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Stärkefolien : Valentinsherzen aus DIY-Bioplastik

‚Plastik‘ ist „böse Chemie“, die aus Erdöl hergestellt wird und in der Natur nicht verrottet? Mitnichten! Wie ihr schon im Kunststoff-1×1 hier in Keinsteins Kiste nachlesen könnt, ist die Sorte Moleküle, aus denen ‚Plastik‘ besteht, eigentlich eine Erfindung der Natur! Und was die Natur erfindet, kann sie auf kurz oder lang auch wieder abbauen. Das gilt auch für ihre hauseigenen Polymeren – der Stoffgruppe, zu welchen auch die Kunststoffe gehören.

Und diese sogenannten Biopolymere könnt ihr nutzen, um euer eigenes Bioplastik herzustellen – zum Beispiel für ein echt herziges Valentinsgeschenk aus dem eigenen Forscherlabor. Hier erfahrt ihr, wie es geht!

Ihr braucht dazu

Meine Valentins-Herzen bestehen aus Stärkefolie. Wie der Name vermuten lässt, braucht ihr dafür Stärke – und zwar natürliche Stärke, nicht die lösliche Stärke aus dem Laborbedarf oder der Chemiesammlung in der Schule. Natürliche Stärke bekommt ihr auch viel einfacher, nämlich im Supermarkt. In der Schweiz ist „Maizena“ praktisch ein Synonym für Maisstärke, in Deutschland kennt man selbige unter dem Markennamen „Mondamin“. Kartoffelstärke soll aber ebenso funktionieren.

Nun aber zur Inhaltsliste für zwei bis fünf untertassengrosse Folienstücke

  • Etwa 5g trockene Stärke (hier in der Schweiz habe ich natürlich Maizena zur Hand)
  • Wasser
  • Glycerin (85%, aus der Drogerie oder Apotheke)
  • Optional: Lebensmittelfarbe
  • 1 Becherglas oder ähnliches Glasgefäss
  • Topf mit Wasserbad, Herd, Topfhandschuh oder/und Grillzange
  • Löffel oder Stab zum Umrühren, Buttermesser
  • Frischhaltedosen aus PE oder PP (Polyethylen bzw. Polypropylen, das übliche Material für „Tupper“-Dosen)
  • Optional: Backblech, Backofen

So geht’s

  • Verdünnt einige Milliliter Glycerin mit der gleichen Menge Wasser und rührt das Gemisch um, bis es klar ist. Diese Glyzerinlösung könnt ihr auch problemlos in einer geschlossenen Flasche für spätere Experimente aufbewahren.
  • Gebt zu 5g Stärke im Glasgefäss etwa 40 ml Wasser und etwa 5 ml der zuvor angefertigten Glycerinlösung und rührt gründlich um. Es entsteht ein milchiges Gemisch, aus dem sich Stärke als weisser Schlamm am Boden absetzt, sobald ihr zu Rühren aufhört. Für farbige Herzen könnt ihr zudem einige Tropfen Lebensmittelfarbe einrühren.
Mischung mit roter Lebensmittelfarbe: Die Stärke setzt sich sichtbar unten ab.
  • Stellt die Frischhaltedosen mit dem Boden nach oben auf das Backblech oder eine andere Unterlage.
  • Stellt den Topf mit dem Wasserbad auf den Herd und erhitzt das Glasgefäss mit dem Gemisch darin, während ihr immer wieder umrührt. Topfhandschuh oder/und Grillzange werden euch beim Festhalten des heissen Glases gute Dienste leisten!
  • Sobald die Flüssigkeit zu einer trüben, gelartigen Masse „bindet“ (wie eine Sauce), giesst sie auf die umgekehrten Frischhaltedosen und verstreicht sie mit dem Buttermesser gleichmässig mindestens 2 Millimeter dick. Bei dieser Dicke dauert das Trocknen länger, aber die Gefahr, dass dabei Risse entstehen, ist geringer.
  • Lasst die verstrichene Masse über Nacht an der Luft trocknen. Wenn ihr ungeduldig seid, könnt ihr sie zunächst auch bei 50-80°C (wenn ihr Lebensmittelfarbe verwendet NICHT wärmer, da die Farbstoffe sich sonst zersetzen!) eine Stunde oder länger im Backofen trocknen. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass Risse in den Folien entstehen.
Die dünne Folie links ist stärker gerissen als jene aus gut 2 Millimeter Stärkemasse rechts. Die hellen Stellen sind noch sehr feucht, sodass ich die Folien über Nacht habe trocknen lassen.
  • Wenn die Stärkemasse ausgehärtet ist, könnt ihr die Folie (ggfs. mit Hilfe eines flachen Messers) von den Dosen lösen und nach Wunsch zuschneiden.
Dank des vorne überhängenden Auswuchses lässt sich die Folie einfach von der Dose abziehen.

Achtung: Die Stärkefolien sind nicht wasserfest! Sorgt also dafür, dass eure Valentinsherzen stets im Trockenen bleiben. Für die Beschriftung habe ich dementsprechend einen Permanentschreiber mit organischem Lösungsmittel verwendet.

Die Stärkefolie lässt sich problemlos mit der Küchenschere schneiden. Da besonders die dicke Folie noch Restfeuchte enthielt, wurde sie an der Luft mit der Zeit krumm. Ein paar Stunden unter einem schweren Buch auf dem flachen Tisch und sie war wieder schön flach.

Was passiert da?

Was ist Stärkemehl?

Stärke besteht aus grossen Kettenmolekülen, sogenannten Polymeren, die aus Tausenden miteinander verknüpften Glucose- also Traubenzucker-Ringen besteht. Pflanzen stellen diese Polymere her, um ihren Traubenzucker, der ihnen als Energieträger dient, ordentlich „aufgefädelt“ zu lagern.

Es gibt zwei verschiedene Sorten Stärkepolymere:

  • Amylose, die aus einfachen Ketten aus wenigen Tausend aneinandergereihten Glucose-Einheiten besteht.
  • Amylopektin, dessen Ketten sich etwa alle 30 Glucose-Ringe verzweigen. So entstehen regelrechte Molekül-Büschel, die gut und gerne Zehntausende oder gar Hunderttausende Glucose-Ringe umfassen können.

Trotzdem sind „Maizena“ und andere Stärkemehle weit von den Eigenschaften entfernt, die wir von Kunststoffen, also „Plastik“ kennen. Im Stärkemehl sind diese Molekülketten nämlich sorgfältig zu kleinen Körnern zusammengepackt. Dabei besteht jedes Korn aus etlichen Schichten, die säuberlich um seinen Mittelpunkt herum gelagert sind – in etwa wie die Schichten einer Zwiebel. Damit ähnelt ein Stärkekorn sehr einem Kristall, also der am regelmässigsten aufgebauten Sorte Festkörper, die es gibt. Und Kristalle, ob nun die von Salz und Zucker oder von Mineralien wie Bergkristall, haben freilich wenig mit nachgiebigen Kunststoffen gemein.

Stärkekörner bei 800-facher Vergrösserung in polarisiertem Licht unter dem Mikroskop: Das x-förmige Muster auf den Körnern zeugt von einer Wechselwirkung mit polarisiertem Licht, wie sie eine kristallartige Substanz zeigt (die Stärke ist optisch aktiv).

Stärke und Wasser: Eine besondere Beziehung

In einem unterscheiden sich Stärkekörner aber völlig von den üblichen Kristallen: Die Stärkepolymere können zwischen ihren Ketten kleine Moleküle festhalten! Aus der Schule bekannt ist der Stärkenachweis durch darin eingelagerte Jod-Moleküle, die die Ketten dunkel färben (wie ihr den Nachweis mit jodhaltigen Desinfektionsmitteln aus der Hausapotheke daheim durchführen könnt, erfahrt ihr hier).

Doch besonders Amylopektin ist in der Lage, sich auch grosse Mengen Wassermoleküle „einzuverleiben“. Die Wassermoleküle dringend zwischen die Verästelungen der Amylopektinbüschel und beanspruchen reichlich Platz. Die Folge: Die Büschel und damit auch die ganzen Stärkekörner quellen auf. Die vormals fest einsortierten Molekülketten werden so beweglich und können zunehmend aus ihren Positionen verrutschen.

Wenn nun Wärme hinzukommt – die nichts anderes ist als Bewegung von Molekülen und ihren Gliedern – rutschen und wirbeln die Stärkeketten und -zweige durcheinander, bis ein furchtbares Gewirr entsteht, das keine (mir bekannte) Macht der Welt wieder auflösen kann. Aus den vormals festen Stärkekörnern in Wasser ist ein mit Wasser vollgesogenes Molekülwirrwarr geworden, das wir als gelartige Masse wahrnehmen und „Stärkekleister“ nennen. Tatsächlich besteht Tapetenkleister aus quellender Stärke oder Zellulose-Varianten!

Lassen wir simplen Stärkekleister ausgestrichen an der Luft liegen, verdunsten die aufgesogenen Wassermoleküle mit der Zeit und das Molekülwirrwarr fällt in sich zusammen. Dabei bleibt es jedoch unverändert verworren, sodass es nun einen einzigen Festkörper bildet – allerdings hart und spröde. Und hier kommt das Glycerin ins Spiel.

Von der Platte zur Folie dank Weichmacher

Glycerin ist ein Alkohol mit mehren OH-Gruppen an einem Kohlenstoff-Grundgerüst. Dank der OH-Gruppen kann es ähnlich mit der Stärke wechselwirken wie Wasser – und dementsprechend zwischen den Ketten Platz finden – verdunstet von dort aber weniger leicht. Ausserdem kann Glycerin selbst Wassermoleküle besser bei sich behalten als die Stärke. So sorgt das zu unserem Stärkekleister gegebene Glycerin dafür, dass die Stärkefolien nicht ganz und gar austrocknen, sondern flexibel bleiben.

Das Glycerin übernimmt in unserem Biokunststoff also die Rolle des Weichmachers. Für uns ist es dabei allerdings harmlos, selbst wenn es aus der Stärkefolie freigesetzt wird. Als Bestandteil jedes natürlichen Fettes kommt es naturgemäss in unseren Körpern vor, sobald diese Fettmoleküle zerlegen. So ist es auch als Lebensmittelzusatzstoff E 422 als Feuchthaltemittel ohne Höchstmengenbeschränkung zugelassen. (In Reinform trinken solltet ihr Glycerin dennoch nicht, da es auch dem Körper eine Menge Wasser entziehen und damit in rauen Mengen zur Dehydrierung führen kann!)

Polymergewirr auch bei „richtigen“ Kunststoffen

Auch in den alltäglichen Kunststoffen, die wir überall um uns herum finden, sind lange Polymer-Ketten zu mehr oder minder dichtem Molekül-Filz verstrickt und zuweilen sogar über chemische Bindungen miteinander vernetzt. Die Dichte eines solchen Filzes bzw. die Engmaschigkeit seiner Vernetzung bestimmen die Härte oder Biegsamkeit des Kunststoffs. Eingelagerte Weichmacher können einen entscheidenden Einfluss auf die Flexibilität des Materials haben.

In elastischen Kunststoffen („Gummi“) verhalten sich die Ketten zudem ähnlich wie Spiralfedern: Sie können aus ihrer natürlichen verkrümmten Lage hinaus gerade(r) gezogen werden und kehren anschliessend wieder in ihre Ausgangshaltung zurück.

Ihr molekülfilz-artiger Aufbau gibt unseren Kunststoffen ihre enorme Formbarkeit und Robustheit, die wir sonst nur von Biopolymeren kennen (Holz und Pflanzenteile aus Zellulose sind ebenfalls sehr elastisch – beobachtet einmal Bäume bei starkem Wind! – und bedenkt die gleichzeitige Biegsamkeit und Festigkeit von menschlichem Haar, das aus Faserproteinen besteht!).

Entsorgung

Reste von Stärkekleister, Lebensmittelfarbe und Glycerin könnt ihr in den Ausguss bzw. Hausmüll entsorgen. Übrige Glyzerinlösung könnt ihr aber problemlos für spätere Versuche aufbewahren. Der Stärkekleister lässt sich mit Wasser leicht von Gefässen und Besteck entfernen.

Und wem schenkt ihr euer Herz aus selbstgemachtem Biokunststoff?

Hast du das Experiment nachgemacht

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Wenn etwas nicht oder nur teilweise funktioniert haben sollte, schreibt es in die Kommentare. Ich helfe gerne bei der Fehlersuche!

Plastik überall! Ein Kunststoff - 1x1

Kein Plastik-Spielzeug für mein Kind! Kunststoff-Verpackungen gehören reduziert! Gemüse mit Plastik-Umhüllung ist ein Unding! Die Meere sind voller Plastikmüll! Mikroplastik umgibt uns überall!

Solche Aussagen, die mir immer wieder begegnen, zeigen, dass der Begriff „Plastik“, oder auch etwas ’netter‘ gesagt „Kunststoff“ mehr denn je negativ besetzt ist. Aber sind Kunststoffe wirklich so schlecht für uns und die Welt, wie ihr Image es vermuten lässt?

Sicher ist: Ohne sie geht gar nichts mehr in unserer Alltagswelt. Wo wir auch hinschauen, sind wir von den verschiedenartigsten Kunststoffen umgeben. Allein das ist schon Grund genug, sie hier in Keinsteins Kiste zum Thema zu machen. Und da ein einzelner Artikel diesen allgegenwärtigen Stoffen nicht gerecht werden könnte, habe ich mich entschlossen, in den nächsten Wochen eine ganze Serie rund um Plastik zu bringen. Einschliesslich Experimenten zur Welt der Kunststoffe.

Und die beginnt heute mit einer Übersicht: Was ist eigentlich „Kunststoff“? Welchen Nutzen und welche Schwierigkeiten bringen Kunststoffe mit sich? Welches sind die wichtigsten Kunststoffe unserer Alltagswelt?

Was ist ein Kunststoff?

Ein Kunststoff, auch „Plastik“ oder „Plaste“ genannt, ist ein Festkörper aus synthetischen oder halbsynthetischen Polymeren mit organischen Gruppen…. Moment, langsam!

„Festkörper“ ist ja noch einfach…solch ein Stoff ist eben nicht flüssig oder gasförmig, sondern (bei alltäglichen Temperaturen) fest. Aber:

Was ist ein Polymer?

Ein Polymer ist ein riesenlanges, kettenartiges Molekül (oder eben ein Stoff aus solchen Molekülen). Die Glieder solch eines Kettenmoleküls sind kleine, sich immer wiederholende Atomgruppen. Wie eine Kette aus einzelnen Gliedern zusammen geschmiedet wird, wird auch ein Polymer mittels chemischer Reaktionen aus seinen Einzelgliedern zusammengesetzt.

Ein mögliches solches Einzelglied ist das Molekül Ethen (C2H4), auch Ethylen genannt:

In einer Art Kettenreaktion verbinden sich viele Ethylen-Moleküle zu einer Polymer-Kette. Dieses Polymer heisst deshalb „Polyethylen“.

Jeweils eine der beiden C-C-Bindungen in den Ethylen-Molekülen wird aufgetrennt und die beiden „losen Enden“ für die Verknüpfung der Moleküle untereinander verwendet. So entsteht eine beliebig lange Kette aus C2H4-Einheiten mit Einfachbindungen.

Wer hat die Polymere erfunden?

Viele Polymere in der Alltagswelt sind „synthetisch“. Das heisst, sie sind von Chemikern entworfen und in einem Labor bzw. im industriellen Massstab in einer Chemiefabrik hergestellt worden. Auch das Polyethylen gehört zu dieser Sorte.

Polymere erfunden hat hingegen die Natur. Pflanzen bestehen aus grossen Teilen aus Zellulose und speichern ihre Energie in Stärke. Beide Stoffe bestehen aus langen Ketten, die in Pflanzenzellen aus Zucker-Molekülen zusammengebaut werden. Die „Erbsubstanz“ DNA besteht aus langen Ketten sogenannter Nukleotide, die sich nur in ihren Seitengruppen, den berühmten DNA-Basen, unterscheiden. Die Abfolge dieser Basen entlang der Kette bildet den Bauplan für Proteine, die ebenfalls Polymere sind: Sie sind lange Ketten aus bis zu 20 verschiedenen Aminosäuren, die zu komplexen Strukturen zusammengefaltet sind.

Es sind also Polymere, die Lebewesen erst zu solchen machen. Und diese „natürlichen“ Polymere nennen die Chemiker und Biologen deshalb auch „Biopolymere“.

Nachdem die Natur die Polymere schon erfunden hat, machen sich Polymerchemiker diese Erfindungen zuweilen zu Nutze. Dazu nehmen sie ein Biopolymer und verändern es so, dass seine Eigenschaften schliesslich ihren Wünschen entsprechen. Zellulose reagiert zum Beispiel mit Salpetersäure zu Zellulosenitrat, auch als Schiessbaumwolle bekannt. Mit Campher als Weichmacher wird daraus Zelluloid, das vor allem als Material für Filmstreifen bekannt ist.

Aus Zellulose (links) wird Zellulosenitrat (rechts). In der Praxis wird dazu „Nitriersäure“ verwendet, die neben Salpetersäure auch Schwefelsäure enthält.

Da Schiessbaumwolle aber aus gutem Grund so heisst – unbehandelt ist sie explosiv und auch Zelluloid brennt lebhaft – hat man bald Ersatz gefunden – zum Beispiel in Form von Zelluloseacetat, das durch Reaktion von Zellulose mit Essigsäure entsteht.

Diese Art von Polymeren heisst aufgrund ihrer Herstellung „halbsynthetisch“: Den ersten Teil der Arbeit erledigt die Natur, erst der zweite Teil geschieht im Labor bzw. der Chemiefabrik.

Was macht Polymere bzw. Kunststoffe so nützlich?


  • Alltags-Kunststoffe gelten als chemisch und biologisch weitestgehend inert: Das heisst, sie reagieren weder von selbst mit alltäglichen Chemikalien, noch sind solche Reaktionen im Stoffwechsel von Lebewesen möglich. Damit sind diese Polymere als solche sehr gesundheitsverträgliche Materialien für Lebensmittelbehälter und Anwendungen am und im menschlichen Körper (z.B. als Textilien, Kinderspielzeug, Medizinprodukte). Kunststoffe wie Polyethylen fallen zudem kaum der Korrosion zum Opfer, sodass man fast alle anderen Stoffe darin aufbewahren kann.

  • Alltags-Kunststoffe haben eine wesentlich geringere Dichte als Glas oder Keramik, die chemisch ähnlich unangreifbar sind: Kunststoff-Behälter sind sehr leicht. Das gilt auch für Kunststoffbauteile in Fahr- und Flugzeugen: Der Ersatz von Metallteilen durch Kunststoffe verringert den nötigen Treibstoff erheblich!

  • Viele Alltagskunststoffe sind bruchsicher: Fällt eine Kunststoffflasche zu Boden, zerbricht sie gewöhnlich nicht. Es entstehen keine gefährlichen Scherben, der Inhalt bleibt sicher darin. Das macht Kunststoffe nicht nur im Haushalt praktisch, sondern auch zu einem hervorragenden Material für sicheres Kinderspielzeug.

  • Polymere sind während der Kunststoff-Herstellung nahezu beliebig formbar: Man kann praktisch alles daraus herstellen! Bis vor wenigen Jahren bot das Spritzgussverfahren die grösste Vielfalt (weicher bzw. flüssiger Kunststoff wird in eine vorbereitete Form gespritzt – ein „Nabel“ verrät bei solchen Teilen oft die Lage der Einspritzstelle). Heute verbreiten sich zunehmend 3D-Drucker, die lange Kunststofffasern zu computergenerierten Formen zusammenschmelzen. Damit sind wesentlich präzisere und feinere Strukturen möglich als mit dem Spritzgussverfahren.

  • Die Herstellung von Kunststoffen ist kostengünstig: Bislang zumindest, denn die meisten Alltagskunststoffe sind Erdölprodukte. Wenn das Erdöl erst einmal knapp wird, werden auch diese Kunststoffe nicht mehr so günstig zu haben sein. Deshalb wird seit Jahrzehnten Recycling betrieben und Wissenschaftler suchen eifrig nach neuen Kunststoffen aus erneuerbaren Rohstoffen oder ebenso erneuerbaren Rohstoffquellen für die gängigen Polymere.

Welche Schwierigkeiten verursachen Kunststoffe?


  • Die für uns so vorteilhafte chemische und biologische Inertheit bedeutet leider auch: Unsere Alltags-Kunststoffe sind so gut wie gar nicht biologisch abbaubar. Die Geister, die wir riefen, werden wir nun also nicht mehr los: Wo immer unsere Kunststoff-Abfälle hingeraten, bleiben sie über lange Zeiträume, vermüllen unsere Umwelt und gefährden ihre Bewohner. Auch das ist ein Grund, weshalb Wissenschaftler fleissig an neuen, besser abbaubaren Kunststoffen forschen und solche zunehmend auf den Markt gebracht werden.

  • Viele ihrer nützlichen Eigenschaften erhalten die Polymere erst durch Zusätze (die Polymerchemiker nennen sie „Additive“). Und diese Zusatzstoffe sind – im Gegensatz zu den eigentlichen Polymeren – oft weniger inert. Zudem bestehen sie aus relativ kleinen Molekülen, sodass sie leicht beweglich sind. Im Zweifelsfall bewegen sie sich aus dem Kunststoff hinaus und in dessen Umgebung – zum Beispiel den Inhalt von Kunststoffbehältern – hinein. Und da wollen wir die reaktionswilligen, im schlimmsten Fall gesundheitsschädlichen Additive absolut nicht haben. Zu den besonders berüchtigten Zusatzstoffen zählen Weichmacher, wie sie in Weich-PVC zu finden sind.

  • Viele Kunststoffe sind nicht besonders lichtbeständig: Intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt verändern sich viele Kunststoffe früher oder später. Sie verlieren nicht nur ihre Farbe, sondern werden vor allem brüchig. Zugesetzte Lichtschutzmittel sollen diese Entwicklung verlangsamen.

  • Kunststoffe sind mehr oder weniger empfindlich gegenüber Wärme: Die meisten Alltagskunststoffe sind sogenannte Thermoplaste, d.h. sie werden bei höheren Temperaturen weich und verformen sich, ehe sie sich bei noch höheren Temperaturen zersetzen. Bei der Zersetzung können je nach Kunststoff giftige Kleinmoleküle freigesetzt werden. Zugesetzte Wärmestabilisatoren können jedoch dafür sorgen, dass z.B. Küchenbehälter der Temperatur von Gargut (also um die 100°C ) standhalten.

  • Kunststoffe sind brennbar: Wie die allermeisten organischen Verbindungen brennen auch Kunststoffe, wobei nur im besten Fall CO2 entsteht. Viel häufiger sind andere, teils giftige Zersetzungsprodukte, die auch den typischen Gestank eines Kunststoffbrandes mit sich bringen. Zugesetzte Flammschutzmittel sollen insbesondere in Gebäuden und Fahrzeugen verhindern, dass verbaute Kunststoffe in Flammen aufgehen und zum Niederbrennen des Gebäudes führen.

  • Die meisten Kunststoffe werden aus Erdöl, also aus einer endlichen Rohstoffquelle, gewonnen.

Welche Kunststoffe begegnen uns im Alltag?

Polyethylen und Polypropylen (PE bzw. PP)

Diese beiden Polymere bestehen aus chemisch eng miteinander verwandten Kettengliedern. So sind ihre Eigenschaften und damit auch ihre Einsatzgebiete ähnlich. Beide Kunststoffe sind sehr reaktionsträge. Polypropylen bleibt allerdings bis zu höheren Temperaturen fest als Polyethylen. Deshalb sind Küchengefässe meistens aus Polypropylen, während z.B. Medikamentendosen und Laborbehälter, die nicht erhitzt werden sollen, oft aus Polyethylen („HDPE“ – high density PE mit geringfügig höherer Dichte). Auch die durchsichtigen Folienbeutel mit Clip-Verschluss bestehen entweder aus Polypropylen oder Polyethylen („LDPE“ – low density PE mit geringfügig niedrigerer Dichte).

Medikamentendosen, Kosmetikverpackung, Gefrierdose und Folienbeutel aus Polyethylen
Medikamenten- und Kosmetikbehälter sowie der Gefrierdosen-Deckel und die Folienbeutel sind aus Polyethylen. Die Recycling-Symbol mit „04“ und „PE-LD“ bzw. „02“ und „PE-HD“ verraten uns das Material.
DVD-Hülle, Gefrierdose und Mehrfachsteckdosengehäuse aus Polypropylen
In die Gefrierdose können nicht nur kalte, sondern auch heisse Speisen gefüllt werden: Sie ist aus hitzebeständigerem Polypropylen. Daraus bestehen auch DVD-Hüllen und das Gehäuse der Mehrfachsteckdose. Das Recyclings-Symbol dafür zeigt „05“ und „PP“.

Polyvinylchlorid (PVC)

Wie der Name vermuten lässt, enthält jedes Kettenglied dieses Polymers ein Chlor-Atom. Dadurch ist dieser Kunststoff schwerer entflammbar als viele andere. Wenn er aber einmal brennt, entstehen daraus Chlorwasserstoff („Salzsäure“) und andere giftige Stoffe. Reines PVC ist hart und spröde und wird für die Herstellung von Fensterrahmen, Rohre und Schallplatten (daher die Bezeichnung „Vinyl-Platten“) verwendet. Durch die Zugabe von Weichmachern kann es elastisch gemacht werden. Dann kommt es z.B. als Kabelumhüllung, Bodenbelag oder in Spielzeugen wie Kunststoffpuppen zum Einsatz. Einige dieser Weichmacher gelten jedoch als gesundheitsschädlich, was PVC gerade im Spielzeugbereich in Verruf gebracht hat.

Kabelummantelungen und Badeente aus PVC
Kabelummantellungen und die Badeente sind aus Weich-PVC. Das Recycling-Symbol für Polyvinylchlorid zeigt „03“ und „PVC“.

Polyethylenterephthalat (PET)

Das bekannte Material für Einweg-Getränkeflaschen („PET-Flaschen“) gehört zur Gruppe der Polyester. Es ist sehr reaktionsträge und bruchsicher, sodass es sich nicht nur für Getränkeflaschen, sondern auch für Textilfasern (zum Beispiel für schnelltrocknende Sportbekleidung) wunderbar eignet. PET lässt sich zudem sehr wirtschaftlich recyceln. Die Schweiz hat ein eigenes Recycling-System dafür: Die blau-gelben Container mit dem PET-Dino sind speziell für die PET-Flaschen gedacht (alle anderen Kunststoffe landen hierzulande nämlich oft über den Restmüll in der Müllverbrennung).

PET-Flaschen, PET-Rohling und Butterdose aus PET
Nicht nur Getränke, sondern auch Reinigungschemikalien und Butter werden in PET-Flaschen verkauft. Aus dem PET-Rohling rechts vorne kann durch Aufblasen des erwärmten Kunststoffs eine PET-Flasche produziert werden. Das Recyclings-Symbol zeigt „01“ und „PET“.

Polystyrol (PS), auch bekannt als Styropor

Dieser Kunststoff lässt sich zu extrem leichtem Material aufschäumen („Quietschpapier“), das wir vor allem als Verpackungsmaterial oder Wärmedämmung kennen. Es gilt als biologisch inert, sodass es auch als Lebensmittelverpackung (z.B. Fleischschalen) zum Einsatz kommt. Polystyrol wird jedoch auch in massiver Form verarbeitet: Dann ist es glasklar und begegnet uns z.B. als Plastikbesteck, CD-Hüllen oder Spielzeug.

Styropor, CD-Hülle, Joghurtbecher und Plastikbesteck aus Polystyrol
Polystyrol begegnet uns nicht nur als Styropor, sondern auch in Form von CD-Hüllen, Plastikbesteck und Joghurtbechern. Das Recyclings-Symbol zeigt „06“ und „PS“.

Polyurethane (PU, PUR)

Diese Kunststoffe lassen sich aufschäumen, sodass wir ihn hauptsächlich als „Schaumstoff“ in Polstern, Wärmedämmung oder Putzschwämmen kennen. Auch der gelbe Hartschaum, den man in manchen Gebäuden um Rohrleitungen oder in Fugen findet, ist ein Polyurethan-Kunststoff. In massiverer Form begegnen uns Polyurethane zudem Lacke, Kunstharze oder „Kunstleder“ – zum Beispiel als Material für Schläuche oder Fussbälle.

Schaumstoffe und Schwamm aus Polyurethan
Schwämme und andere Schaumstoffteile bestehen aus Polyurethanen.

Polyamid (PA)

Diese Bezeichnung kennen wir vor allem von Kleidungsetiketten. Tatsächlich begegnen uns Polyamide (auch das ist eine ganze Kunststoff-Gruppe) meistens als Textilfasern. Berühmte Handelsnahmen solcher Kunstfasern sind „Nylon“ und „Perlon“. Auch Zahnbürsten-Borsten, Instrumentensaiten, Kunststoffseile und Angelschnur bestehen aus Polyamiden. In der Schweizer Mundart wird solche Nylonschnur auch als „Silch“ bezeichnet.

Sporthose, Küchenbesteck und Zahnbürste aus Polyamid
Nicht nur meine Sporthose, sondern auch das Küchenbesteck und die Borsten der Zahnbürste bestehen aus Polyamiden. Kürzel wie „PA 6“ oder „PA 6.6“ auf dem Besteck verraten dieses Material.

Polyester

Diese Bezeichnung auf Kleideretiketten ist im Grunde genommen eine recht ungenaue Bezeichnung für eine sehr grosse Familie von chemisch ähnlich hergestellten Kunststoffen. Besonders wichtige Vertreter sind das schon genannte PET, aber auch die Polycarbonate und die Polymilchsäure / Polylactid PLA. Die Polyesterfaserstoffe in Textilien oder Mikrofasern werden kurz als PES bezeichnet. Weitere Familienmitglieder sind Polyesterharze, die im Gegensatz zu den Fasermaterialien nach dem Aushärten stets hart und fest bleiben.

Polycarbonate (PC)

Diese Vertreter der Polyesterfamilie sind besonders hart, schlag- und kratzsicher – und überdies glasklar. Zudem sind sie zwar entflammbar, brennen aber nicht ohne Flamme von aussen weiter. Ihre Herstellung ist allerdings teurer als die anderer Kunststoffe, sodass sie nur dort zum Einsatz kommen, wo andere Kunststoffe nicht hart genug sind: Für CDs, Brillengläser, als Ersatz für Glas, Koffer oder medizinische Einmalprodukte.

CD, DVD und Brillengläser aus Polycarbonat
Aus Polycarbonaten sind vor allem Gegenstände, die kratzfest sein müssen: Zum Beispiel Brillengläser und CDs bzw. DVDs.

Polymilchsäuren oder Polylactide (PLA)

Dieser Vertreter der Polyester besteht aus Kettengliedern, die in jedem Lebewesen vorkommen: Aus Milchsäure bzw. deren Anion „Lactat“. Der Rohstoff für diese Kunststoffe wächst also nach – zum Beispiel in Mikrobenkulturen! Dementsprechend haben Lebewesen auch Enzyme entwickelt, die mit Milchsäureestern umzugehen wissen: PLA ist deshalb biologisch abbaubar. ABER: Dazu sind besondere Umweltbedingungen (u.A. eine erhöhte Temperatur) nötig, die nur in industriellen Kompostieranlagen gegeben sind! Trotzdem verbreiten sich PLA zunehmend, zum Beispiel als Material für Einweggeschirr oder für den 3D-Druck. Auch in „physiologischer Umgebung“ in lebenden Körpern werden PLA mit der Zeit abgebaut, sodass sie auch als selbstauflösendes chirurgisches Garn zum Einsatz kommen. Mehr über PLA könnt ihr hier in Keinsteins Kiste nachlesen.

Kautschuke („Gummi“)

Der Naturkautschuk, der aus Kautschukpflanzen gewonnen wird, ist ein echter Naturstoff, kein Kunststoff. Das gilt auch für das daraus gewonnene Naturlatex – ein Kautschukprodukt (deshalb kann Latex Allerdien auslösen: Es kann – wie viele Naturprodukte – Spuren von allergenen Proteinen enthalten). Haupteinsatzgebiet von Kautschuk ist die Herstellung von Autoreifen. Während der Weltkriege haben Wissenschaftler anhand des natürlichen Vorbilds synthetische Kautschuke – also Kunststoffe – entwickelt, um von den Kautschukplantagen in tropischen Gebieten unabhängig zu sein. Doch in jüngerer Zeit wird ein zunehmender Anteil des Gummibedarfs durch Naturkautschuk gedeckt – mit allen Umweltproblemen, die der Anbau in grossem Massstab mit sich bringt. So sind LKW- und Flugzeugreifen meist aus Naturkautschuk, während PKW-Reifen meist aus Synthesekautschuken bestehen. Spezielle Synthesekautschuke sind überdies das Neopren, aus dem Taucheranzüge bestehen, und der Nitrilkautschuk, aus dem die besonders undurchlässigen blauen Einmalhandschuhe in Labor und Arztpraxis gefertigt sind.

Silikone

Diese Polymere sind Exoten unter den Kunststoffen. Denn ihre Ketten bestehen nicht wie bei den übrigen Kunststoffen aus Kohlenstoff, sondern aus Silizium- und Sauerstoffatomen. Diese besondere Struktur verleiht Silikonen eine besonders gute Verträglichkeit mit unseren Körpergeweben, was sie als Material für Implantate (z.B. „Silikon-Brüste“) und andere Medizinprodukte beliebt macht. Die meisten Silikone im Alltag erscheinen elastisch wie „Gummi“. Deshalb sprechen Fachleute auch von „Silikonkautschuk“. Auch Küchengeräte sowie Schnuller („Nuggi“ in der Schweiz) aus Silikonkautschuk sind weit verbreitet, ebenso wie Fugendichtungsmasse in Badezimmer und Küche.

ABS-Kunststoffe (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymere)

Als Copolymere bezeichnet man Polymere, deren Ketten sich aus verschiedenartigen Gliedern zusammensetzen. Damit sind auch DNA und Proteine Copolymere: Erstere bestehen aus 4, zweitere aus 20 verschiedenen Gliedersorten. Die ABS-Kunststoffe bestehen aus 3 grundlegenden Gliedersorten. Sie zeichnen sich durch besondere Schlagzähigkeit aus und lassen sich gut mit Metallen oder anderen Polymeren beschichten. Legosteine und Playmobil bestehen aus ABS-Kunststoffen, und diese Spielzeuge sind ja bekanntlich nahezu „unkaputtbar“. Ausserdem sind ABS-Kunststoffe als Material für Gehäuse von elektronischen Geräten, auch in Autos oder für robuste Teile von Musikinstrumenten und Sportgeräten begehrt.

Legosteine und Blutdruckmessgerät aus ABS-Kunststoff
Legosteine und das Gehäuse des Blutdruckmessgeräts bestehen aus robusten ABS-Kunststoffen. Auf der Innenseite der Batterieklappe des Blutdruckmessgeräts habe ich das Kürzel „ABS“ entdeckt, welches auf das Material hinweist.

Fazit

Kunststoffe bestehen aus sogenannten Polymeren – langen Molekülketten aus sich wiederholenden Gliedern – die vollständig oder teilweise im Labor bzw. industriell hergestellt werden. Der Ausgangsstoff für die Herstellung der meisten Kunststoffe ist Erdöl, doch kommen zunehmend Kunststoffe aus anderen, bestenfalls erneuerbaren Rohstoffquellen zum Einsatz.

Die Materialeigenschaften von Kunststoffen lassen sich nahezu nach Wunsch gestalten. Allerdings sind dazu oft Zusatzstoffe (Additive) nötig, die den Kunststoffen einen grossen Teil ihres schlechten Rufs eingebracht haben. Dennoch ist die Welt der Kunststoffe äusserst vielfältig und „Plastik“ längst nicht gleich „Plastik“. Es lohnt sich, nicht alle Kunststoffe über einen Kamm zu scheren. Insbesondere, da wir heutzutage kaummehr ohne sie auskommen.

Zu meinen Lieblingskunststoffen zählen wohl Polyethylen (darin kann man wirklich fast alles aufbewahren), die Polylactide (Biokunststoffe sind irgendwie cool) und die ABS-Kunststoffe (fast unkaputtbar…und ich liebe Lego… 😉 ). Welcher ist denn euer Lieblingskunststoff?