost?
Rost mit einer chemischen Formel zu beschreiben ist längst nicht so einfach wie bei vielen anderen Stoffen. Das liegt daran, dass Rost nicht einfach „ein Stoff“ ist, sondern sich gleich aus mehreren zusammensetzt.
Rost als Stoffgemisch
Eine chemische Formel für Rost, die dieses Stoffgemisch zu beschreiben sucht, lautet:
In Worten: Rost ist ein wasserhaltiges Gemisch aus verschiedenen Eisenoxiden.
Diese Eisenoxide sind Salze. Das heisst, sie bestehen aus Eisen- (Fe2+ bzw. Fe3+ )Ionen und Oxid-(O2-)-Ionen, also elektrisch geladenen Atomen der Elemente Eisen und Sauerstoff. Solche Ionen entstehen, wenn ungeladene Atome der jeweiligen Elemente Elektronen abgeben bzw. aufnehmen – also eine chemische Reaktion eingehen.
Chemische Reaktionen, bei welchen in dieser Weise Elektronen weitergegeben werden, nennt man Redox-Reaktionen. Das Abgeben von Elektronen wird dabei Oxidation genannt, das Aufnehmen von Elektronen heisst Reduktion.
Bei der Entstehung von Rost geben Eisen-Atome Elektronen ab, die letztlich von Sauerstoff-Atomen aufgenommen werden. Wie das genau vor sich geht, könnt ihr in meinem Artikel über Rost nachlesen.
Damit Rost entsteht, braucht es also Eisen-Atome, die Elektronen abgeben können, und Sauerstoff-Atome, die die Elektronen aufnehmen. Ausserdem werden für die erfolgreiche Elektronen-Übergabe in diesem Fall Wasser-Moleküle benötigt.
Wie der Rost das Fliegen lernt
Die Eisen-Atome können dabei Teile eines massiven Stücks Metall sein oder winzige, frei bewegliche Staubpartikel bilden. Staubpartikel haben im Vergleich mit einem Metallstück sehr viel mehr Oberfläche, die mit Sauerstoff und Wasser in Kontakt kommen kann. So werden sie besonders leicht oxidiert – und die entstehenden Eisenoxid-Partikel setzen sich gern auf anderen Metalloberflächen – selbst „rostfreiem“ Stahl – ab: Es scheint, als komme der Rost „angeflogen“.
Da der Flugrost sich von aussen absetzt, lassen sich diese Flecken leicht abwischen. Lästig ist das aber allemal, und wirklich schön sieht das Ganze meist nicht aus.
Wie kann man die Flugrost-Entstehung verhindern?
Für eine Redox-Reaktion braucht es immer zwei Partner: Einen, der Elektronen abgibt, und einen, der sie aufnimmt. Dabei ist jedem Stoff ein ganz „persönliches“ Bestreben, Elektronen abzugeben oder aufzunehmen – das sogenannte Redox-Potential – zu eigen. Und nur, wenn diese beiden Partner zueinander passen – der eine also lieber Elektronen aufnimmt als der andere (der lieber welche abgibt) – kann eine Redox-Reaktion stattfinden.
Bei der Rost-Entstehung ist es der Sauerstoff, der sehr danach strebt, Elektronen aufzunehmen, und nur auf einen Reaktionspartner wartet, welcher ihm Elektronen überlässt. Was also, wenn sich ein Reaktionspartner findet, der leichter Elektronen abgibt als Eisen? Genau: Dann holt sich der Sauerstoff seine Elektronen dort! Denn die Natur ist einmal mehr sehr bequem.
Ersatz für Eisen als Elektronen-Spender
Ein solcher Stoff, der in unserem Alltag verbreitet ist, ist das Metall Aluminium (andere Kandidaten sind zum Beispiel Magnesium oder Zink). Aluminium gibt so leicht Elektronen ab, dass es an feuchter Luft eigentlich kaum beständig ist, sondern rasch zu Aluminiumoxid bzw. Aluminiumhydroxid reagiert.
Dass wir trotzdem Aluminiumwerkstücke herstellen und an normaler Luft verwenden können, haben wir dem Umstand zu verdanken, dass eine oxidierte Aluminium-Oberfläche (anders als eine Eisen-Oberfläche) so dicht mit Ionen bedeckt ist, dass die ungeladenen Aluminium-Atome darunter unter normalen Umständen gar nicht mit weiterem Sauerstoff in Kontakt kommen. So können keine weiteren Elektronen übergeben werden – und das Metall-Stück bleibt intakt.
In einer laufenden Spülmaschine sind die Umstände allerdings alles andere als normal: Es ist nass, es ist warm, und Luft-Sauerstoff ist auch noch da. Ausserdem können die Inhaltsstoffe im Spülmittel die Umstände weiter beeinflussen. So ist Aluminium-Metall in der Spülmaschine in der Lage, Eisenstaub beim Liefern von Elektronen an Sauerstoff zuvor zu kommen. Anstelle von Eisen wird also Aluminium oxidiert. Die dabei entstehenden Salze sind farblos (also „weiss“) – nicht rostrot – und setzen sich weniger leicht auf Stahloberflächen ab. So entstehen keine rostroten Partikel, die unangenehm auffallen könnten.
Ohne Opfer geht es nicht
Der Haken daran: Die Aluminium-Atome, die durch die Abgabe von Elektronen zu Aluminium-Ionen werden, sind für die weitere Flugrost-Abwehr verloren. Überdies werden die Aluminium-Salze früher oder später mit dem Abwasser fortgespült.
Ein Aluminium-Metallstück in der Spülmaschine wird also immer weiter schrumpfen und irgendwann verbraucht sein. Deshalb wird solch ein Metallstück unter (Elektro-)Chemikern auch als Opfer-Anode bezeichnet: Es wird zum Schutze anderer Materialien vor der Sauerstoff-Korrosion geopfert.
Hausmittel zum Flugrost-fangen
Es ist nicht unbedingt nötig, eigens Aluminium-Rostfänger zu kaufen. Denn das Metall findet ihr auch anderswo im Haushalt. Ein locker zu einem Ball gerolltes Stück Aluminiumfolie (zum Abdecken von Lebensmitteln) erfüllt zum Beispiel den selben Zweck. Da seine Oberfläche viel grösser ist als die eines massiven Metallblocks, dürfte sie sogar noch effektiver sein – allerdings auch noch schneller verbraucht werden.
Eine weitere Möglichkeit haben mein Mann und ich zu Anfang unseres gemeinsamen Lebens eher ungewollt angewendet, indem wir unseren Sparschäler mit Aluminiumgriff mit in die Maschine getan haben. Der betätigt sich nämlich auch als Opfer-Anode – geht allerdings früher oder später dabei drauf.
Aber ob Folie, Sparschäler oder kommerzieller Rostfänger: Die Herstellung von Aluminium-Metall kostet grosse Mengen an Energie und ist nicht gerade das, was viele als „umweltschonend“ bezeichnen (Ole „Bananabond“ geht genauer darauf ein). Und wer sich Gedanken über Aluminium-Salze in Deodorants macht, sollte sich ebenso Gedanken über Aluminium-Salze im Spül-Abwasser machen. Deshalb tut ihr gut daran, euch zu überlegen, ob ihr einen Flugrost-Fänger wirklich braucht.
Flugrost vorbeugen
Ich selbst hatte nämlich nur so lange mit Flugrost in der Spülmaschine zu tun, wie ich die scharfen Schneidemesser in der Maschine mitgewaschen habe.
Die heute in der Küche gängigen Stähle sind nämlich durch Mischung der Eisen-Atome mit Chrom und anderen Elementen so hart geschaffen und glatt verarbeitet, dass sie weder am Stück rosten noch abgeschliffen werden. So können erst gar keine Eisenstaub-Partikel, die rosten könnten, entstehen.
Einzig die scharfen Messer bilden offensichtlich eine Ausnahme: Eine geschliffene Messerklinge läuft an der Kante so dünn zusammen, dass das Atomgemisch, aus dem der Stahl besteht, Luft und Wasser ganz besonders ausgesetzt ist. So können sich dort offenbar doch Eisen-Atome herauslösen und Flugrost bilden.
Seit ich die scharfen Messer – ebenso wie die Alu-Sparschäler – mit der Hand abwasche, habe ich jedenfalls keinen Flugrost mehr an meinem Edelstahl-Besteck (ich verwende „All-in-One“-Spülmaschinentabs von wechselnden Herstellern).
Und habt ihr schon Flugrost in der Spülmaschine beobachten können?