Tag Archive for: Physiologie

Der Winter ist die Jahreszeit der grossen Temperaturunterschiede: Draussen frostig kalt, drinnen lauschig warm. Und dazwischen das ständige Wechseln zwischen dicker Vermummung und leichterer langärmeliger Wohnungskleidung. Langärmelig? Wo wir uns im Sommer bei der gleichen Raumtemperatur erst im T-Shirt richtig wohl fühlen?

Dieses Phänomen beschäftigt wohl auch meine treue Leserin Claudia, die diese interessanten Fragen gestellt hat:

Warum empfinden wir Temperaturen so unterschiedlich? Warum können minus 3 Grad genauso kalt wirken wie minus 15 Grad? Und umgekehrt: Warum schwitzen und stöhnen wir bei 28 Grad im Sommer, aber im Winter finden wir dieselbe Temperatur kuschelig warm?


Wie wir Temperaturen fühlen können

Damit wir die Temperatur unserer Umgebung ertasten können, ist die menschliche Haut von feinen Nervenenden durchzogen, die als Temperatursensoren arbeiten. Davon haben wir Menschen zweierlei: Wärmesensoren für den Eindruck „warm“ und Kältesensoren für den Eindruck „kalt“.

Diese Wärme- und Kältesensoren messen allerdings nicht direkt die Temperatur der Luft oder was uns sonst umgibt. Stattdessen messen sie die Temperatur des sie umgebenden Gewebes! Und die Gewebetemperatur hängt von vielen äusseren Faktoren ab:

  • Wärmeproduktion im Körper: Je mehr wir in Bewegung sind, desto mehr Wärme fällt aus den Muskeln ab und erwärmt das Hautgewebe.
  • Umgebungstemperatur: Liegt die Temperatur ausserhalb des Körpers deutlich unter der Körpertemperatur von 37°C (das ist die Regel), wird die im Körper produzierte Wärme leicht an die Umgebung abgegeben: Das Hautgewebe kühlt ab. Je wärmer die Umgebung ist, desto schwieriger ist die Wärmeabgabe über die Haut: Das Gewebe bleibt warm.
  • Schweissproduktion: Unser grosser Vorteil gegenüber den meisten anderen Säugetieren: In der menschlichen Haut gibt es Schweissdrüsen, aus welchen Flüssigkeit auf die Hautoberfläche gelangen kann. Wenn diese verdunstet, wird dafür Wärme aufgewendet (diese „Verdampfungswärme“ ist analog zur „Schmelzwärme“, welche ihr mit diesem Versuch erforschen könnt): Das Gewebe unter der feuchten Hautoberfläche kühlt ab, während der aufsteigende Wasserdampf die Wärme mit sich nimmt. So läuft der menschliche Körper auch bei Lufttemperaturen nahe oder über der Körpertemperatur nicht heiss. Der Nachteil: Um die ausgeschwitzte Flüssigkeit zu ersetzen, müssen wir sie trinken. Nässe von aussen (z.B. durch Regen oder nach einem Bad) hat übrigens den gleichen Effekt.
  • Wind: Ein Luftstrom transportiert Körperwärme schneller von der Hautoberfläche ab als stehende Luft. So trägt Wind dazu bei, dass wir unsere Umgebung als kühler empfinden – ganz besonders, wenn unsere Haut feucht ist, sodass der Wind zusätzlich die Verdunstung der Feuchtigkeit fördern kann. – Luftfeuchtigkeit: Wasser kann nur dann zügig verdunsten, wenn noch nicht zu viel Wasserdampf in der die feuchte Haut umgebenden Luft ist. Bei hoher Luftfeuchtigkeit ist kurz gesagt kaum noch Platz in der Luft für weiteren Wasserdampf. Unser Schweiss bleibt also flüssig und der Kühlungseffekt durch das Schwitzen bleibt aus. Der Körper schwitzt daraufhin nur noch mehr, ohne jedoch nennenswert abzukühlen. Deshalb empfinden wir tropisches Klima schon bei mässig warmen Temperaturen als furchtbar heiss, während wir selbst mit Temperaturen oberhalb der Körpertemperatur in einer trockenen Wüste leichter fertig werden (wenn wir genug zu trinken haben!).
  • Kleidung: „Warmblütige“ Tiere haben (in der Regel) ein Fell oder Gefieder, das eine wärmende (oder kühlende) Luftschicht über der Haut einschliessen und festhalten kann. Da wir Menschen weitgehend nackt sind, ersetzen wir das fehlende Fell mit Kleidung. Die hält den Wind und bestenfalls Nässe von der Haut fern und umschliesst stattdessen eine stehende Luftschicht, die geordnet Wärme aus dem Körperinneren aufnehmen und langsam an die Umgebung abgeben kann. Wehe aber, diese Kleidung saugt sich mit Wasser voll: Wenn das verdunstet, wird nämlich reichlich Wärme aus dem Körper abgeführt. Und dem Menschen in nasser Kleidung wird furchtbar kalt. Nützlich ist das nur bei hoher Umgebungstemperatur: Dann erspart uns trocknende Kleidung am Leib nämlich zumindest zeitweilig das Schwitzen.

Feuchtigkeit und Wind sind die beiden wichtigsten Faktoren, die gemeinsam bewirken, dass unsere Haut bei feuchtwindigen -3°C mitunter genauso schnell abkühlt wie bei trockenen -15°C, und wir beide Temperaturen mitunter als gleich empfinden. Diese Unzulänglichkeit unseres Temperaturempfindens stört auch gar nicht weiter. Denn zum (Über-)Leben ist die eine wie die andere Temperatur zu niedrig. Da reicht die Information „Kalt!!!“ völlig aus, um schleunigst ein geschütztes, warmes Plätzchen zu suchen.

Dazu kommen körperliche Unterschiede von Person zu Person


  • Die Wärme- und Kälterezeptoren sind genetisch bedingt von Mensch zu Mensch verschieden zahlreich vorhanden und unterschiedlich auf die Körperoberfläche verteilt.
  • Männer haben meist mehr Körpermasse unter einer relativ kleinen Körperoberfläche, während Frauen eine im Verhältnis zu ihrer Masse grössere Körperoberfläche haben. Und weniger Körperoberfläche bedeutet weniger Gelegenheiten für die Körperwärme, den Körper zu verlassen. So verlieren Männer in der Regel weniger Körperwärme als Frauen in gleicher Umgebung. Mein Partner Reto ist da allerdings eine Ausnahme: Der ist sehr hager und hat merklich schneller kalt als ich.

Und warum empfinden wir die gleiche Temperatur von 28°C im Winter als warm und im Sommer als kühl?

Dieser Umstand wird auf die Funktionsweise der Wärme- und Kältesensoren in unserer Haut zurückgehen. Die funktionieren nämlich zum Einen nur in jeweils einem eng gesteckten Temperaturbereich, und registrieren zum Anderen vor allem Temperaturänderungen

Wie unsere Kalt- und Warmsensoren Temperaturänderungen messen

Dazu senden die Sensoren permanent eine regelmässige Folge elektrischer „Pings“ an das Gehirn, ähnlich dem Sonar eines U-Bootes. Ein gleichförmiges Signal interessiert uns aber wenig, sodass es in der Regel vor dem Eingang ins Bewusstsein ausgefiltert wird. Erst wenn sich die Temperatur des Hautgewebes ändert, steigt die Frequenz der Pings stark und das Bewusstsein wird darauf aufmerksam. Sobald die Temperatur bei einem neuen Wert gleich bleibt, pendelt sich auch die Ping-Frequenz bei einem mässigen, vom Anfang leicht unterschiedlichen Wert ein – und gerät bald wieder in Vergessenheit. Bis zur nächsten Temperaturänderung.

Zwei abgedeckte Temperaturbereiche und ihre Grenzen

Dazu kommt, dass unsere zwei Sorten Temperatursensoren in verschiedenen Bereichen arbeiten:

  • Die Kaltsensoren von 15°C bis 30°C (Wird unsere Haut kälter, fühlt sie sich entsprechend „taub“ an)
  • Die Warmsensoren von 30°C bis 45°C (würde unsere Haut wärmer, verlören die Proteine darin ganz schnell ihre Funktionsfähigkeit: Wir würden gedünstet!).

Dazu kommen Schmerzrezeptoren, die uns davor bewahren, diese Grenzen des mit Leben verträglichen Temperaturbereichs nicht fahrlässig zu überschreiten. Wenn ihr einmal eine heisse Quelle findet, die in ein (an sich kühles) Gewässer mündet, könnt ihr das selbst ausprobieren:

Habt ein (am besten elektronisches) Thermometer bei euch. Betretet barfuss das Gewässer an einer angenehm temperierten Stelle und nähert euch langsam der heissen Quelle. Sobald ihr es nicht mehr im Wasser aushaltet (weil es wehtut!), geht einen Schritt zurück – eben da hin, wo es euch nicht mehr weh tut – und messt die Temperatur.

Ich habe dieses Experiment während unsrer Australienreise machen können: Meine Schmerzgrenze liegt ziemlich genau bei 43°C (also noch innerhalb des Bereichs, den die Warmsensoren abdecken). Das macht Sinn, denn die „offizielle“ Höchsttemperatur, ab welcher unsere Proteine ihre Funktionsfähigkeit verlieren, beträgt 42°C.

Doch auch plötzliche Kälte kann Schmerzreize auslösen. Das ist auch sinnvoll, denn extreme Kälte kann unser Körpergewebe genauso zerstören wie extreme Wärme!

Beispiele für die Arbeit der Warm- und Kalt-Sensoren

Wenn wir im Winter von draussen reinkommen, nimmt der Wärmeverlust über die Haut rasch ab, da die Luft aussen um uns herum schnell einmal 20°C wärmer wird. Die Haut wärmt sich rasch auf und die Kältesensoren melden: Sehr viel weniger kalt! Und sobald die Gewebetemperatur die 30°C überschreitet, beginnen die Wärmesensoren zudem „Warm!“ zu melden.

Wenn wir dagegen im heissen Sommer nach draussen gehen, wird die Wärmeabgabe über die Haut plötzlich schwierig, sodass die Temperatur des Gewebes leicht bei über 30°C ansteigt. Die Wärmesensoren, die zuvor inaktiv waren, melden nun: Warm!. Wenn wir aber wieder in die auf 20°C klimatisierte Wohnung gehen, sinkt die Gewebetemperatur: Die Wärmesensoren melden „weniger warm“. Unterschreitet die Gewebetemperatur dabei die 30°C, beginnen die Kältesensoren zudem, „Kalt!“ zu melden.

Aus der Kälte kommend empfinden die Kältesensoren 28°C (im Gewebe!) also als „Wärmer!“ (= „weniger kalt“), ehe die Wärmesensoren mit einer ersten „Warm!“-Meldung zu arbeiten beginnen.

Indessen beginnen aus der Wärme kommend die Kaltsensoren erst bei knapp unter 30°C mit einer ersten „Kalt!“-Meldung zu arbeiten, nachdem die Wärmesensoren zunächst „weniger warm“ gemeldet haben.

Die Fähigkeit unserer Temperatursensoren, Temperaturänderungen zu messen, erlaubt uns also, die Richtung einer Temperaturänderung (nach oben oder nach unten) zu erkennen, auch wenn uns das Gefühl für die absolute Temperatur damit abgeht.

Kalt haben oder frieren? Wo ist der Unterschied?

Wenn wir Kälte empfinden bzw. „kalt haben“, wie wir hier in der Schweiz sagen, frieren wir nicht automatisch. Das geschieht nämlich erst, wenn die Innentemperatur unseres Körpers unter den Sollwert fällt.

Dazu kommt es entweder, wenn wir zu viel Wärme an die Umgebung verlieren und so eine (beginnende) Unterkühlung erleiden, oder wenn wir Fieber bekommen. Dann nämlich setzt die Körper-Kontrollzentrale den Sollwert für die Temperatur im Körperinneren um wenige Grad Celsius nach oben (die höhere Temperatur bedeutet mehr Energie für Stoffwechselvorgänge zur Infektabwehr und eine unbequemere Umgebung für Krankheitserreger – kurzum: Kriegszustand).

Beim Vergleich des neuen Solls mit dem Ist-Zustand stellen die Gewebe so dasselbe fest wie bei einer Unterkühlung: „Wir sind zu kalt – wir müssen mehr Wärme produzieren und festhalten!“

Viel Wärme können vor allem die Muskeln produzieren, wenn sie sich bewegen. Also fangen die Muskeln wild an zu zucken und zu zittern: Schüttelfrost! Dazu kommt ein generelles Kälteempfinden, das uns unter möglichst warme Decken kriechen lässt – dort geht dem Körper weniger Wärme verloren.

Auch eine „Gänsehaut“ dient(e) übrigens dazu, Wärme im Körper festzuhalten: Sie ist der Versuch, unser (fast) nicht mehr vorhandenes Fell zu sträuben, sodass es eine lauschig warme Luftschicht über der Haut umschliessen kann.

Zusammenfassung

Wir Menschen (und viele andere Tiere) nehmen vornehmlich Änderungen der Temperatur unseres Hautgewebes wahr. Diese Temperatur kann von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden.

Zur Temperaturwahrnehmung kommen zwei Sorten Sensoren für verschiedene Temperaturbereiche zum Einsatz. So kann die Überschreitung der Grenze zwischen den beiden Bereichen je nach Richtung zu unterschiedlichen Signalfolgen führen.

Zusätzliche Schmerzrezeptoren hindern uns daran, den wahrnehmbaren lebensfreundlichen Temperaturbereich leichtfertig zu verlassen.

Kalt haben bedeutet aber nicht automatisch frieren: Wir frieren erst (mit Schüttelfrost und starkem Verlangen nach wärmerer Umgebung), wenn die Körperinnentemperatur unter den Sollwert fällt.

Sind euch diese Eigenheiten unserer Temperaturwahrnehmung auch schon aufgefallen? Bei welchen Umgebungsbedingungen fühlt ihr euch denn am wohlsten?

Nierenstein ganz nah

Was sind Nierensteine? Fördert kalkhaltiges Wasser ihre Entstehung?

Diese Leser-Frage kam auf, als ich vor ein paar Wochen über Kalkfänger geschrieben habe – Ringe aus Stahlwolle, die eine Art Köder für Kalk darstellen, der sich aus hartem Wasser absetzen kann. Diese Kalkablagerungen liessen eine Leserin an Nierensteine denken, jene unerwünschten Ablagerungen, die in unseren Nieren entstehen und auf schmerzhafte Weise den Harnleiter verstopfen können. 

Was sind Nierensteine und wie entstehen sie?

Die Nieren sind die Kläranlagen unseres Körpers. In ihnen werden verschiedene Stoffwechselabfälle, Ionen und Wasser aus dem Blut „gewaschen“ und zu dem gesammelt, was als Urin in die Harnblase und von dort nach draussen abfliesst. Normalerweise lösen sich alle Abfälle in Wasser, sodass der Urin als klare Flüssigkeit seinen Weg durch die Harnleiter von der Niere zur Blase antreten kann.

Die Wasserlöslichkeit einiger Abfälle bzw. von Kombinationen verschiedener Bestandteile ist jedoch sehr begrenzt. Wenn unter unglücklichen Umständen die Konzentration solcher Stoffe oder Kombinationen im entstehenden Urin zu hoch wird, wird es solchen Stoffen in der Lösung „zu eng“: Sie verlassen die Lösung und werden fest (Chemiker sagen „sie fallen aus“).

Dabei suchen sich die ausfallenden Teilchen meist irgendeinen Feststoff-Krümel als Anreiz und lagern sich von allen (zugänglichen) Seiten daran an. So entsteht Schicht für Schicht ein Sandkorn, das sich mit der Zeit zu einem kleinen Kieselsteinchen auswachsen kann – einem Nierenstein.

Nierensteine - wo sie zu finden sind

Ablagerungen schwer löslicher Salze können den Harnleiter (nach links unten aus der Niere abgehend) verstopfen und so zu Nierenkolik, Harnrückstau und gefährlichen Entzündungen führen. ( By BruceBlaus. Blausen.com staff (2014). „Medical gallery of Blausen Medical 2014“. WikiJournal of Medicine 1 (2). DOI:10.15347/wjm/2014.010. ISSN 2002-4436. (Own work) [CC BY 3.0], via Wikimedia Commons

Wenn solche Nierensteine in den Harnleiter geraten, können sie je nach Grösse darin stecken bleiben (dann spricht man korrekterweise von Harnleitersteinen) und somit den Abfluss für den Urin verstopfen. Die Folge sind starke, krampfartige Schmerzen (die berüchtigte Nierenkolik) und ein Rückstau des Urins, der Entzündungen mit sich bringen und die Niere schädigen kann. Wenn es einmal zu so einer Verstopfung kommt, hilft nur noch der Weg in Spital, um die Steine zerkleinern und entfernen zu lassen (heutzutage geht das meist mit Hilfe von Schallwellen von aussen).

Wer solch eine unangenehme Erfahrung aber von vorneherein vermeiden möchte, tut gut daran, über Nierensteine bescheid zu wissen. Die „unglücklichen Umstände“ lassen sich nämlich in den allermeisten Fällen recht einfach vermeiden. 

Woraus bestehen Nierensteine?

Die allermeisten Nierensteine bestehen aus Salzen, also aus Verbindungen verschieden geladener Ionen, die sich in ungünstiger Paarung schlecht in Wasser lösen. In den meisten dieser Steine (d.h. in rund 80 bis 85% aller Nierensteine), sind Calcium-Ionen, Ca2+, massgeblich an diesen Paarungen beteiligt. Richtig – das sind genau die Kationen, aus denen auch Kalk entsteht. Die Frage unserer Leserin liegt also nahe.

Anstelle von Carbonat-Anionen (CO32-) enthalten Nierensteine jedoch andere negativ geladene Ionen, allen voran das Anion der Oxalsäure (Oxalat,C2O42-, 60% aller Nierensteine). Dazu kommen Phosphat-Anionen (PO42-), 9% aller Steine) und das Anion der Harnsäure (Urat) und weitere, die allesamt mit Calcium in Wasser schwer- bis unlösliche Salze bilden.

Harnsäure kann sowohl ganz allein als ungeladenes Molekül oder als Urat-Anion mit Metall-Ionen ausfallen und Harnsäuresteine bilden (15% aller Nierensteine).

Als Folge von Harnwegs-Infektionen können überdies Magnesium (Mg2+) und Ammoniumionen (NH4+) mit Phosphat-Anionen zu „Struvit“-Steinen zusammenfinden (11% aller Nierensteine), die nach dem Mineral der selben Zusammensetzung benannt sind.

Selten sind Steine aus anderen organischen Stoffen, wie Cystin oder Xanthin, die aufgrund von genetisch bedingten Stoffwechselstörungen in zu grossen Mengen im Urin landen (je 1% aller Nierensteine).

Da es in so einer Niere höchst lebendig und bewegt zu und her geht, finden all diese Ionen und Moleküle beim Ausfallen keine Ruhe, um sich zu ordentlichen, sichtbar symmetrischen Kristallen zusammen zu lagern. So entstehen oft gerundete oder blasige, unstrukturierte Kiesel, deren Zusammensetzung aus Ionenkristallen sich erst vor dem Makro-Objektiv (wie auf dem Artikelbild) oder unter dem Elektronenmikroskop offenbart.

Nierenstein unter dem Rasterelektronenmikroskop

Oberfläche eines Calciumoxalat-Steins unter dem Rasterelektronenmikroskop. Die Breite des Bildes entspricht einer Länge von 0,45mm ! (By Kempf EK (Own work) [CC BY 3.0], via Wikimedia Commons)

Ebenso führt das lebendige Treiben rund um die Urin-Entstehung zwangsläufig dazu, dass verschiedene Ionensorten miteinander ausfallen und Mischkristalle bilden. Für einen Nierenstein eine Salzformel wie für einen Reinstoff anzugeben ist deshalb höchst schwierig bis unmöglich. 

Was erhöht die Konzentration der schwerlöslichen Salze?

So unterschiedlich wie die verschiedenen Nierensteine sind auch die Umstände, unter welchen sie entstehen. Eine Gegebenheit führt allerdings in jedem Fall zur Erhöhung der Konzentration gelöster Teilchen: Ein Mangel am Lösungsmittel.

Zu einem Überschuss an Nierenstein-Bestandteilen im Urin kommt es also für

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Bei Flüssigkeitsmangel – wenn zu wenig getrunken oder/und zu viel Flüssigkeit ausgeschieden wird (Schwitzen, Durchfall,…alles was zu Dehydrierung führen kann).

Calciumoxalat-Steine

Bei vermehrter Ausscheidung von Oxalat aus dem Blut in den entstehenden Urin.

An sich sind Oxalat-Anionen ganz normale Stoffwechsel-Abfallprodukte, die in jedem Körper vorkommen und transportiert werden. Dementsprechend einfach kann es zu einer „Flutung“ mit Oxalat kommen, wenn sich irgendwo eine reichhaltige Quelle auftut. Die naheliegendste solche Quelle ist die Nahrung:

Schwarztee (manchmal auch Grüntee), Spinat, Rhabarber, Rande (in Deutschland: Rote Bete), Krautstiel (in Deutschland: Mangold), Kakao und Nüsse sind Lebensmittel, die relativ viel Oxalsäure enthalten.

Auch Stoffwechselstörungen, sowohl erbliche (selten) als auch erworbene, können zur vermehrten Ausscheidung von Oxalat-Anionen führen. Ursachen für viel Oxalat im Urin können Funktionsstörungen der Nebenschilddrüsen, die Überdosierung von Vitamin D, eine zurückliegende Magen-Bypass-Operation, Morbus Cushing, die Folgen von Knochenkrebs und weitere sein.

Harnsäure-Steine

Bei vermehrter Ausscheidung von Harnsäure-Salzen (Urat) aus dem Blut.

Harnsäure bzw. Harnsäure-Anionen sind ein Stoffwechselprodukt, das beim Abbau von Purinen entsteht. Purine wiederum sind Bestandteile der Nukleinsäuren, also DNA und RNA – kurz: des Erbguts in allen Zellen. Kurzum: Wo (zerstörte) Zellen sind, sind auch Purine nicht weit. Dabei können diese Zellen sowohl aus der Nahrung als auch aus unserem eigenen Körper stammen.

Dummerweise besteht die allermeiste für uns geniessbare Nahrung aus Zellen – sowohl pflanzliche als auch tierische. Dennoch gelten Innereien, Fleisch, Fisch und vor allem die Haut von Fisch und Geflügel als besonders zell- und damit als purinreich.

Körpereigene Zellen werden z.B. durch Hungerkuren oder Krebserkrankungen und deren Bekämpfung verstärkt zum Abbau ihrer selbst und damit zur Lieferung von Purinen zur Verstoffwechselung bewegt.

Die häufigste Ursache für einen Harnsäure-Überschuss im Körper ist jedoch eine Ausscheidungsstörung in den Nieren: Wenn die (auch in normalem Umfang) im Stoffwechsel entstehende Harnsäure nicht raus kann, sammelt sie sich an. In den Nieren können so Steine entstehen, bei Ablagerung in den Gelenken kommt es zur Gicht.

Ein „saurer“, also niedriger pH-Wert im Urin führt zudem dazu, dass Natriumurat, das Salz aus Natrium (Na+) und Urat-Ionen, besonders leicht ausfällt. Übergewicht gilt das wichtige Ursache für sauren Urin. Überdies hemmt Alkohol (Ethanol) die Ausscheidung von Harnsäure über die Nieren.

Struvit-Steine

Bei basischem Urin in Folge von Infektionen.

Struvit (MgNH4PO3) fällt nur in basischer Umgebung aus. Da menschlicher Urin gewöhnlich schwach sauer ist, kommen solche Steine unter normalen Umständen nicht vor (anders z.B. bei Hauskatzen: die haben gewöhnlich basischen Urin und können daher auch bei gesunder Ausgangslage Struvit-Steine entwickeln).

Anders wird das, wenn sich der Mensch einen Harnwegsinfekt mit Bakterien einfängt, die Harnstoff zu Ammoniak (NH3)abbauen können. Letzterer ist nämlich basisch, d.h. er nimmt H+-Ionen auf (so entstehen daraus Ammonium-Ionen NH4+), was zu einer Erhöhung des pH-Werts in der Umgebung – hier im Urin – führt. So können in der Gegenwart von ammoniakproduzierenden Bakterien Struvit-Steine entstehen.

Und Calciumcarbonat?

Während Calcium in vielen Nierensteinen eine Rolle spielt, ist vom Carbonat-Anion bis hierhin keine Spur. Tatsächlich ist Calciumcarbonat, wenn überhaupt, nur selten Bestandteil von Nierensteinen. Das wird daran liegen, dass unter den Bedingungen im menschlichen Körper nicht das stark basische Carbonat (CO32-), sondern das weniger basische und leichter lösliche Hydrogencarbonat (HCO3) vorkommt. 

Welche Bestandteile können über die Ernährung beeinflusst werden?

Mit der Nahrung nehmen wir vor allem drei wichtige Bestandteile von Nierensteinen auf:

  • Calcium : findet man als Ca2+-Ionen unter anderem in Milch und Milchprodukten, sowie Mineral- und Leitungswasser. Ca2+ ist nicht nur Bestandteil von Nierensteinen, sondern auch ein für den Körper unverzichtbarer Mineralstoff. Besonders für den Knochenbau und -erhalt benötigen wir unbedingt Calcium. Deshalb wird ein Verzicht auf Calcium zur Vorbeugung von Nierensteinen gar nicht mehr empfohlen (es sei denn, es findet sich tatsächlich zu viel davon im Urin). Die für gesunde Erwachsene empfohlene Calcium-Zufuhr von 1000 – 1200 mg pro Tag führt birgt gemäss der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung auch das geringste Risiko für die Entstehung von Calciumsteinen. Wie das kommt? Calcium allein macht noch keinen Nierenstein. Dazu braucht es schliesslich auch Anionen:
  • Oxalat : Viele Pflanzen – auch und gerade solche, die als gesund gelten – enthalten relativ viel Oxalsäure bzw. Oxalat-Anionen. So kann die Aufnahme von oxalsäurereicher Nahrung direkt zu einer Flutung der Nieren mit Oxalat führen. Wenn dann auch Calcium vorhanden ist, entstehen leicht Oxalat-Steine.
  • Harnsäure : Purine aus Proteinen in Fleisch und Fisch werden zu Harnsäure verstoffwechselt, sodass auch hier eine Aufnahme mit der Nahrung schnell zu einer Flutung führen kann. Ausserdem führt die fleischhaltige Nahrung zu einem niedrigen, d.h. sauren pH-Wert im Urin, was die Entstehung von Harnsäuresteinen weiter begünstigt.

Wie senke ich mein Nierensteinrisiko durch Ernährung?

Alle Steine

Viel trinken ist grundsätzlich Empfehlung Nummer 1, wenn es um Nierensteine geht. Schliesslich müssen sich in einem grossen Urin-Volumen wesentlich mehr Nierenstein-Bestandteile ansammeln, bevor etwas fest wird, als in einem kleineren Volumen. Patienten, die bereits mit Nierensteinen zu tun hatten oder haben, wird daher empfohlen, am Tag mindestens 2,5 bis 3 Liter zu trinken.

Calcium-Steine

In der Gegenwart von Natrium(Na+-)Ionen werden Calcium-Ionen besonders leicht vom Blut in den Urin befördert. Deshalb lässt sich die Calciumausscheidung allein durch Masshalten bei der Verwendung und damit der Aufnahme von Koch- oder Speisesalz (Natriumchlorid) verringern, ohne dass der Körper auf wertvolles Calcium verzichten müsste. Zu wenig Salz ist allerdings auch nicht angebracht, da mit dem Salz auch das Wasser seinen Weg in den Urin findet – und wenig Wasser führt zu einem niedrigen Urin-Volumen…und damit zu Nierensteinen. Empfohlen wird die Aufnahme von 4 bis 6 Gramm Kochsalz pro Tag (Achtung bei Fertigprodukten! Die enthalten oft mehr Kochsalz, als man meinen möchte!).
Zudem lässt sich Calcium hinsichtlich der Entstehung von Nierensteinen auch mit Hilfe von Zitronensäure „unschädlich“ machen: Citrat-Anionen bilden nämlich mit Ca2+ eine sogenannte Komplexverbindung, die gut wasserlöslich ist, aber das Calcium-Ion für die Reaktion zu Calciumoxalat und anderen schwer löslichen Salzen unzugänglich macht. Zitrusfrüchte und -säfte sind daher eine gute und schmackhafte Wahl (nicht nur) für die Flüssigkeitszufuhr.

Oxalat-Steine

Wer zu Oxalat-Steinen neigt, sollte eine Oxalsäure-Überflutung möglichst vermeiden. Das heisst Zurückhaltung bei oxalsäurereichen Nahrungsmitteln, zu welchen verschiedene Gemüse, Nüsse, aber auch Schokolade (Kakao!) zählen. Da Nierensteine zudem oft Gemische aus verschiedenen Stein-Typen sind, ist deshalb eine rein vegetarische Ernährung zur Vermeidung von Harnsäuresteinen nicht zu empfehlen: Zu schnell gerät man dabei an Oxalsäure, die dann vom Regen in die Traufe führen kann.
Es gibt jedoch einen Trick für all jene, die auf ihr oxalatreiches Lieblings-Gemüse nicht verzichten wollen: Verspeist die Oxalsäure gemeinsam mit Calcium, zum Beispiel aus Milchprodukten oder Mineralwasser! Dann bildet sich das schwerlösliche Calciumoxalat nämlich schon im Verdauungstrakt – und wird mit dem Stuhlgang gleich wieder ausgeschieden. Damit ist das Calcium allerdings auch verloren und trägt nicht nur Deckung des Tagesbedarfs bei!

Harnsäuresteine

Wer mit Harnsäure-Steinen zu tun hat, sollte Fleisch und Fisch in Massen essen (maximal 1 Portion von 120g pro Tag an höchstens 5 Tagen in der Woche) und besonders purinhaltige Bestandteile meiden. Eine rein vegetarische oder gar vegane Ernährung ist jedoch der Oxalsäure wegen sehr schwierig und wird daher nicht empfohlen. Wer Übergewicht abbauen möchte, sollte das Abnehmen langsam angehen, um eine Flutung mit körpereigenen Purinen zu vermeiden! Hydrogencarbonat-Ionen – zum Beispiel aus Mineral- oder auch Leitungswasser – können dabei helfen, den sauren Urin-pH zu erhöhen (d.h. „basischer zu machen“).

Struvit-Steine

Harnwegsinfekte sollten frühzeitig behandelt werden, um Struvit-Steine und eine Nierenbeckenentzündung zu vermeiden! Meine persönliche Waffe für den „Präventiv-Schlag“ bei einer Harnwegs-Reizung sind Preiselbeer- bzw. Cranberry-Getränke (zum Beispiel aus Trink-Granulat). Damit kann ich vieles schon im Keim ersticken. Bei anhaltenden Schmerzen oder/und Fieber aber unbedingt zum Arzt gehen und eine Urin-Probe untersuchen lassen! Das dauert nur ein paar Minuten und zeigt, ob ihr einen Infekt mit Bakterien habt, der mit Antibiotika behandelt werden sollte! 

Fazit

Die Entstehung von Nierensteinen kann verschiedene Ursachen haben. Dabei können die Rahmenbedingungen für die Stein-Entstehung teilweise durch die Ernährung beeinflusst werden.

Calcium, genauer das Ca2+-Ion, welches massgeblicher Bestandteil an Kalkablagerungen in Bad und Küche ist, ist auch in den meisten Nierensteinen enthalten. Für die Vermeidung von Nierensteinen sind jedoch die Anionen, die mit dem Calcium schwer lösliche Verbindungen bilden, viel bedeutsamer. Die Aufnahme solcher Anionen, wie Oxalat und Urat, und damit ihre Konzentration im entstehenden Urin in den Nieren lässt sich über die Ernährung recht gut steuern. Dabei sind Calcium und das in „hartem“ Wasser gelöste Hydrogencarbonat-Anion mitunter sogar nützliche Hilfsmittel!

Viel trinken und eine massvolle, aber vielseitige Ernährung helfen grundsätzlich dabei, einen ausgeglichenen Stoff-Haushalt (nicht nur) in den Nieren zu bewahren und der Entstehung von Nierensteinen vorzubeugen.

Mehr Infos rund um Nierensteine und Ernährung

Die folgenden Quellen sind in diesen Artikel eingeflossen:

Merkblatt „Ernährung und Nierensteine“ von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung

Infoseite rund um Harn- und Nierensteine, mit Tabellen zu Stein- und Nahrungsmittel-Zusammensetzung

 

Mit Spannendem und Wissenswertem über Blut kann man ganze Bücher oder Website füllen! Und da Blut rund um Halloween allgegenwärtig ist, widme ich diesem Wunderstoff den diesjährigen Gruselbeitrag.

Mehr Halloween-Themen gibt es hier:

Unerwartet gruselige Filme erwarten euch in Jaris Flimmerkiste

Christopher von Hirn mit Ei hat einen echten Geisterjäger interviewt

Der Herbst ist spürbar angekommen, und einmal mehr ist die Nacht verstrichen, in welcher die Welt der Geister der unseren besonders nahe sein soll: Die Nacht auf Allerheiligen, Samhain – oder auf gut amerikanisch: Halloween. So sind Geister und alles Schaurige dieser Tage Motto für Partys, Kostüme, Schaufensterdeko, zahllose Blogartikel und sogar das Fernsehprogramm. Dabei erfreut sich ein besonders gruseliges Detail grosser Beliebtheit: Blut. Ob als Leibspeise für Vampire oder raffiniertes „Accessoire“ für Zombie-Kostüme und schaurige Dekorationen – Blut und Blutiges sind nicht wegzudenken, wenn es um Halloween geht.

Dabei ist Blut doch eigentlich gar nicht gruselig – sondern eine der spannendsten und nützlichsten Chemikalien überhaupt! So trägt es die überaus positive Bezeichnung „Lebenssaft“ zu Recht, denn Blut ist eine Flüssigkeit, die atmen kann! Wie genau das funktioniert, und wie das Blut dank dieser Fähigkeit einen ganzen Körper mit Energie versorgen kann, erzählt diese Geschichte.

Und da unser Lebenssaft damit viel zu kostbar ist, um als Gegenstand von Experimenten oder gar als Halloween-Dekoration zu enden, gibt es zum Schluss noch einige Tipps zum oft unvermeidlichen Umgang mit Blut: Wie wird man nach einem blutigen Unfall die hartnäckigen roten Flecken auf Kleidung und Co. wieder los?

Warum Blut uns zum Gruseln bringt

Blut ist flüssig, rot und undurchsichtig – eine Suspension: ein Gemisch aus verschiedenen chemischen Substanzen, von welchen mindestens eine fest und eine flüssig ist – also eine Chemikalie wie tausend andere auch. Warum aber erschaudern die meisten Menschen gerade beim Anblick von Blut und werden im schlimmsten Fall sogar ohnmächtig?

Das ist ein Überbleibsel der evolutionären Entwicklung des Menschen: Tatsächlich sorgt Blut nämlich erst dann für Schrecken, wenn es vergossen wird. So lange es sich in den Blutgefässen im Körper befindet  – oder auch sicher verpackt in einer Ampulle oder einem Konservenbeutel, lässt es sich sehr einfach als das betrachten, was es ist: eine rote Flüssigkeit.

Sobald es aus Wunden vergossen wird, signalisiert es stattdessen „Hier ist etwas gefährliches, womöglich lebensfeindliches am Werk!“ Wer einstmals beim Anblick von vergossenem Blut oder einem verwundeten Körper schnellstmöglich Reissaus nahm, hatte bessere Chancen auf ein längeres Leben und die Weitergabe seines Erbguts als jene, die in Seelenruhe abwarteten, bis der verantwortliche lebensfeindliche Umstand sie um ihr eigenes Blut erleichterte.

Spätestens seit gut 70 Jahren ist das in vielen Teilen unserer Welt anders. Blut bekommt man darin in der Regel nur noch an Unfallschauplätzen, in Operationssälen, in Fernsehkrimis oder Gruselfilmen zu Gesicht. Und bei diesen Gelegenheiten droht normalerweise keinem Beobachtenden Gefahr.

So können wir getrost unseren überflüssig gewordenen Urinstinkt überwinden und das menschliche Blut in allen Einzelheiten betrachten.

Woraus besteht das menschliche Blut?

Blut ist eine Suspension, also ein Stoffgemisch aus flüssigen und festen Bestandteilen. Ein Mensch enthält etwa 70 bis 80 ml dieses Gemischs, das normalerweise sicher in den Blutgefässen eingeschlossen ist, pro kg Körpergewicht. Ich habe damit rund 5,5l Blut.

Und wieviel Blut hast du?

Das Blut eines erwachsenen Menschen besteht in der Regel zu rund 44% aus frei beweglichen Zellen, die mit Wasser vermischt durch unsere Gefässe strömen. Dieser Anteil der Zellen am Blut wird „Hämatokrit“ („Hkt“) genannt und von Ärzten oft als Anteil an einem Liter Blut angegeben. Ein üblicher Hämatokrit beträgt also 0,44 Liter Zellen in einem Liter Blut. Mit steigendem Anteil an Zellen wird das Blut dickflüssiger, sodass zunehmend dazu neigt, die engen Blutgefässe im Körper zu verstopfen. Ein Hämatokrit von 0,6 und höher gilt deshalb als ernsthaft gesundheitsgefährdend. Ein solch hoher Anteil an Zellen im Blut kann die Folge von Flüssigkeitsverlust oder der Verabreichung von Blutzellen-Konzentraten per Infusion, beispielsweise zur Leistungssteigerung, sein und gehört damit zu den gefährlichen Nebenwirkungen verschiedener Doping-Methoden.

Blut enthält eine Reihe verschiedener Sorten von Zellen:

Blut-Zellen unter dem Elektronenmikroskop

Unter dem Elektronenmikroskop: links: rote Blutzelle, Mitte: aktiviertes Blutplättchen, rechts: weisse Blutzelle

Rote Blutzellen (auch: Rote Blutkörperchen, Erythrozyten):

Die roten Zellen machen den Löwenanteil der Zellen im Blut aus: Enthält das Blut 440 Milliliter Zellen, entfallen rund 430 Milliliter davon auf die roten Zellen, während die übrigen Zellen zusammen nur 10 Milliliter ausmachen! Deshalb kann der Hämatokrit näherungsweise als Anteil der roten Zellen am Gesamtblutvolumen angesehen werden.

Die roten Blutzellen lassen sich unter dem Lichtmikroskop  beobachten. Ihr Aussehen erinnert an winzige Gummiboote mit einem Durchmesser von etwa 7,5 Mikrometern. Anders als andere Zellen enthalten rote Blutzellen von Säugetieren keinen Zellkern und entbehren ausserdem Mitochondrien, Ribosomen und einige andere Organellen. So haben sie mehr Platz für ihr wichtigstes Werkzeug: Hämoglobin – das Protein, welches ihnen die rote Farbe verleiht und den Transport von Sauerstoff übernimmt. Würde man roten Blutzellen alles Wasser enziehen, dann würde das Hämoglobin rund 90% des Gewichts der verbleibenden Stoffe stellen. Rote Blutzellen sind also ganz auf ihren überaus wichtigen Job spezialisiert: Sie transportieren Sauerstoff.

Weisse Blutzellen (auch: Weisse Blutkörperchen, Leukozyten):

Die weissen Blutzellen sind als Teil des Immunsystems für die Abwehr von Bedrohungen für „ihren“ Körper zuständig. Wie in einer richtigen Polizeitruppe gibt es unter ihnen verschiedene Spezialisten mit an verschiedene Aufgaben angepasster Gestalt. Sie alle unterscheiden sich von den roten Zellen darin, dass sie einen Zellkern und eine Komplettausstattung zur Energieerzeugung haben. Die Energie ermöglicht den weissen Zellen zum Beispiel die Herstellung von verschiedenen „Kampfstoffen“ oder die eigenständige Fortbewegung, auch aus den Blutgefässen hinaus!

Zu den verschiedenen Spezialisten in der Körper-Polizeitruppe zählen:

Fresszellen: Sind darauf ausgelegt, Fremdstoffe und gefährliche Keime aufzunehmen (zu „phagozytieren“) und zu verdauen. In den Blutgefässen selbst findet man vornehmlich Monozyten (Vorläuferzellen, die zu Makrophagen, den eigentlichen Fresszellen ausreifen können) und neutrophile Granulozyten.

Giftschleudern: Diese Zellen können „Ausdünstungen“, also bestimmte Moleküle, die von Keimen oder Parasiten abgesondert werden, „riechen“, einer solchen Spur zu ihrem Erzeuger folgen und so gezielt in dessen Nähe Giftstoffe ausschütten, die dem Angreifer das Leben schwer machen. Dass diese Giftstoffe jedoch auch für den eigenen Körper unangenehm werden können, merken wir, wenn wir es ihretwegen mit einer Entzündung oder Allergie zu tun bekommen. Zu den Giftschleudern zählen eosinophile und basophile Granulozyten.

Aufklärungsdienst: Einige Zellen können regelrecht zu wandelnden Litfasssäulen werden. Wenn solche Zellen auf Eindringlinge oder eine entartete Körperzelle treffen, können sie „feindliche“ Merkmale (sogenannte Antigene) ihrer Oberfläche kopieren und auf der eigenen Aussenfläche zur Schau stellen, sodass andere weisse Zellen davon ablesen können, was sie zu bekämpfen haben. Zu diesen antigenpräsentierenden Zellen gehören die Monozyten, dendritische Zellen und B-Zellen.

Spezialagenten: Verschiedene Zellen können gezielt Keime oder entartete Zellen ausschalten. Dazu zählen die B-Lymphozyten, die entweder zu Plasmazellen ausreifen und Antikörper gegen eine bestimmte Bedrohung produzieren oder sich als langlebige B-Gedächtniszellen bestimmte Antigene über sehr lange Zeit merken können. Letztere sorgen dafür, dass wir eine Kinderkrankheit kein zweites Mal bekommen oder nach einer Impfung lange Zeit davor geschützt sind. Eine andere Gruppe bilden die T-Zellen, die als T-Killerzellen entartete Körperzellen (Krebszellen oder von Viren gekaperte Zellen) direkt angreifen und zum Absterben bringen oder als T-Helferzellen Antigene „lesen“ und den Einsatz von Plasma- und Killerzellen koordinieren können. Das Sondereinsatzkommando unter den Spezialagenten bilden schliesslich die „natürlichen“ Killerzellen, die darauf ausgelegt sind, die Bemühungen entarteter Zellen, sich vor den T-Killerzellen zu tarnen, zu unterwandern und auch die durchtriebensten Feinde zum Absterben zu bringen.

Blutplättchen (auch: Thrombozyten):

Blutplättchen sind kleine, normalerweise scheibchenförmige Zellen ohne Zellkern – genauer gesagt handelt es sich dabei um Zell-Bruchstücke, die von grösseren Zellen abgeschnürt werden, um dann mit dem restlichen Blut durch die Gefässe zu strömen. Blutplättchen kommen zum Einsatz, wenn ein Blutgefäss verletzt wird. Dann werden sie im Zuge der Blutgerinnung aktiviert und bilden Tentakel aus, mit welchen an Gewebeoberflächen und einander haften und die Verletzung schliessen können. Dabei setzen sie ihrerseits Stoffe frei, die die Blutgerinnung fördern.

Blutplasma:

Die verbleibenden rund 56% des Blutes bildet das Blutplasma, also grösstenteils (zu rund 90%) Wasser. Darin sind viele verschiedene Stoffe gelöst: Proteine, Ionen von Salzen und kleine Moleküle, wie Nährstoffe (Zucker, Fettbestandteile, Vitamine), Hormone, Gase und Stoffwechsel- bzw. Abfallprodukte wie Harnstoff oder Harnsäure.

Im Blutplasma können all diese Stoffe im Körper von A nach B transportiert werden, ob zur Ernährung von Zellen, zur Entsorgung durch Nieren oder Leber oder zur Kommunikation zwischen Zellen und Geweben. Darüber hinaus kann Körperwärme durch das Blut abtransportiert oder im Körper umverteilt werden, ein System aus Proteinen im Blutlasma hält die Gefässe instand (Blutgerinnung), während andere Proteine an der Immunabwehr beteiligt sind. Da all diese Vorgänge sehr empfindlich für Schwankungen des pH-Werts sind, enthält das Blutplasma einige Substanzen, die als „Puffer“ dafür sorgen, dass der pH-Wert des Blutes stets bei 7,4 liegt.

Entfernt man alle Proteine des Blutgerinnungssystems aus dem Blutplasma, wird der verbleibende Rest übrigens „Blutserum“ genannt.

Ein Farbstoff als Lastwagen: Hämoglobin und der Sauerstofftransport

Besonders auffällig ist Blut durch seine kräftig rote Farbe. Die rührt vom Hauptbestandteil der roten Blutzellen her: Dem Hämoglobin. Das ist ein Protein, das aus 4 zusammengeknäuelten Ketten zu je 141 Aminosäuren besteht. Diese Aminosäure-Ketten habe keine besondere Farbe. In jede Teilkette des Hämoglobins ist jedoch ein besonderes Molekül eingebettet: Ein Häm. Das Häm-Molekül ist ein Ring aus miteinander verknüpften Atomen, in dessen Mitte ein Eisen-, genauer gesagt ein Fe2+-Ion „eingeklemmt“ ist.

Dieses Fe2+-Ion wird von den vier Stickstoff-Atomen an der Innenseite des Rings „festgehalten“. Dazu steuern die Stickstoff-Atome jeweils ein ganzes Elektronenpaar zu einer Bindung zum Eisen bei. Sie „borgen“ dem Eisen also Elektronen, um dessen Aussenschale aufzufüllen (bei einer gewöhnlichen Elektronenpaarbindung steuern hingegen beide beteiligten Atome je ein Elektron zur Bindung bei).

Eine solche geborgte Bindung nennen die Chemiker „koordinative Bindung“. Ein Teilchen, das solche Bindungen enthält ist ein „Komplex“ bzw. eine „Koordinationsverbindung“. Die Komplexchemie – die Chemie solcher Verbindungen, erscheint womöglich deshalb komplex, weil die Bildung von koordinativen Bindungen nicht der einfachen Edelgas-Regel unterliegt, sondern eigenen Regeln folgt, welche mitunter mehr als 8 Elektronen in der Aussenschale bestimmter Atome erlauben.

Der rote Blut-Farbstoff: Strukturformel des HämDas in der Abbildung gezeigte Häm b ist dunkelrot. Innerhalb des Kohlenstoff-Rings wechseln sich Einzel- und Doppelbindungen ab. Das bedeutet, dass ein Teil der an den Bindungen beteiligten Elektronen sich relativ frei bewegen und dazu einfallende Lichtquanten „schlucken“ können, sodass das menschliche Auge das verbleibende Licht als farbig wahrnimmt. (Mehr zu solchen Farbstoffen habe ich Ostern erzählt und mehr zur Farbwahrnehmung in dieser Geschichte über das Licht). Ein Chemiker, der das weiss, kann an der Strukturformels des Häms ablesen, dass dieses Molekül wahrscheinlich farbig ist. Welche Farbe es hat, lässt sich allerdings nicht so ohne weiteres sagen. Dazu muss man sich den Stoff, der aus den Molekülen besteht, schon ansehen.

Die besonderen Regeln der Komplexchemie besagen, dass Eisen-Ionen insgesamt 6 Bindungen ausleihen können. So kann der Rest einer Aminosäure Histidin aus der Aminosäuren-Kette dem Eisen ein fünftes Elektronenpaar leihen. Dieses formt eine Bindung vom Eisen zum Histidin nach unten und bindet so den Ring samt eingeklemmtem Eisen-Ion an das Protein.

Der sechste Platz für ein geliehenes Elektronenpaar (oben) ist frei und kann eine weiteres Molekül als Last aufnehmen – idealerweise ein Sauerstoff-Molekül O2. Denn auch ein Sauerstoff-Molekül hat Elektronenpaare zu verleihen und kann so mit einem Ende an das Eisen im Häm binden. Dabei werden die Elektronen in platzsparender Weise umsortiert: Das Eisen-Ion wird somit kleiner und rutscht vollständig in die Ringebene („unbeladen“ hängt es etwas darunter). Das hintere Ende des O2-Moleküls bildet eine „Wasserstoff-Brücke“ mit einem anderen Histidin-Rest, sodass das O2-Molekül sicher am Häm angegurtet ist.

Die Umsortierung betrifft nicht nur die Elektronenschalen des Eisens, sondern auch das übrige Bindungssystem, innerhalb dessen sich Elektronen frei bewegen können. So schlucken diese Elektronen nach der Umsortierung Lichtquanten mit anderen Wellenlängen. Das beladene Häm hat damit eine andere Farbe: Häm mit gebundenem Sauerstoff ist leuchtend rot!

Mit einem elektronischen „Auge“, das Lichtquanten einer bestimmten Farbe erkennt und zählt, einem sogenannten Photometer, kann so gemessen werden, wieviel Sauerstoff in einer Blutprobe gebunden ist: Je mehr Häms im Blut mit Sauerstoff beladen sind, desto hellroter erscheint das Blut und desto mehr „hellrote“ Lichtquanten können gezählt werden. Das funktioniert sogar durch die Haut: Auf der Intensivstation wird einem Patienten ein kleiner Sensor an den Finger geclippt (dann heisst das Gerät „Pulsoxymeter“, da es auch den Puls zählt) und sendet seine Messwerte an einen Monitor, der daraufhin die „Sauerstoffsättigung“ anzeigt.

Bei einem gesunden Menschen sind nach dem Durchgang durch die Lunge, also im Blut in seinen Arterien, über 96% der Häms mit Sauerstoff besetzt: Die Sauerstoffsättigung beträgt mindestens 96%.

Und wie funktioniert das Be- und Entladen des Häms?

Die Festigkeit der Bindungen zwischen Sauerstoff- und ihren Hämoglobin-Transportern hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem pH-Wert, der Menge des in der Umgebung vorhandenen Kohlenstoffdioxids, der Temperatur und weiteren. Dabei ist das Hämoglobin – aus gutem Grund – so geschaffen, dass all diese Faktoren in der Lunge das Angurten von Sauerstoff-Molekülen an Hämoglobin begünstigen.

Wenn die so beladenen roten Blutzellen auf ihrem folgenden Weg in Bereiche des Körpers gelangen, in welchen gearbeitet wird  – zum Beispiel in Muskeln – treffen sie dort auf „Abfallprodukte“, die bei dieser Arbeit entstehen, wie H+-Ionen (viele H+-Ionen bedeuten einen niedrigen pH-Wert!), Kohlenstoffdioxid und Wärme. Diese Faktoren lockern die „Gurte“, welche die Sauerstoff-Moleküle am Hämoglobin halten, sodass die roten Blutzellen genau dort entladen werden können, wo Sauerstoff gebraucht wird.

Kohlenstoffdioxid wird übrigens nicht an Häm gebunden, sondern im Wasser des Blutplasmas gelöst und so in die Lungen geschwemmt, wo es in die Atemluft austritt. Zwischen gasförmigen und gelöstem Kohlenstoffdioxid besteht dabei stets ein chemisches Gleichgewicht, das unter verschiedenen Bedingungen eine unterschiedliche Lage haben kann. Wie genau das den Ein- und Austritt des Kohlenstoffdioxids in die bzw. Aus der wässrigen Lösung ermöglicht, erklärt Monsieur Le Châtelier euch am Flughafen.

Sauerstoff O2 ist dennoch nicht das einzige Molekül, das an eine Häm-Gruppe binden kann. So kann sich das Häm-Eisen seine Elektronen auch von anderen, ähnlichen Molekülen leihen, zum Beispiel von Kohlenstoffmonoxid, CO. Dieses Molekül bindet jedoch 200 mal stärker an Hämoglobin als Sauerstoff – und lässt sich folglich nicht mehr so einfach davon lösen! Einmal mit CO besetztes Hämoglobin kann also keinen Sauerstoff mehr transportieren, was Kohlenstoffmonoxid sehr giftig macht. Bei einer akuten CO-Vergiftung kann allenfalls in einer Druckkammer so viel Sauerstoff auf das Blut in den Lungen des Vergifteten losgelassen werden, dass die Sauerstoffmoleküle das CO letztlich doch von den Häms schwemmen können.

Bei starken Rauchern können übrigens dauerhaft bis 10% der Häms mit Kohlenstoffmonoxid blockiert sein, sodass ihr Blut bis zu 10% weniger Sauerstoff in den Körper transportieren kann als bei einem gesunden Menschen! Wem es also an körperlicher Fitness mangelt, der möge das Rauchen lassen, sodass sein Körper binnen der nächsten 100 Tage alle von CO gekaperten roten Blutzellen durch neue ersetzen kann.

Hands on: Wie man Blutflecken entfernen kann

Blut ist – so interessant es als Chemikalie erscheint – nicht wirklich zum Experimentieren geeignet. Zum Einen ist es dafür viel zu schade – hat es doch in unseren Blutgefässen einen so wichtigen Job zu verrichten. Zum Anderen treiben sich in unserem Blut neben den vorgestellten Bestandteilen auch verschiedene ungeladene Gäste herum: Bakterien, Viren oder gar winzige Parasiten, die mitunter Krankheiten auslösen können. Und darunter sind manche, die erst durch den Kontakt mit fremdem Blut von einem Menschen auf den anderen übertragen werden können. Daher tun wir gut daran, unser Blut in unseren Adern zu belassen.

Manchmal fordert unser Körper uns jedoch geradezu dazu heraus, uns mit unserem Blut zu beschäftigen: Ob wir uns beim Umgang mit Küchenmessern als Tolpatsch erweisen, unter spontanem Nasenbluten leiden oder einfach fruchtbare Frauen sind – nur zu schnell gerät ein Blutfleck auf Kleidung oder andere Textilien. Und dann ist guter Rat teuer, wenn es darum geht ihn wieder loszuwerden.

Deshalb gibt es hier einige Tipps zur sauberen Entfernung der lästigen roten Flecken. Und nachdem ihr spätestens jetzt die Zusammensetzung des Blutes kennt, kann ich auch erklären, warum diese Tipps funktionieren:

Frische Blutflecken zügig mit kaltem Wasser ausspülen:

Blut ist eine Suspension von Zellen in einer wässrigen Lösung. Dementsprechend lässt sich frisches, feuchtes Blut gut mit Wasser mischen und frische Blutflecken sich folglich mit Wasser ausspülen. Dabei solltet ihr in jedem Falls kaltes (d.h. höchstens raumwarmes) Wasser benutzen, da Protein-Moleküle – auch jene im Blutplasma – spätestens ab 42°C ihre Form verlieren und zu einem schwerlöslichen Aminosäurekettengewirr zusammenpappen – oder besser „gerinnen“. Das hat übrigens nichts mit der Blutgerinnung zu tun, die von funktionsfähigen Proteinen ausgeht und auch bei niedrigeren Temperaturen stattfindet, aber zu einem ähnlichen Ergebnis führt. Frische, noch nicht getrocknete bzw. geronnene Blutflecken wird man deshalb am einfachsten wieder los.

Getrocknete, schlimmstenfalls durch Wärme geronnen Blutflecken entfernen:

Dazu kann die Waschkraft von Wasser massgeblich unterstützt werden.

Stärke-Moleküle sind spiralförmige Ketten aus kleineren Zucker-Molekülen, die wie ein Schwamm wirken und Blutbestandteile förmlich „aufsaugen“ können. So lässt sich erklären, dass Stärkemehl, wenn man frische oder angefeuchtete Blutflecken damit bedeckt, die rote Farbe aufnehmen kann und sich dann abtragen lässt.

Auch Gasbläschen, zum Beispiel aus Backpulver oder Brausetabletten freigesetztes Kohlenstoffdioxid CO2, können beim Ausperlen Blutbestandteile aus Textilgewebe lösen – ganz klassisch auf mechanische Art und Weise. Damit erkläre ich mir auch die lösende Wirkung von Aspirin-Tabletten auf Blutflecken. Denn mit der gerinnungshemmenden Wirkung ihres Wirkstoffes Acetylsalicylsäure (ASS) kann das nämlich – ausser vielleicht bei sehr frischen Blutflecken – nichts zu tun haben. ASS blockiert nämlich den „Ein-„Schalter noch nicht gebrauchter Blutplättchen und macht sie damit für die Blutgerinnung unbrauchbar – bevor diese überhaupt begonnen hat!

Auch die Superwaschkraft von Tensiden kann dabei helfen, wasserunlösliche Blutbestandteile wie Fette und geronnene Proteine aus Textilien zu lösen: Gallseife erweist sich daher als wirksames Mittel zur Entfernung von Blutflecken.

Und wem das nicht reicht, der kann geronnene Proteine darüber hinaus mittels chemischer Reaktionen zerlegen. Unglücklicherweise zerlegen viele Reaktionen Textilfasern ebenso gut, sodass bei diesen Methoden besondere Vorsicht geboten ist:

Eine saure (durch Zitronensäure oder Essig erzeugte) oder alkalische (zum Beispiel durch Ammoniaklösung geschaffene) Umgebung kann die Zersetzung von Proteinen und anderen Kettenmolekülen fördern.

Wasserstoffperoxid, H2O2, geht mit vielen anderen Stoffen Redox-Reaktionen ein und kann beispielsweise Farbstoffmoleküle zerlegen, weshalb es als Bleichmittel beliebt ist – auch wenn es um Blutflecken geht.

Die Natur hat überdies verschiedene Proteine geschaffen, die andere Proteine oder sonstige Kettenmoleküle in Stücke schneiden können. Solche Enzyme sind heutzutage in vielen Waschmitteln oder Fleckenentfernern enthalten. Auch dank ihnen bekomme ich auch getrocknete Blutflecken mit einem Vollwaschmittel sowohl bei 30°C als auch bei 60°C in der Waschmaschine gut entfernt.

Und was empfindest du beim Anblick von Blut? Hast du vielleicht eine ganz eigene „blutige“ Geschichte erlebt? Welches ist deine persönliche Waffe gegen Blutflecken auf Textilien?