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Experiment: Sicherheitsnadel galvanisieren

Wie beschichtet man ein Metall mit einem anderen? Durch Galvanisieren!

Nicht alles, was glänzt ist Gold! Oder Kupfer, oder… Die Oberflächen vieler Gegenstände sind nur mit einer dünnen Schicht dieser wertvollen Metalle überzogen. Solche Dinge nennt man dann vergoldet, verkupfert, versilbert oder ähnlich. Doch das bedeutet nicht, dass solche Gegenstände minderwertig sind. Vielmehr wird ihre Haltbarkeit durch ihre besonder Metalloberfläche verbessert – und sieht auch noch hübsch aus. Denn eine Edelmetall-Schicht ist reaktionsträge und schützt den Gegenstand unter ihr vor den Kräften von Wind und Wetter. Aber wie bringt man eine dünne Metallschicht auf ein anderes Material?

Dazu wird Wanderlust geladener Metallteilchen (sogenannter Metall-Ionen) ausgenutzt – und das könnt ihr leicht selber machen!

Ihr braucht dazu

  • Eine Sicherheitsnadel
  • Eine Kupfermünze (z.B. 1,2 oder 5 Eurocent)
  • Eine Kleine Schale
  • Haushaltsessig
  • Soda oder Natron (für die Entsorgung)

Sehr dreckige Münzen könnt ihr mit Essig und etwas Kochsalz leicht reinigen – wie genau das geht, zeige ich euch hier.

Essig, Schale, Kupfermünze, Sicherheitsnadel: Das braucht ihr zum Galvanisieren
Da man nicht mit Behältern für Lebensmittel experimentiert: Der Deckel eines leeren Honigglases (das ich nur noch für Versuche, nicht für Lebensmittel verwende!) hat mir als Schale gedient.

So geht’s

Lest in jedem Fall den Abschnitt „Entsorgung“ durch, bevor ihr mit dem Experimentieren beginnt! Nach dem Versuch ist nämlich ein besonderer Entsorgungsschritt nötig. Den könnt ihr euch wesentlich leichter machen, wenn ihr von vorneherein sparsam arbeitet.

  • Legt Münze und Nadel nebeneinander in die Schale, sodass sie sich nicht berühren!
  • Gebt so viel Essig dazu, dass beide Teile vollständig bedeckt sind. Verwendet dabei so wenig Essig wie möglich – denn je weniger Essig ihr später entsorgen müsst, desto weniger Soda oder Natron werdet ihr dafür brauchen!
Münze und Sicherheitsnadel in Essig im Deckel des Honigglases: Das Galvanisieren kann beginnen!
Zu Beginn des Experiments: Kupfermünze und silbrig glänzende Sicherheitsnadel liegen im Essig ohne sich zu berühren.
  • Wartet ein paar Tage und schaut ab und zu nach, was sich verändert.
  • Wenn euch der Essiggeruch stört, könnt ihr die Schale einfach abdecken (mit einem Brett, einem Buch oder Ähnlichem)

Das könnt ihr beobachten

Die Nadel färbt sich mit der Zeit kupferrot, während die Münze zunehmend matt wird. Der Essig färbt sich zudem gelbgrün.

Nach einer Woche im Essig: Die vormals stahlglänzende Sicherheitsnadel ist nun ebenso kupferrot wie die Münze!
Nach einer Woche im Essig hat die Oberfläche der Sicherheitsnadel die gleiche Farbe wie die Münze: Kupfer hat sich darauf abgelagert!

Das passiert

Haushaltsessig besteht aus Wasser und Essigsäure. Kommt ein Metall wie Kupfer mit einer Säure in Berührung, geben stets ein paar Metallatome an der Oberfläche ein oder mehrere Elektron(en) ab. Dabei verlassen die Atome – welche zu Ionen werden – die Metalloberfläche und lösen sich im Wasser.

Das „(aq)“ in der Gleichung bedeutet „in Wasser gelöst“.

Da Kupfer ein ziemlich edles Metall ist, können zunächst nur sehr wenige seiner Atome auf diese Weise zu Ionen werden. Diese wenigen Ionen können sich jedoch frei im Wasser bewegen – und so irgendwann an die Oberfläche der Sicherheitsnadel, die aus Stahl bestehen mag, gelangen.

Stahl wiederum enthält Eisenatome. Und Eisenatome geben sehr viel leichter Elektronen ab als Kupferatome.

So kommt es, dass die Eisenatome ihre Elektronen liebend gern an Kupferionen abgeben.

Die Eisenatome werden dabei zu Ionen, die sich im Wasser lösen, während die Kupferionen wieder zu Kupfer-Atomen werden, die sich an der Eisenoberfläche niederlassen.

Sobald auf diese Weise Kupfer-Ionen aus der Lösung verschwinden, bleibt darin „Platz“ für neue Kupfer-Ionen. Die können sich somit von der Münze lösen und ihre Wanderung in Richtung Sicherheitsnadel antreten. (Alle beteiligten Reaktionen sind sogenannte Gleichgewichtsreaktionen. Le Châtelier erklärt hier am Flughafen, was es damit auf sich hat und wie die Richtung, in der sie ablaufen, von den Mengen der beteiligten Teilchen abhängt!)

Geladene Teilchen, die wandern, sind „Strom“

Geladene Teilchen, die wandern? Ja, ihr denkt richtig: Das ist nichts anderes als elektrischer Strom! Der Versuchsaufbau ist eine Art simple Batterie. Die Ionen wanderen darin so lange von der Münze zur Nadel, bis die ganze Nadeloberfläche mit Kupferatomen bedeckt ist. Dann gibt es dort nämlich keine Eisenatome mehr, die ihre Elektronen an weitere Kupferionen abgeben könnten. Die Batterie ist „leer“.

Galvanisieren im „richtigen Leben“

Wer Gegenstände mit einer edlen Metallschicht verkaufen möchte, mag in der Regel nicht tagelang warten, bis das Galvanisieren weit genug vorangeschritten ist. Deshalb benutzt er zum Einen statt Essig eine Lösung, die bereits reichlich Kupfer-Ionen (oder andere gewünschte Metall-Ionen) enthält. Zum Anderen schliesst er seine Anlage an elektrischen Strom an: Das Kupfermetall an den (physikalischen) Pluspol, das Material, das verkupfert werden soll, an den Minuspol.

Die angeschlossene Stromquelle liefert zusätzliche Elektronen in das zu verkupfernde Material, die die Kupferionen entgegen nehmen können. Zudem ermöglicht die Stromquelle den vom Kupfer abgegebenen Elektronen das Abfliessen, sodass auch leicht neue Kupfer-Ionen in Lösung gehen können.

Und zu guter Letzt leitet Kupfer selbst den Strom sehr gut. Das heisst, die zusätzlichen Elektronen gelangen auch leicht durch die neu entstehende Kupferschicht, sodass diese so lange dicker wird, wie die Stromquelle angeschlossen ist.


Vom Galvanisieren zur nutzbaren Batterie

Wenn ihr euch die oben beschriebenen Reaktionen genau anschaut, werdet ihr feststellen, dass dabei in der Kupfermünze Elektronen „übrig“ bleiben, in der Eisennadel aber nicht. Im Kupfer sammeln sich demnach mehr Elektronen als im Eisen. Verbindet man aber mit einem leitfähigen Material eine Elektronenansammlung mit einem Ort mit wenig Elektronen, so fliessen Elektronen von der Ansammlung zum „leeren“ Ort ab. Und fliessende geladene Teilchen kennen wir als elektrischen Strom!

Unser Aufbau mit Münze und Sicherheitsnadel, die lose in Essig liegen, ist als Batterie aber ziemlich unpraktisch. Denn auch der Essig ist elektrisch leitfähig und bildet, sobald Münze und Nadel vollständig eingetaucht sind, eine unumgängliche Abkürzung für den Strom.

Die könnt ihr vermeiden, indem ihr eure Metalle nicht in einer Flüssigkeit, sondern in einem festen Material, in dem auch Ionen wandern können, unterbringt. Zum Beispiel in einer Kartoffel. Wie ihr aus Kartoffeln wirklich funktionierende Batterien bauen könnt, zeige ich euch hier!

Entsorgung

Der Essig enthält nach dem Galvanisieren Kupferionen (sie geben der Flüssigkeit die grünliche Farbe), die giftig für Wasserorganismen sind und deshalb nicht ins Abwasser dürfen. Verwendet deshalb so wenig Essig wie möglich. Gebt nach dem Versuch, wenn ihr Nadel und Münze aus der Schale genommen habt, feste Soda oder Natron zu dem Essig darin. (Achtung! Geht langsam vor und rührt zwischendurch um! Die Mischung schäumt kräftig und wird warm: Allein das ist schon ein chemisches Spektakel, das schnell zur Sauerei ausarten kann!)

Mischt so lange Soda oder Natron mit dem Essigrest, bis keine Reaktion mehr sichtbar ist. Dann habt ihr die Säure neutralisiert. Mit noch ein wenig mehr Soda oder Natron wird die Lösung basisch: Das ist euer Ziel. Die Kupferionen bilden nämlich bei basischem pH-Wert ein Gemisch fester Stoffe (in eurer Schale vor allem Kupferacetat, Kupfercarbonat und Kupferhydroxid), das man Grünspan nennt.

Gebt das Gemisch aus festen Stoffen und Flüssigkeit durch ein Filterpapier (z.B. einen Kaffeefilter) und lasst das Papier mitsamt den Feststoffen trocknen, bevor ihr es in den Hausmüll gebt. Die filtrierte Lösung darf dann mit viel Wasser in den Ausguss.

Nun wünsche ich euch viel Spass beim Galvanisieren!

Experiment: Kartoffelbatterie bauen

Endlich habe ich mal wieder Zeit zum Experimentieren gefunden. Und mich dabei einem Thema gewidmet, das in Keinsteins Kiste bislang zu kurz gekommen ist: Batterien und Strom. Dazu habe ich mir erst einmal eine Stromquelle selber gebaut: Die Kartoffelbatterie!

Mit der folgenden Experimentieranleitung könnt ihr ganz einfach eure eigenen Kartoffelbatterien bauen und so zusammenschalten, dass ihr damit eine Leuchtdiode zum Leuchten bringen könnt. Alles, was ihr dazu braucht, findet ihr in der Küche, im Werkzeugkasten – und allenfalls für kleines Geld im Fachhandel für elektronische Bauteile.

Experiment: Kartoffelbatterie bauen

Ihr braucht dazu

Das braucht ihr zum Bau einer Kartoffelbatterie samt Stromkreis.
  • 4 Kartoffeln
  • 4 blanke Kupfermünzen (z.B. Eurocents) – hier erfahrt ihr, wie ihr angelaufene Kupfermünzen ganz einfach blank bekommt!
  • Zinkdraht oder 4 Unterlegscheiben aus Zink
  • blanke Büroklammern
  • Schaltlitze oder ähnlich ummantelten Kupferdraht
  • Lüsterklemmen (oder Stecker und Muffen aus dem Modellbau)
  • LED (Leuchtdiode) für den Betrieb bei ca. 3 bis 6 Volt (aus dem Elektronikhandel)
  • Drahtschere, Küchenmesser
  • Optional: Voltmeter bzw. Multimeter
  • Tablett aus Kunststoff, Glas oder Keramik (kein Metall, trocken!)

So geht’s

  • Wenn ihr mit Zinkdraht arbeitet, wickelt etwa 15 Zentimeter Draht zu einer münzgrossen Scheibe auf, von der 2 bis 3 Zentimeter Drahtende abstehen. Fertigt insgesamt vier solcher Scheiben an. Wenn ihr mit Unterlegscheiben experimentiert, könnt ihr diesen Schritt überspringen.
Vier Zinkdraht-Spiralen als Elektroden für die Kartoffelbatterie
Vier Zinkdraht-Spiralen-Elektroden für eine Vierer- Kartoffelbatterie
  • Schneidet eine Seite jeder Kartoffel waagerecht ab, sodass die Kartoffeln nicht wackeln, wenn ihr sie auf eine Unterlage stellt.
  • Schneidet in die beiden gegenüberliegenden Enden jeder Kartoffel je einen Schlitz.
  • Steckt in die Schlitze jeder Kartoffel jeweils eine Kupfermünze und ihr gegenüber eine Zinkscheibe (Drahtspirale oder Unterlegscheibe). Die Metallscheiben dürfen sich nicht berühren! Wenn ihr ein Multimeter habt, könnt ihr es auf einen Messbereich von 1-2V einstellen und mit den beiden Messfühlern die Kupfer- und Zinkscheibe einer Kartoffel berühren. So habe ich an einer Kartoffel eine Spannung von rund 0,85V messen können.
Eine Kartoffelbatterie ohne angeschlossene Drähte
Eine Kartoffelbatterie ohne angeschlossene Drähte: Sie liefert eine Spannung von 0,85V.
  • Klemmt an jede Kupfermünze eine Büroklammer.
  • Schaltet nun die vier Kartoffeln in Reihe: Verbindet mittels Litze und Lüsterklemmen oder Steckern die Zinkscheibe einer Kartoffel mit der Kupfermünze der nächsten, die Zinkscheibe dieser nächsten mit der Kupfermünze der übernächsten Kartoffel und so weiter.
  • Wenn alle Kontakte funktionieren, solltet ihr nun zwischen der Kupfermünze der ersten und der Zinkscheibe der letzten Kartoffel eine Spannung von etwa 3,4V messen können (Messbereich ggfs. anpassen!).
Fertiger Kartoffelbatterie - Stromkreis
Fertig: Ein Kartoffelbatterie -Block aus vier Kartoffeln in Reihe samt angeschlossener LED. Jetzt nur noch das kurze Beinchen an die Zinkscheibe rechts im Bild…
  • Verbindet nun das lange Bein (Wichtig! Dioden, auch Leuchtdioden, leiten den Strom nur in eine Richtung, falschherum angeschlossen gehen sie kaputt!) der LED mit der letzten freien Kupfermünze.
  • Jetzt könnt ihr den Stromkreis schliessen: Berührt mit dem kurzen Bein (aber nicht mit dem Langen!) der LED die letzte freie Zinkscheibe: Die LED leuchtet auf!

Das passiert

Das Multimeter zeigt euch schon beim Aufbau, dass die Kartoffelbatterien funktionieren: Sie liefern eine messbare elektrische Spannung, und wenn man sie in einen Stromkreis einbaut, fliesst ein Strom! Und zwar ein so starker, dass er die LED zum Leuchten bringt.

Kartoffelbatterie betreibt rote LED
Licht aus und es wird sichtbar: Die rote LED leuchtet – dank Kartoffelbatterie!

Wo kommt der Strom her?

Die Metalle Kupfer und Zink bestehen aus elektrisch ungeladenen Atomen. Die Atome beider Metalle können Elektronen abgeben und so zu positiv geladenen Ionen werden. Diese Ionen können sich in Wasser lösen – zum Beispiel in dem Wasser in einer Kartoffel.

Allerdings ist das Bestreben der beiden Metalle, Elektronen abzugeben, sehr unterschiedlich. So gibt Zink ziemlich leicht Elektronen ab (Chemiker nennen es deshalb ein unedles Metall). Kupfer trennt sich dagegen wesentlich weniger leicht von seinen Elektronen (Chemiker nennen es deswegen ein edles Metall oder Edelmetall).

Steckt man also eine Zinkscheibe in eine Kartoffel, lassen einige Zinkatome Elektronen in der Scheibe zurück und lösen sich als Ionen im Kartoffelwasser. Die Zinkscheibe ist damit der (physikalische) Minuspol der Kartoffelbatterie.

Aus einer Kupferscheibe treten dagegen fast keine Ionen aus, sodass auch fast keine Elektronen zurückbleiben. Die Kupfermünze ist damit der (physikalische) Pluspol der Kartoffelbatterie.

Das Multimeter misst den Unterschied zwischen den Elektronenansammlungen im Zink (viele Elektronen) und Kupfer (fast keine Elektronen) und gibt ihn als Zahl mit der Einheit Volt (V) an. Diese Zahl, auch elektrische Spannung genannt, sagt Chemikern, wie unterschiedlich das Bestreben zweier Stoffe (hier Kupfer und Zink), Elektronen abzugeben, ist.

Verbindet man die Elektronenansammlung im Zink nun über elektrisch leitende Drähte mit dem elektronenarmen Kupfer, dann fliessen die Elektronen als Strom vom Zink ins Kupfer – und können auf ihrem Weg elektrische Geräte wie eine LED betreiben. So können immer neue Zink-Ionen entstehen und immer neue Elektronen zurücklassen. Damit fliesst der Strom eine ganze Weile, sodass die LED nicht sofort wieder ausgeht, sondern immer weiter leuchtet.

Und was geschieht an der Kupfermünze?

Wenn Elektronen vom Zink zum Kupfer fliessen, werden sie an ihrem Ziel von anderen, bestenfalls positiv geladenen Teilchen aufgenommen. Da Kartoffeln naturgemäss keine Kupfer-Ionen enthalten, sind das vornehmlich Wasserstoff-Ionen (H+ bzw. H3O+) aus der Kartoffel (In Wasser gibt es immer ein paar davon, und eine Kartoffel mag organische Säuren enthalten, die noch ein paar mehr liefern):

An der Kupfermünze entsteht also Wasserstoff-Gas. Die Münze selbst reagiert dagegen nicht.

Und der Rest des Stromkreises?

Der Name „Stromkreis“ verrät es: Damit ein Strom fliessen kann, braucht es einen kompletten Kreislauf. Die Elektronen fliessen aber nur durch die Kabel vom Zink zum Kupfer. Wo ist der Rest des Kreislaufs?

Für den ist die Kartoffel zuständig. Die enthält, wie schon erwähnt, eine Menge flüssiges Wasser, in dem geladene Teilchen sich bewegen können – wenn sie einen Anlass dazu haben. Zudem enthält eine Kartoffel naturgemäss eine Menge verschiedener Ionen, die nur auf einen Anlass zum Wandern warten. Und das Entstehen bzw. Verschwinden von Ionen an den Metallteilen in der Kartoffel ist solch ein Anlass.

So wandern die neu entstehenden Zink-Ionen und andere positiv geladene Ionen durch die Kartoffel in Richtung Kupfermünze, um die Ladung der dort verbrauchten Wasserstoff-Ionen zu ersetzen. Ebenso wandern negativ geladene Ionen durch die Kartoffel in Richtung Zink-Scheibe, um die Ladung der dort entstehenden Zink-Ionen auszugleichen.

Während die Elektronen also durch das Kabel vom Zink zum Kupfer fliessen, fliessen durch die Kartoffel andere Ladungen vom Kupfer zum Zink. Damit ist der Stromkreis ganz und gar geschlossen.

Das Ganze funktioniert daher ebenso gut mit Äpfeln, Zitronen oder anderem Obst. Denn auch diese Früchte enthalten flüssiges Wasser und verschiedene Ionen, die wandern können.

Wann ist eine Kartoffelbatterie leer?

Grundsätzlich ist eine Batterie dann leer, wenn es keinen messbaren Unterschied zwischen den Elektronenansammlungen an Minus- und Pluspol mehr gibt. Denn ohne diesen Unterschied kann kein Strom fliessen.

Wenn aus Zink-Atomen Ionen werden, verlassen diese das Metall und lösen sich im Wasser der Kartoffel. Damit bleiben immer weniger Atome in der Zinkscheibe. Mit anderen Worten: Die Zinkscheibe (oder -spirale) wird immer kleiner, bis – theoretisch – irgendwann nichts mehr davon übrig ist.

Gleichzeitig entsteht an der Kupfermünze Wasserstoff und verschiedene Ionen bewegen sich innerhalb der Kartoffel hin und her. Wird dabei ein Zustand erreicht, in dem es keine Ladungsansammlung mehr auszugleichen gibt, hört der Strom auf zu fliessen und die LED leuchtet nicht länger. Dann, so sagen wir, ist die Batterie „leer“.

Warum brauchen wir mehrere Kartoffeln?

Meine Leuchtdiode, ein typisches Exemplar aus dem Handel für Elektro-Kleinteile, ist für den Betrieb in Stromkreisen mit 6-Volt-Batterieblöcken ausgelegt. Das heisst, um genügend Strom zu erzeugen, dass sie leuchtet, brauchen wir zumindest annähernd eine Spannung dieser Höhe (in jeder Schaltung ist etwas „Schwund“, sodass die LED für den 6-Volt-Antrieb schon mit weniger Strom als aus 6 Volt leuchten). Tatsächlich hat meine LED schon bei einer Spannung von gut 3 Volt zu leuchten begonnen.

Und das ist auch gut so. Denn eine höhere Batterie-Spannung kann erreicht werden, indem man mehrere Batterien hintereinander schaltet. Dann nämlich addieren sich die Spannungen über den einzelnen Batterien zur Gesamtspannung. Das funktioniert bei Kartoffelbatterien genauso wie bei richtigen Batterieblöcken: 4 „AA“-Batterien, die jede für sich 1,5V liefern, liefern in Reihe geschaltet 1,5V+1,5V+1,5V+1,5V = 6V (oder 4*1,5V=6V). Vier Kartoffeln, die jede für sich 0,85V liefern, liefern in Reihe geschaltet dementsprechend 3,4V.

Um einen 6-Volt-Batterieblock zu ersetzen, bräuchte ich also 7 Kartoffeln (7*0,85V = 5,95V), 7 Münzen und 7 Zink-Spiralen oder -scheiben, 9 Kabel und eine Menge Platz. Dazu kommt, dass ihr die Kartoffeln nach dem Experiment nicht mehr essen solltet, denn sie könnten Metallionen enthalten, die ungesund sind (Zink-Ionen sind zwar nicht ungesund und Kupferionen werden nur wenige darin sein, aber man weiss nie so genau, ob in Unterlegscheiben oder Drähten noch andere, ungesündere Metalle als Zink enthalten sind).

Sollte eure LED mit vier Kartoffeln nicht leuchten, obwohl die Kontakte als solche in Ordnung sind, schaltet einfach noch eine fünfte Kartoffelbatterie dazu.


Entsorgung

Die elektrischen Bauteile, Münzen und Kabel könnt ihr für spätere Experimente aufheben (spült die Münzen und Zinkscheiben ggfs. zuvor mit Wasser sauber und trocknet sie ab).

Die Kartoffeln solltet ihr – wie schon erwähnt – nach dem Experiment nicht essen. Wenn euer Bioabfall ähnlich wie unserer verbrannt wird, könnt ihr sie aber in die Biotonne entsorgen. Wegen der Metallionen darin solltet ihr die Kartoffeln aber besser nicht in den Kompost geben (besonders Klein- und Kleinstlebewesen mögen Kupferionen gar nicht!).

Hast du das Experiment nachgemacht: 

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

Silber putzen leicht gemacht!

Die Weihnachtszeit ist auch die Zeit von Festtagsmenu und fein herausgeputzter Tafel. Aber gerade wer die eher selten eindeckt, steht mitunter vor einem ungeliebten Haufen Arbeit: Das Tafelsilber ist schon wieder angelaufen – und auch der Silberschmuck zum Festtagsoutfit glänzt nicht mehr. Also ist Putzen und Polieren angesagt…es sei denn, man versteht ein wenig von Chemie.

Dieser Beitrag ist Teil des Adventskränzchens 2019!
Weitere Beiträge zum Thema des Tages „Fein herausgeputzt“ findet ihr auf
www.marie-theres-schindler.de
http://cosmic-blue.jimdofree.com
https://das-leben-ist-schoen.net

Warum läuft Silber an?

Landläufig kennt man Silber eigentlich als Edelmetall – also als eines jener Metalle, die als so reaktionsträge gelten, dass sie auch an der Luft mehr oder weniger blank bleiben. „Reaktionsträge“ meint dabei „schwer bis gar nicht zu oxidieren“. Und für das Oxidieren an der Luft ist in der Regel der darin enthaltene Sauerstoff verantwortlich. Der kann dem Silber aber gar nichts, wenn er alleine ist. Anders sieht es aber aus, wenn der Sauerstoff Unterstützung durch seinen grossen Bruder hat: Den Schwefel.

Schwefel: Der anrüchige Bruder des Sauerstoffs

Der steht im Periodensystem der Elemente direkt unter dem Sauerstoff, was bedeutet, dass Schwefel und Sauerstoff chemisch miteinander eng verwandt sind. So gibt es Schwefel auch in Form von S2--Ionen, analog zu den Sauerstoff-Anionen O2-. Und diese S2- -Ionen kommen zum Beispiel im Schwefelwasserstoff, H2S, einem äusserst übelriechenden Gas, oder in organischen Verbindungen, den sogenannten Thiolen, vor. „Thio-“ ist altgriechisch für Schwefel und die Endung „-ol“ weist auf die chemische Verwandschaft hin: Thiole sind die schwefelhaltigen Geschwister der Alkohole.

Ebenso haben auch die Aldehyde und Ketone (Sauerstoffverbindungen, die entstehen, wenn man Alkohole oxidiert – darunter Acetaldehyd, das uns nach Alkoholgenuss den Kater beschert) schwefelhaltige Geschwister.

All diese organischen Schwefelverbindungen sind oft ziemlich üble Stinker, und das nicht von ungefähr: Wie Schwefelwasserstoff sind einige Thiole hochgiftig, sodass der Gestank uns Menschen aus gutem Grund dazu bewegt, vor ihnen wegzulaufen. Andere Verbindungen werden von Pflanzen verwendet, um ihre Fressfeinde abzuschrecken. Ein bekanntes Beispiel dafür sind Zwiebeln. Der Stoff, der uns beim Schneiden von Zwiebeln Tränen in die Augen treibt, um uns vom Zerstören der Knollen abzuhalten, gehört auch zur Grossfamilie der schwefelorganischen Verbindungen.

Wie Schwefel an das Silber kommt

Tatsächlich kann man Thiole und andere schwefelorganische Verbindungen – und damit auch Schwefelwasserstoff in kleinen Mengen – überall dort finden, wo Leben ist oder war. Zum Beispiel in Lebensmitteln, auf unserer Haut oder auch in Kosmetika. So ist es nur natürlich, dass unser Tafelsilber und Silberschmuck, wenn wir sie benutzen, nebst Sauerstoff auch mit S2--Ionen in Berührung kommt.

Und die bilden mit Silberionen, Ag+, ein schwarzes, wasserunlösliches Salz, das Silbersulfid Ag2S:

2Ag+ + S2- –> Ag2S

Dabei wird eine Menge Energie frei. Das bedeutet, dem fertigen Silbersulfid wohnt viel weniger Energie inne als dem Silber-Metall und den S2--Ionen. Und Zustände mit möglichst wenig Energie strebt die bequeme Natur stets an. Der Zustand als Silbersulfid ist sogar dermassen erstrebenswert, dass Luftsauerstoff aus Silber-Metall Silber-Ionen machen kann (das geht normalerweise nicht von selbst), wenn S2- zur Stelle ist, um mit letzteren Silbersulfid zu bilden. Und zwar direkt an der Oberfläche des Silber-Metalls, wo die Ag+-Ionen entstehen. So bleibt das wasserunlösliche Silbersulfid gleich dort und bildet die dunkle Patina, die Silber so häufig überzieht.

Wie wird man die Silbersulfid-Schicht wieder los?

Grundsätzlich gibt es zwei Wege, die schwarze Schicht von der Silberoberfläche zu bekommen:

  • Man schrubbt oder löst sie ab – dann ist das Silber darin aber verloren.
  • Man macht aus den Silberionen darin wieder metallisches Silber und setzt die Sulfid-Ionen frei.

Ich ziehe den zweiten Weg dem ersten vor, um möglichst viel Silber an meinen Gegenständen zu erhalten. Und dazu gibt es neben kommerziellen Reinigungsmitteln verschiedenste Hausmittel im Netz. Besonders interessant – weil so einfach und wirksam, finde ich dieses:

Silber mit Aluminiumfolie in Salzwasser reinigen

Ihr braucht dazu

  • euer angelaufenes Silber (Besteck, Tafelsilber oder Schmuck ohne Steine oder sonstiges Beiwerk!)
  • Aluminiumfolie
  • etwas Kochsalz
  • Leitungswasser
  • Kochtopf und Herd
  • einen gut belüfteten Raum bzw. eine Dunstabzugshaube zum Herd
  • eine Grillzange oder ein ähnliches Greifwerkzeug
Was ihr zum Silber putzen braucht: Silber, Kochsalz, Alufolie, Kochtopf
Ich habe für meinen Testlauf ein Schmuckstück aus 925er Silber verwendet (unten im Bild). Das bedeutet, 925 von 1000 Teilen oder 92,5% des Metalls sind Silber, der Rest besteht aus anderen Metallen – in der Regel Kupfer. In solch einer Legierung ist das Silber etwas härter als in ganz reiner Form. Silberbesteck besteht übrigens meistens aus 80% Silber und 20% Kupfer und ist damit noch härter. Doch so lange das Besteck nicht grün angelaufen ist, funktioniert dieser Trick auch damit.

So geht’s

  • Füllt Wasser in den Topf (es soll eure Silbergegenstände später ganz bedecken) und gebt einen Löffel Kochsalz hinzu (als wolltet ihr z.B. Spaghetti kochen)
  • Bringt das Wasser auf dem Herd zum Kochen
  • Zerteilt inzwischen die Aluminiumfolie in kleine Schnipsel und gebt sie in das kochende Wasser. Die Schnipsel sollten ganz ins Wasser eingetaucht sein – hierzu ist die Grillzange sehr nützlich!
  • Legt den Silbergegenstand in das kochende Wasser, lasst das Ganze kurz aufkochen und nehmt das Silber mit der Zange wieder heraus (Vorsicht, heiss!). Wenn ihr das ganze Tafelsilber säubern wollt, wiederholt diesen Schritt einfach mit den nächsten Teilen.
  • Lasst das Metall kurz abkühlen und trocknet es gründlich ab
Silber und Alufolie im Kochtopf
Kaum zu sehen: Das Silber liegt auf dem Grund des Salzwassers mit Aluminium-Schnipseln.

Was ihr beobachten könnt

Das Silber wird innerhalb einer Minute oder weniger wieder hell und glänzend. Der aufsteigende Wasserdampf riecht währenddessen ein wenig nach faulen Eiern – deshalb grössere Mengen nicht einatmen, gut lüften oder den Abzug verwenden!

Vorsicht, heiss: Gerade aus dem Topf gehoben glänzt das Silber blitzblank!
Vorsicht, heiss: Gerade aus dem Topf gehoben glänzt das Silber blitzblank!

Was passiert da?

Aluminium ist ein sehr unedles Metall. Es wird also leicht oxidiert. Oxidation bedeutet: Das Aluminium gibt Elektronen an einen Reaktionspartner ab:

Ein möglicher Reaktionspartner, der freiwillig Elektronen von Aluminium entgegennimmt (die Aufnahme von Elektronen eines Reaktionspartners heisst Reduktion), sind Silberionen, Ag+:

Links: Das Schmuckstück vor dem Kochen mit deutlich sichtbarer Silbersulfid-Schicht.
Rechts: Nach dem Kochen, Abkühlen und Trocknen glänzt das Silber wieder hell.

Euch kommt das irgendwie bekannt vor? Richtig: Aluminiumfolie als Rostfänger in der Spülmaschine funktioniert ganz ähnlich! Mit dem Unterschied, dass das Aluminium dort der Entstehung von Flugrost (d.h. Eisen-Ionen) zuvorkommt, weil es leichter als Eisen oxidiert wird.

Für die Reduktion von Silbersulfid müssen die Elektronen aber irgendwie vom Aluminium in der Folie zum Silbersulfid an der Oberfläche unseres Tafelsilbers gelangen. Und Elektronen, die auf Wanderschaft gehen, sind elektrischer Strom.

Elektronentransport dank Elektrolytlösung

Hier kommt das Kochsalz, NaCl, ins Spiel. Gibt man es ins Wasser, löst es sich nämlich in Na+– und Cl-Ionen auf. Und Ionen, die sich in einer Flüssigkeit bewegen können, leiten den elektrischen Strom! Anders als in einem Kabel, durch welches Elektronen einfach hindurchströmen, wandern positiv geladene Ionen (Kationen) hierzu durch die Flüssigkeit dorthin, wo es viele Elektronen gibt (zur „Kathode“), um dort Elektronen (hier vom Aluminium) „huckepack“ zu nehmen, während die negativen Ionen (Anionen) dorthin wandern, wo wenig Elektronen sind (zur „Anode“), um dort Elektronen abzugeben (hier an die Silberionen). Eine solche leitfähige Flüssigkeit nennen die Chemiker „Elektrolyt“.

Ebenso wie Kochsalz funktionieren natürlich auch andere wasserlösliche Salze als Bestandteil der Elektrolytlösung zum Silberputzen. Natron, Soda oder Backpulver werden gerne als Alternativen genannt. Diese reagieren allerdings basisch und bilden mit vielen Metallen – auch Aluminium – schwer lösliche Hydroxide. Und die könnten die Oberfläche der Aluminiumfolie für die Redox-Reaktion mit dem Silber blockieren („passivieren“). Deshalb – und weil Basen die Haut eher reizen als neutrale Stoffe oder Säuren – finde ich Kochsalz als Elektrolyt einfach bequemer.

Da auf diese Weise sehr bequemes Silbersulfid zerstört werden soll, braucht es zusätzlich noch Energie, damit das Ganze funktioniert. Und die fügen wir durch das Erhitzen zu.

Und woher kommt der Geruch nach faulen Eiern?

Wenn die Ag+-Ionen zu metallischem Silber reagieren, bleiben die S2--Ionen übrig:

Die bleiben aber ungern nackt und einsam, sodass sie sich sofort von den nächstbesten Wassermolekülen H+-Ionen schnappen:

Also insgesamt:

Das Gas H2S, also Schwefelwasserstoff, ist giftig, wasserlöslich, verdampft aber leicht – ganz besonders, wenn die Lösung gerade kocht. Deshalb können wir es im Wasserdampf, der aus unserem Topf mit dem Silber aufsteigt, riechen. Aber keine Sorge: Gerade weil dieses Gas so giftig ist, ist die menschliche Nase darauf äusserst empfindlich. Bevor wir gesundheitsschädliche Mengen davon einatmen können, sind wir in aller Regel längst vor dem Gestank davongelaufen.

Trotzdem solltet ihr euren Raum, in dem ihr Silber auf diese Weise putzt, gut lüften oder die Dunstabzugshaube einschalten, damit sich das Gas nicht sammelt – und damit nicht eure ganze Wohnung danach stinkt 😉 .

Was passiert, wenn man viel Silber reinigt?

Wenn ihr viel Silber reinigt, könnte es auch mit Kochsalz als Elektrolyt passieren, dass eure Alufolienschnipsel stumpf werden. Denn dank der frei werdenden S2--Ionen kommt ihr letztlich um die Entstehung von Hydroxiden (Verbindungen mit OH-Ionen) nicht herum. So lassen sich alle Gleichungen oben zu einer einzigen Reaktionsgleichung zusammenfassen:

Sollte sich das Aluminiumhydroxid Al(OH)3 an der Oberfläche der Alufolie sammeln, bis das Reinigen des Silbers nicht mehr funktioniert, tauscht die Folienschnipsel einfach gegen frische Schnipsel aus. Zudem könnt ihr die Haltbarkeit der Folienschnipsel etwas verlängern, indem ihr ein wenig Säure, zum Beispiel Zitronensäure, zur Salzlösung gebt.

Wenn ihr euch gut mit Chemie auskennt, könntet ihr natürlich eine Pufferlösung einzusetzen, um die Alufolie noch deutlich länger „frisch“ zu halten. Aber das ist eine andere Geschichte.


Entsorgung

Da bei diesem Verfahren Silberionen an der Silberoberfläche zu metallischem Silber reduziert werden, sollte eure Salzlösung nach dem Kochen praktisch kein Silber enthalten. Das Aluminium reagiert ebenfalls zu schwer löslichen Salzen (spätestens dann, wenn ihr die gebrauchte Lösung mit etwas Natron basisch macht).

Wenn die, nachdem ihr viel Silber gereinigt habt, als sichtbare Schlieren oder Trübung aus der Lösung ausfallen, könnt ihr die Flüssigkeit filtrieren, das Filterpapier (z.B. einen Kaffeefilter) trocknen lassen und in den Hausmüll geben.

So könnt ihr die verbleibende Salzlösung nach dem Abkühlen – und nachdem ihr die Folienschnipsel herausgenommen habt, in den Ausguss entsorgen.

Die Folienschnipsel könnt ihr wie anderes Haushalts-Aluminium auch in den Recycling-Abfall geben (in der Schweiz in den Container an der Abfall-Sammelstelle, in Deutschland und Österreich über die gelbe Tonne).

Wenn ihr ausserdem Kupfer oder Messing putzen möchtet: Auch dafür gibt es einen einfachen Chemie-Trick – den findet ihr hier!

Und wie putzt ihr euer Silber für gewöhnlich?

Hast du das Experiment nachgemacht:

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Der Mai und Juni waren verregnet wie schon lange nicht mehr. Und das, nachdem viele von uns ihr liebstes Sommer-Fortbewegungsmittel längst aus dem Winterquartier geholt haben. Damit herrschen ideale Bedingungen für den grössten Feind von Autos, Fahrrädern, und was sonst noch so aus Eisen: Rost.

Bei anderen wiederum liegt Rost im Trend: Als schmucke Patina für Nützliches und Kunst in Haus- und Gartenbau. Und bei Frau Tonari und ihren Mitstreitern, die Ende jedes Monats eifrig Rostiges zur Rost-Parade zusammentragen. Und da bin ich dieses Mal auch dabei.

Rost im Garten

Rostig aber filigran: Dekoratives im Garten (Parque de Monserrate, Sintra, Portugal) CC-BY-SA 4.0 by Keinsteins Kiste

 

Aber wie es sich für eine Geschichte auf Keinsteins Kiste gehört, ist meine Geschichte vom Rost nicht nur ein Auszug unserer rostigen Entdeckungen der letzten Jahre, sondern auch ein Einblick in die Chemie dahinter: Was ist Rost eigentlich? Warum kann nur Eisen rosten? Warum gibt es so viel Rost an Schiffen? Wie kann man das eigene Eisen (in Form von Auto, Fahrrad, Gartentor und vielem mehr) vor Rost schützen? Und wie wird man ihn – wenn es dazu zu spät ist – wieder los?

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Bestimmt mit Absicht rostig: Wer kennt den „Ritter Rost“? Das hier ist vielleicht sein Ross „Feuerstuhl“! (entlaufen in den Norden des Bundesstaats Oregon, USA) CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Was ist Rost?

Rost mit einer chemischen Formel zu beschreiben ist längst nicht so einfach wie bei vielen anderen Stoffen. Das liegt daran, dass Rost nicht einfach „ein Stoff“ ist, sondern sich gleich aus mehreren zusammensetzt.

Eine chemische Formel für Rost, die dieses Stoffgemisch zu beschreiben sucht, lautet:

In Worten: Rost ist ein wasserhaltiges Gemisch aus verschiedenen Eisenoxiden. Bei den Eisenoxiden handelt es sich um Salze, also Stoffe, die aus Ionen bestehen. Diese verschieden geladenen Ionen werden von der elektrostatischen Anziehung in Kristallgittern zusammengehalten, die wir als atemberaubend regelmässige Kristalle sehen und in der Hand halten können. Beim Rost herrscht jedoch Uneinigkeit, was den Aufbau dieses Gitters angeht: Die Gitter von FeO und Fe2O3 sowie weiteren Sauerstoff-Verbindungen des Eisens sind sich so ähnlich, dass sie sich kreuz und quer durcheinander aufbauen und je nach äusseren Umständen ineinander übergehen. Und zu alledem sind auch noch Wassermoleküle in diesem Gitter eingeschlossen.

Diesen Umstand beschreiben die „*“-Zeichen in der Formel: Wenn die erste Formel einen Kristall beschreibt, beschreibt die Formel hinter dem „*“ ein Teilchen – meist ein Molekül – das auch noch in das Kristallgitter eingebaut ist. Wenn es sich dabei um Wasser handelt, nennen die Chemiker diese eingebauten Wassermoleküle „Kristallwasser“.

Tatsächlich beschreibt aber auch diese Formel „nur“ den Endpunkt verschiedener aufeinander folgender Entwicklungsstufen, die in echtem Rost alle nebeneinander vorliegen. Wie das vor sich geht?

Auf Lanzarote in einer sichtlich feuchten Höhle entdeckt: Eisenoxide einmal kosmisch CC-BY-SA 4.0 by Keinsteins Kiste

 

Wie entsteht Rost?

Die Entstehung von Rost ist ein besonderer Fall eines Vorgangs, der Korrosion genannt wird. Korrosion – das sind Reaktionen von elementaren Metallen (also ungeladenen Metall-Atomen) mit Stoffen in ihrer Umgebung.

Säurekorrosion

Die vielleicht simpelste dieser Reaktionen mag vielen aus der Schule wohlbekannt sein: Kommt ein Metall wie Eisen mit Säure in Berührung, werden Atome aus der Metalloberfläche gelöst und gehen als Ionen in die Flüssigkeit über. Dabei entsteht Wasserstoff, der in kleinen Gasblasen aufsteigt und beim Entzünden geräuschvoll verpufft.

Übrig bleiben nach dieser „Säure-Korrosion“ die Metallionen und die Anionen der ursprünglichen Säure (hier Chlorid-Ionen als Anionen der Salzsäure). Und wenn aus vormals ungeladenen Teilchen Ionen entstehen, sind zwangsweise Elektronen ausgetauscht worden (denn ein Austausch von Kernladung in Form von Protonen fiele – sofern möglich – in den Bereich der Kernphysik):

Die Metall-Atome geben Elektronen ab, die von der Säure stammenden H+-Ionen nehmen diese Elektronen auf. Chemiker nennen die Abgabe von Elektronen „Oxidation“ und die Aufnahme von Elektronen „Reduktion“. Das Metall wird also oxidiert, die H+-Ionen reduziert. Und dabei entstehen ungeladene Wasserstoffatome, die zu je zweien ein Wasserstoffmolekül bilden.

Sauerstoffkorrosion

Bei der Entstehung von Rost ist allerdings keine Säure im Spiel (zumindest keine stärkere als Wasser selbst). Anstelle von H+-Ionen sind dabei nämlich Sauerstoff-Moleküle für die Aufnahme von Elektronen zuständig, die in Folge ihrer Reduktion Oxid-Anionen bilden. Und Sauerstoff gibt es reichlich in der Luft. Da allerdings sowohl die entstehenden Eisen-Ionen als auch die Oxid-Ionen irgendwo hin müssen (und Luft kommt dafür nicht in Frage), funktioniert dieser Elektronenaustausch nur in Wasser, in welchem die verschiedenen Ionen in Lösung gehen können:

Wenn ein Wassertropfen eine Eisenoberfläche benetzt, können Eisenatome im Innern des Tropfens zwei Elektronen abgeben und sich als Fe2+-Ionen im Wasser von der Oberfläche fort bewegen. Die beiden abgegebenen Elektronen bleiben dabei zunächst in der Metalloberfläche zurück – welche sich somit negativ auflädt.

Auch Sauerstoffmoleküle können sich in Wasser lösen und so in einen Wassertropfen eindringen (Chemiker sagen „hinein diffundieren“), und zwar direkt aus der Luft durch dessen Aussenhaut. Wenn sie so am Rand des Tropfens in die Nähe der Eisen-Oberfläche gelangen, können sie dort überschüssige Elektronen aus dem Eisen aufnehmen.

Da Oxid-Anionen (O2-) aber nicht einfach so in Wasser existieren können, läuft die tatsächliche Reaktion etwas anders:

Das Hydroxid-Anion (OH) ist im Prinzip nichts anderes als ein „unfertiges“ Oxid-Anion, das entsteht, wenn ein Sauerstoff-Atom neben zwei Elektronen auch noch ein H+-Ion aufnimmt (dieses H+-Ion wird jeweils von einem Wassermolekül abgegeben, wobei ebenfalls OH entsteht. So bleibt für jedes Sauerstoff-Atom (anfangs je eins in beiden Wassermolekülen und zwei im Sauerstoffmolekül) am Ende ein Wasserstoff-Atom.

Und Hydroxid-Ionen können problemlos in Wasser existieren (tatsächlich sind sie sogar unverzichtbare Bestandteile von Wasser, aber das ist eine andere Geschichte).

Es entsteht also eine Lösung des Salzes Eisen(II)hydroxid. Die römische II, auch Oxidationszahl genannt, gibt dabei an, wie viele Elektronen das Eisen abgegeben hat.

Eisen(II)hydroxid ist weisslich und nicht sehr beständig, denn Fe2+-Ionen geben leicht ein weiteres Elektron an Sauerstoff ab:

Das so entstehende Eisen(III)hydroxid ist schliesslich rostbraun. Dabei sind beide Eisenhydroxide wasserlöslich, sodass sich alle Ionen voneinander getrennt im Wasser bewegen können. Erst wenn das Eisen(III)hydroxid Wasser abgibt

bildet sich schwerlösliches Eisen(III)oxid-hydroxid, das sich als fester Rost auf der Eisenoberfläche absetzt: Es entsteht ein Ionenkristall, in dessen Gitter die abgegebenen Wassermoleküle eingebaut werden, wie es die Formulierung mit dem „Mal“ andeutet. Folglich bleibt das „abgegebene“ Wasser dem Rost zunächst erhalten.

Aber auch das Eisen(II)hydroxid sowie das Eisen(III)oxid-hydroxid können Wasser abgeben:

Während die letzten drei Reaktionen untrennbar miteinander ablaufen, bilden sich  zunehmend feste, aber stets spröde, sich abschuppende Beläge auf der Eisenoberfläche – allerdings nicht unbedingt dort, wo sich die Fe2+-Ionen von der Eisenoberfläche lösen!  So ist der entstehende Rost dem Austausch von Ladungen, welcher für Redox-Reaktionen Voraussetzung ist, weder räumlich direkt im Weg, noch kann er eine luft-und wasserdichte Barriere bilden. Die Folge dessen: Ein Eisenstück, das ungeschützt Luft und Wasser ausgesetzt ist, rostet früher oder später durch.

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Rost ist nicht sehr beständig und rinnt ungeniert auch über weisse Buchstaben (Valley of Fire State Park, Nevada, USA CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Können Steine rosten?

Wer sich in der Natur aufmerksam umsieht, findet häufig Steine oder ganze Gesteinsschichten mit rostroten Verfärbungen. Und in manchen Gegenden sind sogar ganze Gesteinsmassive strahlend rot – wie zum Beispiel auf dem Colorado-Plateau im „wilden Westen“ Nordamerikas.

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Balanced Rock: Rostige Steine im Arches Nationalpark, Utah, USA CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Und tatsächlich können auch Steine rosten – nämlich dann, wenn sie Eisen enthalten. Dieses Eisen kann nämlich – meist im Zuge der Entstehung des jeweiligen Gesteins – zu verschiedenen Eisenoxiden reagieren, die als Bestandteile des Gesteins für die rote Farbe sorgen. Unter diesen Eisenoxiden kommt das Mineral Lepidokrokit dem „echten“ Rost am nächsten. Es wird mit der Formel γ-FeO(OH) beschrieben (das γ dient der Unterscheidung von anderen Kristall-Varianten mit der gleichen Verhältnisformel) und enthält im Unterschied zum „echten“ Rost kein zusätzliches Kristallwasser, was das Mineral relativ beständig macht.

Anstatt in sichtbaren Kristallen können Mineralien wie dieses auch feinkörnig in Gesteinen enthalten sein und die verschiedensten Steine rot färben – wie den Sandstein auf dem Colorado-Plateau oder Lava (eigentlich grau oder schwarz) an den Hängen der Vulkankegel auf Lanzarote.

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Rostrote Lava-Schlacke im Timanfaya Nationalpark, Lanzarote CC-BY-SA 4.0 by Keinsteins Kiste

 

Was bewegt all diese Salze zum Umbau ihrer Kristalle?

Die gezeigten Reaktionen sind ausgewählte Vorgänge in einem System, in welchem sich ein chemisches Gleichgewicht einzustellen versucht. Das heisst, sie sind umkehrbar, und sobald sich das Gleichgewicht tatsächlich eingestellt hat, laufen die Reaktionen in entgegengesetzte Richtungen gleich schnell ab. Monsieur Le Châtelier erklärt auf dem Flughafen gern die Einzelheiten dazu.

Kurzum: Ein System im Gleichgewicht hat die Eigenheit, dass die Zugabe oder Entnahme eines daran beteiligten Stoffs zu einer Verschiebung des Stoffmengenverhältnisses im Gleichgewicht führt – und zwar derart, dass es dem Effekt durch die Zugabe oder Entnahme des Reaktionspartners ausweicht (das entspricht dem Prinzip von Le Châtelier, das auch Prinzip des kleinsten Zwanges genannt wird).

Mit anderen Worten: Wenn die rostige Eisenoberfläche langsam abtrocknet, das Wasser am Ort der Rostentstehung also verdunstet, werden Wassermoleküle, wie sie in den letzten drei Reaktionen entstehen, dem System entzogen. Dem Prinzip von Le Châtelier folgend sind diese drei Teilsysteme entsprechend geneigt, neue Wassermoleküle nach zu liefern (und so auch die ihnen vorangehenden Teilreaktionen, welche die dazu nötigen Ausgangsstoffe liefern, zu befeuern).

So entsteht eine ganze Kette von einander beeinflussenden Reaktionen, welche im Idealfall mit dem Gemenge kristallwasserhaltiger Eisenoxide endet, das die Formel x FeO • y Fe2O3 • z H2O vom Anfang zu beschreiben sucht.

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Dampfmaschinenzug im Death Valley Nationalpark – Der Rost zeigt: Auch hier gibt es Wasser. Manchmal. CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

„Rosten“ auch andere Metalle?

Tatsächlich rosten kann natürlich nur Eisen – denn nur Eisen kann zu den rostroten Eisenoxiden reagieren. Korrodieren können hingegen auch viele andere Metalle. Einige haben dabei jedoch das Glück, dass ihre Hydroxide oder andere entstehende Salze nicht oder kaum wasserlöslich sind. So bilden sie sich direkt an der Metalloberfläche und bedecken diese bald lückenlos, sodass sie das darunter liegende Metall vor dem Einfluss von Wind und Wetter schützen. Zu den Metallen, die auf diese Weise gegenüber Wasser „passiv“, also unreaktiv werden, zählen Zink, Magnesium und Aluminium. Besonders Zink findet man häufig draussen, als Oberfläche von Leitplanken, Schildermasten und manchem mehr. Die hauchdünne Oxidschicht auf den Metalloberflächen lässt das ursprünglich glänzende Metall stumpf aussehen – aber dafür korrodiert es nicht!

In gewisser Weise rosten kann das Metall Mangan, das im Periodensystem gleich links vom Eisen zu finden ist. Mangan bildet eine ganze Reihe meist wasserhaltiger Oxide und Hydroxide, die in der Gruppe der „Braunsteine“ zusammengefasst werden. Die Braunsteine kommen in der Natur als Mineralien vor – darunter Manganit MnO(OH) und der im Endzustand wasserfreie Pyrolusit (MnO2 – richtig, Mangan kann auch 4 Elektronen abgeben!).

Für farbenfrohe Korrosionserscheinungen ist jedoch das Metall Kupfer sehr viel bekannter: Die vielerorts sichtbare grüne Patina auf Kupferdächern und Bronzeskulpturen (Bronze ist eine Legierung aus Kupfer und anderen Metallen (ausser Zink)) besteht jedoch nicht aus Kupferoxiden (die wären schwarz bzw. rot), sondern aus einem Gemisch verschiedenster Kupfersalze. Darunter können Kupfercarbonate (aus Reaktionen mit Kohlenstoffdioxid, CO2), -sulfate (aus Reaktionen mit Schwefeldioxid, SO2), vornehmlich am Meer Kupferchlorid (die Chloridionen liefert das Kochsalz im Meer, NaCl), Hydroxide (aus Reaktionen mit Sauerstoff und Wasser) und verschiedene Salze organischer Säuren sein.

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Bronzener Kapitän auf rostigem Schiff: Kupfer bildet eine grüne Passiv-Schicht aus verschiedenen Salzen, Eisen rostet rötlich. (Cascais, Portugal)  CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Die häufig gehörte Bezeichnung „Grünspan“ für die grüne Schicht auf Kupfer und Bronze ist daher nicht ganz richtig. Denn Grünspan ist eigentlich der landläufige Name nur eines ganz bestimmten Salzes, nämlich des Kupfer(II)acetats, eines Salzes der Essigsäure.

 

Welche Metalle können an Luft und Wasser korrodieren? Gibt es da eine Regel?

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Eine wahrhaft amerikanische Idee: Diese Versuchsreaktoren wurden geschaffen um Flugzeugturbinen anzutreiben. Atomgetriebene Flugzeuge? Hat nicht funktioniert – und jetzt rosten sie (EBR-1, Idaho State, USA) CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Theoretisch kann jede Atom- oder Ionensorte Elektronen aufnehmen, doch ihr Bestreben danach ist sehr unterschiedlich stark. Grundsätzlich gilt dabei jedoch: Wenn unterschiedliche Atom- bzw. Ionensorten zusammenkommen, können die Atome oder Ionen, welche lieber Elektronen aufnehmen als ihre Reaktionspartner, Elektronen der anderen Atomsorte übernehmen: Der Partner, der stärker bestrebt ist Elektronen aufzunehmen, wird reduziert, der andere Partner wird oxidiert.

Das „Bestreben Elektronen aufzunehmen“ nennen Chemiker das Redox-Potential eines Teilchens – dargestellt als Paar von Teilchen vor und nach der Elektronen-Aufnahme. Das Redox-Potential kann wie eine elektrische Spannung gemessen werden und hat deshalb auch deren Einheit: Volt.

Je positiver das Redox-Potential ist eines solchen Teilchenpaares ist, desto lieber wandelt sich der elektronenärmere Partner durch Elektronen-Aufnahme zum elektronenreicheren Partner (d.h. je positiver das Redox-Potential ist, desto lieber wird der elektronenärmere Partner reduziert.

(Das Redox-Potential für die Paarung Fe/Fe2+ ist negativ: Fe2+ wird nur schwerlich reduziert – Fe dafür um so leichter oxidiert).

Das Redox-Potential eines Teilchenpaares lässt sich auch mit guten Kenntnissen des Aufbaus der Atome allenfalls abschätzen. Genaue Werte müssen hingegen gemessen werden. Unglücklicherweise kann man einzelne Redox-Potentiale, also das Streben einer einzelnen Teilchensorte nach Elektronenaufnahme, nicht messen, sondern nur das Bestreben, Elektronen von einem bestimmten Reaktionspartner zu übernehmen.

Aber Chemiker wären nicht Chemiker, wenn sie da nicht einen Ausweg gefunden hätten: Sie haben einfach ein Teilchenpaar bestimmt, dessen Redox-Potential gleich Null sei, nämlich die Paarung von H+-Ionen und Wasserstoffatomen (in Wasserstoffmolekülen, H2, die durch Aufnahme je eines Elektrons pro Atom aus den H+-Ionen entstehen) unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen. Dieses Paar kann man in Wirklichkeit nebeneinander stellen, indem man eine reaktionsträge Platin-Elektrode in eine Lösung mit 1 mol/l H+-Ionen taucht und sie mit Wasserstoff-Gas (bei einem Druck von 1 bar) umspült. Eine solche Konstruktion wird Normal-Wasserstoffelektrode genannt.

Und wenn man die mit einer Wirklichkeit gewordenen Paarung anderer Teilchen (zum Beispiel einer Eisenelektrode in einer Lösung von Eisen-Ionen) verbindet und ein Voltmeter dazwischen schaltet, zeigt dieses die Differenz zwischen dem Redox-Potential des Eisen-Paares und jenem der Normal-Wasserstoffelektrode – also die Abweichung des Redox-Potentials des Eisen-Paares von Null.

So lange die Chemiker sich also einig sind, wie eine Normal-Wasserstoffelektrode auszusehen hat und welche Rahmenbedingungen einzuhalten sind (Temperatur, Druck, Konzentration der Ionenlösung..), gilt der gemessene Wert als Redox-Potential des Eisenpaares.

So unter stets gleichen Bedingungen gemessene Werte für verschiedene Teilchenpaare kann man in einer Liste ordnen, die als Spannungs- oder Redox-Reihe bekannt ist.

Spannungsreihe

Spannungsreihe: Einige Teilchen-Paare und ihre Redox- (hier: Standard-)potentiale

 

In dieser Liste kann man nun ablesen, dass Sauerstoff in Gegenwart von Wasser viel stärker danach strebt Elektronen aufzunehmen und zu OH zu reagieren, als Fe2+-Ionen zu Eisen-Atomen zu reagieren streben. Die Folge: Eisen rostet bei Wind und Wetter ohne viel Federlesen.

Gold-Ionen (Au3+) würden wiederum sehr viel lieber Elektronen aufnehmen und zu Gold-Atomen reagieren, als Sauerstoff in Gegenwart von Wasser. Die Folge: Gold „rostet“ selbst in Jahrtausenden in feuchter Erde nicht. Das starke Streben nach Elektronenaufnahme überdies dazu, dass Gold-Atome ihre Elektronen auch in Gegenwart der meisten Säuren erst gar nicht an Wasserstoff abgeben. Damit ist Gold auch weitgehend sicher vor Säurekorrosion (so lange man nicht im Labor zu richtig „brutalen“ Mitteln greift)

Ihre Beständigkeit gegenüber Säure- und Sauerstoffkorrosion hat Gold und anderen Metallen, die auch bei Wind und Wetter ihren Glanz auf wundersame Weise mehr oder weniger lange behalten, die Bezeichnung „Edelmetalle“ eingetragen. Metalle, die leicht korrodieren, werden hingegen auch „unedel“ genannt.

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Einst wurde hier begehrtes Edelmetall geschürft – jetzt rostet es vor sich hin: Verlassene Goldmine bei Cripple Creek, Colorado, USA  CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Warum rostet Eisen am Meer besonders stark?

Auf der Kanaren-Insel Lanzarote hat uns eine Erkundungstour einmal in einen (zukünftigen) Ortsteil in Küstennähe geführt, in welchem die Strassen samt Strassenlaternen, Papierkörben und mehr vor dem Bau der Häuser (mit dem man noch nicht einmal begonnen hatte!) angelegt worden waren. Zu unserem Erstaunen fanden wir die Laternen auf den einsam da liegenden Strassen hochgradig verrostet vor (und haben leider keine Bilder gemacht). Konnte sich der Bau der Häuser tatsächlich schon so lange verzögert haben? Eigentlich wirkten die Strassen selbst doch ziemlich neu…da musste das Eisen irgendwie schneller als gewöhnlich gerostet sein – und zwar aus folgendem Grund:

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Nicht auf Lanzarote, dafür auf Teneriffa zeigt diese Sonnenuhr trotz Rost die Zeit CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Die beiden Teilreaktionen zum Austausch von Elektronen zwischen Eisen und Sauerstoff finden während der Rost-Entstehung an verschiedenen Orten statt. Beide Reaktionen können daher nur dann dauerhaft ablaufen, wenn genügend Ladungen zwischen diesen Orten hin- und her geschafft werden können. Und für einen reibungslosen Ladungstransport wird ein möglichst guter elektrischer Leiter benötigt.

Bei der Rost-Entstehung bildet der Wassertropfen diesen Leiter (ein flüssiger elektrischer Leiter wird auch Elektrolyt genannt): Reines Wasser enthält immer auch einige wenige H3O+– und OH-Ionen, die zwecks Ladungstransport bewegt werden können. Sind im Wasser aber zusätzliche Ionen enthalten – zum Beispiel weil Meersalz darin gelöst ist (), dann leitet es den Strom um ein Vielfaches besser, sodass der Elektronenaustausch bei der Rost-Entstehung viel schneller bewerkstelligt werden kann!

Deshalb ist nicht nur die Anlage von Geister-Strassen an der Küste und ohne besonderen Rostschutz unklug. Auch wer mit eisernen Schiffen zur See fährt, sollte sich regelmässig und gründlich um Rostschutz bemühen, möchte er nicht irgendwann mit Mann und Maus untergehen.

Bohrinseln

Ausgemustert oder zwecks (Rost-)Reparatur auf dem Trockendock? Bohrplattformen im Hafen von Santa Cruz de Tenerife CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

Aber wie kann man Eisen vor dem Rosten schützen?

Wie man ein Metall vor dem Angriff durch Sauerstoff und Wasser schützt? Indem man diesen beiden Übeltätern etwas in den Weg stellt! Das lässt sich beim Eisen auf mehreren Wegen erreichen:

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Stop Korrosion! Rost-Polizei an der Route 66, Arizona, USA CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

1. Man verarbeitet das Eisen zu „rostfreiem“ Stahl – einer Legierung (ein Mischmetall aus verschiedenen Metallatomen) von Eisen mit mindestens 10,5% Chrom und weiteren Bestandteilen in kleinen Mengen. Das Chrom bildet eine luft- und wasserdichte „Passivschicht“ aus Chromoxid an seiner Oberfläche und schützt damit auch die Eisenatome in seiner Nachbarschaft. Der Nachteil: Solche Stähle sind zäher als Eisen, was das Bohren darin erschwert und dazu führt, dass Gewinde von Schrauben sich schneller festfressen.

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Kein Chromstahl: Rostender Stahlträger aus dem alten World Trade Center vor dem Neubau – 9/11-Denkmal auf Staten Island, New York City, USA CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

2. Man streicht Eisenteile mit möglichst witterungsbeständigen Farben oder Lacken. Da kommen Wasser und Sauerstoff im Idealfall nicht durch. Allerdings gibt praktisch jede Farbschicht dem Trommelfeuer von Sonnenstrahlung, Wind und Nässe früher oder später nach und blättert ab. Und wenn man dann nicht sofort nachstreicht, rostet das Eisen eben doch.

Rostiges Schild

Dem Wilden Westen ist kein Lack gewachsen (gefunden auf Antelope Island im Great Salt Lake, Utah, USA) CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

Wesentlich beständiger als ein Anstrich mit Lack und Farbe ist eine Beschichtung des Eisens mit einem anderen Metall. Bewerkstelligen lässt sich das, indem man das Metall mittels Elektrolyse auf dem Eisen abscheidet, oder indem man das Eisen komplett in das geschmolzene Metall eintaucht. Die beiden Metallschichten „verzahnen“ sich dabei an ihrem Übergang praktisch Atom für Atom, was sie nahezu untrennbar miteinander verbindet.

3. Auf den ersten Blick scheinen für eine solche Beschichtung „edlere“, also korrosionsbeständige Metalle Wunschkandidaten zu sein. Das dachten sich auch die Hersteller von Dosen aus Weissblech, also aus mit einer Zinn-Schicht versehenem Eisen.
Die Korrosionsbeständigkeit kann jedoch ebenso gut zum Problem werden, beruht sie doch darauf, dass „edlere“ Metalle noch lieber Elektronen aufnehmen als Eisen. Sobald die Zinn-Schicht einer Weissblech-Dose nämlich beschädigt wird, sodass das Eisen Fe2+-Ionen an Wasser in seiner Umgebung abgeben kann, sorgt das verbleibende Zinn in der Nachbarschaft des Schadens dafür, dass die zurückbleibenden Elektronen sich gar nicht erst im Eisen ansammeln können, sondern umgehend zur Reduktion weitergeleitet werden. So rostet beschädigtes Weissblech letztlich noch schneller als ungeschütztes Eisen.

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Auch Chrom ist edler als Eisen: Wo die Chromschicht leckt, rostet es besonders schnell (an der Route 66, Arizona, USA) CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

4. Das Problem mit den edleren Metallen kann man sich jedoch ebenso gut zunutze machen – indem man nämlich das Eisen mit einem unedleren Metall beschichtet, zum Beispiel mit dem sehr beliebten Zink. Wind und Wetter ausgesetzt bildet Zink an seiner Oberfläche rasch eine passive Schicht, die es zunächst vor der weiteren Korrosion bewahrt. Kommt aber ein verzinktes Eisenwerkstück zu Schaden, übernimmt das freigelegte Eisen die Rolle des edleren Metalls: Es begünstigt die Korrosion des Zinks ohne selbst Schaden zu nehmen. Das verschafft Verantwortlichen Zeit um den Schaden zu beheben ehe Rost entstehen kann.

5. Eine noch extremere Variante von Methode Nummer 4 kommt zum Beispiel bei unterirdischen Eisen-Tanks zum Einsatz: Dort wird ein Block aus einem sehr unedlen Metall über eine Leitung mit dem Tank verbunden und…schlichtweg der Korrosion überlassen. Denn während eine solche „Opferanode“, beispielsweise aus Magnesium, langsam oxidiert wird, liefert sie Elektronen, die an der Eisenoberfläche zur Reduktion eingesetzt werden können – ohne dass Eisenionen ins Spiel kommen und somit Rost entsteht. Es empfiehlt sich daher, solche Opferanoden regelmässig zu ersetzen, ehe sie gänzlich oxidiert sind. Oder man schliesst den Eisentank an den (physikalischen) Minuspol einer Gleichstromquelle (Batterie) an, deren Pluspol mit einer Graphitelektrode verbunden ist. So lange die Batterie hält, liefert dann sie anstelle des Eisens die Elektronen für die Reduktion.

 

Und was tun, wenn schon Rost entstanden ist?

Dächer in Bodie

Rost liebevoll kultiviert: Dächer in der Geisterstadt Bodie (wird als Freilichtmuseum gefplegt) in der Sierra Nevada, Californien, USA  CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Da Rost in der Regel durchlässig daher kommt und nicht wenig Wasser enthält, solltest du entstandenen Rost in jedem Fall entfernen, ehe du zu weiteren Rostschutzmassnahmen schreitest. Am einfachsten schleifst du ihn schlichtweg ab – mit einer passenden Schleifmaschine oder einem Sandstrahler.

Wenn das allerdings zu mühsam ist, oder eine bestehende Schutzschicht dadurch weiter beschädigt werden könnte, kannst du kleineren Roststellen stattdessen mit einem „Rostumwandler“ zu Leibe rücken, zum Beispiel mit verdünnter Phosphorsäure (H3PO4). Die reagiert nämlich mit den Sauerstoff-Verbindungen von Fe3+-Ionen im Rost zu Eisen(III)phosphat, FePO4, welches anders als Rost fest und undurchlässig ist und überdies mit seiner stumpfgrauen Farbe nicht so auffällt.

Phosphorsäure ist übrigens auch nicht zu knapp in Cola anzutreffen, weshalb das Getränk unter Liebhabern älterer Fahrzeuge auch schonmal als Rostumwandler zweckentfremdet wird. Phosphorsäurelösung in etwas höherer Konzentration ist im Zweifelsfall jedoch merklich wirksamer.

Beiden Methoden gemeinsam ist allerdings der Haken: Das einmal zu Rost reagierte Eisen ist unrettbar verloren. Beim Abschleifen wird es einfach vom Werkstück entfernt, während es durch Rostumwandler in eine andere Verbindung eingebaut wird, die zwar beständiger als Rost, aber ebenfalls ein Salz ist, das gänzlich andere Eigenschaften hat als ein Metall.

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Definitiv zu spät für Rostschutzmassnahmen: Echte Rostlaube (das Auto, nicht ich!) in der Geisterstadt Bodie, Californien, USA CC-BY-SA 4.0 by Reto Lippuner

 

Ich empfehle in Sache Rost also Vorsorge statt Nachsorge : Gönne deinem Eisen einen guten Rostschutz, bevor sich Rost bilden kann – und wenn doch etwas rostet, sorge rasch dafür, dass dem Einhalt geboten wird. Es sei denn, du möchtest auch an der Rostparade teilnehmen, die am Ende jedes Monats von Frau Tonari ausgerufen wird, und benötigst dazu noch ein Fotomotiv!

Und was ist Rost für dich? Lästiger Übeltäter oder farbige Oberflächenverschönerung?