„Meine Familie hat Glück gehabt. So weit ich zurückdenken kann oder aus Erzählungen der Älteren weiss, hat bei uns noch kein Kind Krebs bekommen.“
So beginnt mein Artikel zur Aktion #4von5, der letztjährigen Kampagne des Vereins Kinderkrebs Schweiz. Darin erkläre ich – auch kindgerecht, was Krebs eigentlich ist, wie er entsteht und wie man Krebszellen bekämpfen kann.
Damals wie heute beteilige ich mich aus eigenem Antrieb und ohne Vergütung an der Kampagne. Es besteht kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Inhalts in diesem Beitrag und dessen Publikation.
Vergangenes Jahr wünschte mir Leserin Eliane in einem Kommentar:
„…und ich hoffe, dir, deiner Familie und all deinen Bekannten bleibt das Glück weiterhin hold!“
Inzwischen ist ein Jahr vergangen und Kinderkrebs Schweiz hat eine neue Kampagne lanciert. Und weil das Schicksal manchmal wirklich ein mieser Verräter ist, hat meine Glückssträhne erst vor ein paar Tagen ein jähes Ende gefunden.
Meiner Familie geht es zwar weiterhin gut. Dafür bin ich unvermittelt in meinem Kundenkreis mit Kinderkrebs in Kontakt geraten. Wenn ich nämlich nicht für Keinsteins Kiste schreibe, helfe ich Schulkindern und Jugendlichen – nicht nur mit Chemie und Naturwissenschaften, sondern auch und vor allem mit Mathe und Deutsch.
Das passiert im „richtigen Leben“ nicht…oder?
Ende letzter Woche ist nun einer meiner Nachhilfe-Schüler ohne Abmeldung nicht zum Unterricht gekommen. Nachdem er die vorherige Woche schon wegen Krankheit abgemeldet war. Normalerweise ist der Vater des Jungen sehr verlässlich, wenn es ums Abmelden geht. Da ging mir zumindest flüchtig durch den Kopf: „Hoffentlich ist da nichts schlimmeres…“ Aber wird schon nicht, so etwas passiert schliesslich nicht in meinem Umfeld.
Eine kurze Nachfrage beim Vater meines Schüler förderte rasch zu Tage, wie töricht diese Annahme doch ist: Der Junge, so seine Antwort, sei immer noch im Spital, die Diagnose sei leider Lymphknotenkrebs. Oh mann. Ich hätte nicht gedacht, dass so eine Mail mich derart umhauen kann. Was muss da solch eine Nachricht bloss bei Eltern auslösen? Dass sie vergessen haben, den Sohn bei mir abzumelden, wird da plötzlich mehr als nachvollziehbar. So viel Wichtigeres gibt es nun, was ihnen im Kopf herumgehen wird.
Und ich? Ich habe mir für die Antwort auf das Mail Zeit gelassen. Mich über Lymphknotenkrebs bei Kindern informiert. Um dann besonnene, hoffentlich kraftspendende Worte zu finden. Denn Kraft und Mut wünsche ich meinem Schüler – und allen anderen betroffenen Kindern und Familien – ganz viel, um bald wieder so gesund wie möglich zu werden.
Ist Lymphknotenkrebs heilbar?
So gesund wie möglich… gerade bei Lymphomen – wie die Krebsärzte die Lymphknotenkrebs-Arten nennen – ist da heute schon eine ganze Menge möglich. Fleissigen und tapferen grossen und kleinen Forschern sei Dank. Tatsächlich ist die Gruppe der Lymphknoten-Krebsarten die Dritthäufigste bei Kindern – nach den Leukämien und den Hirntumoren. So können heute weit mehr als vier von fünf Kindern mit einem (erstmals auftretenden) Lymphom geheilt werden, nämlich:
- Mehr als 19 von 20 (95%) mit einem Hodgkin-Lymphom (auch „Morbus Hodgkin“, wie viele Krankheiten (lat. „morbus“ = Krankheit) nach dem sie erstmals beschreibenden Arzt benannt)
- 9 von 10 (90%) mit einem Non-Hodgkin-Lymphom (alle anderen Lymphome, die nicht „Morbus Hodgkin“ sind)
(Zahlen in diesem Artikel – sofern nichts anderes genannt – und Einzelheiten zu den Lymphomen, ihrer Diagnose und Behandlung: Kinderkrebsinfo.de)
Das gelingt, weil die Ärzte heute nach vielen Studien schon sehr genau wissen, wie sie und ihre Patienten mit Lymphknotenkrebs fertig werden können. Mit Hilfe dieser Studien konnten Ärzte und Forscher nämlich ziemlich ausführliche Protokolle, also „Anleitungen“ erstellen, in welchen genau steht, welche Methoden und welche Medikamente bei welcher Lymphom-Art wann zum Einsatz kommen sollten, was sie bewirken sollen und was man als nächstes macht, wenn sie das nicht tun.
Aber wo genau hilft die Forschung weiter?
Auf dem Weg zu diesen ausgeklügelten Anleitungen haben die Forscher in den letzten 40 Jahren – und werden fortlaufend – viele entscheidende Fortschritte gemacht. Ein paar der aktuellen Fortschritte und Forschungsfelder möchte ich euch heute im Rahmen von etwas Hintergrundwissen rund um Lymphome vorstellen.
Was bedeutet „Lymphknotenkrebs“?
Die klassische Vorstellung von Krebs ist wohl die von einem ungehemmt wuchernden Zellklumpen an einer bestimmten Stelle des Körpers (ein sogenannter „solider Tumor“). Ein solcher kann oft in einer Operation entfernt werden, bevor mit Chemotherapie und/oder Bestrahlung verhindert werden soll, dass aus dem einen Tumor weitere hervorgehen.
Ein Lymphom ist kein „greifbar“ festes Ding
Bei „Lymphknotenkrebs“, also einem Lymphom, geht das nicht so einfach (es sei denn, man hat Riesenmegaglück und bemerkt ihn wirklich sehr, sehr früh). Der entsteht nämlich, wie der Name sagt, im lymphatischen System. Und mit „lymphatisches System“ meinen die Mediziner die Gesamtheit aller Organe, die zu unserem Immunsystem gehören.
Das sind eben die Lymphknoten, die als „Polizeiposten“ des Immunsystems über den ganzen Körper verteilt und mit Immunzellen (hier: „Lymphozyten“) besetzt sind, die Lymphgefässe, die als Verkehrswege für die Immunzellen die Knoten miteinander und mit allen Körperregionen verbinden, das Knochenmark, in welchem die Immunzellen hergestellt werden, die Thymusdrüse, in welcher die Immunzellen lernen, was sie zu tun haben, und verschiedene andere Organe und Gewebe. Mit anderen Worten: Das lymphatisches System ist überall.
„Lymphknotenkrebs“ entsteht nun, wenn Lymphozyten – jene Immunzellen, die das lymphatische System bevölkern, durch Abschreibfehler oder Beschädigung ihres Erbguts von aussen zu unkontrollierbaren Rabauken werden. Bei einem Hodgkin-Lymphom entstehen die Krebszellen aus den sogenannten B-Lymphozyten, bei den Non-Hodgkin-Lymphomen können es B- oder T-Lymphozyten sein. Und so, wie diese Immunzellen überall (aber vornehmlich im Lymphsystem) sein können, können auch die Krebszellen überall (aber vornehmlich im Lymphsystem) sein.
Wie macht sich Lymphknotenkrebs bemerkbar?
Häufig beginnen die Krebszellen in einem (oder wenigen) Lymphknoten ihr Unwesen zu treiben. Der schwillt dann an (tut aber in der Regel nicht weh) und kann, wenn er aussen liegt, unter der Haut ertastet werden (zum Beispiel am Hals, unter den Achseln oder in der Leistengegend). Das passiert aber häufig auch bei „harmlosen“ Infektionen, zum Beispiel mit Viren. Geschwollene Lymphknoten sind also in den meisten Fällen kein Grund zur Sorge, sondern ein Hinweis, dass ihr das Bett hüten und einen Infekt auskurieren solltet.
Wenn sie aber länger geschwollen bleiben oder gar grösser werden, wenn anhaltende Beschwerden wie:
- Husten/Kurzatmigkeit bei Befall im Brustraum
- Bauch- oder Rückenschmerzen bzw. Durchfall bei Befall im Bauchraum
- Gliederschmerzen bei Befall der Knochen
- Anämie-Anzeichen bei Befall des Knochenmarks
- anhaltendes oder wiederkehrendes Fieber ohne klare Ursache
- extremes Schwitzen in der Nacht
- schneller, nicht erklärbarer Gewichtsverlust (mehr als 10% in 6 Monaten)
dazu kommen oder allein auftreten, dann sollte ein Arzt untersuchen, was die Ursache dafür ist. Neben ganz vielen anderen Ursachen, unter welchen viele weit häufiger und weniger dramatisch sein werden, ist Lymphknotenkrebs dann nämlich auch eine Möglichkeit. Und der verläuft ohne Behandlung in aller Regel tödlich. Mit der Behandlung nach dem heutigen wissenschaftlichen Stand kann er jedoch in den meisten Fällen geheilt werden.
Wie wird die Diagnose Lymphknotenkrebs gestellt?
Wenn der Verdacht auf Lymphknotenkrebs sich erhärtet, muss schliesslich im Spital ein Lymphknoten herausoperiert werden (wenn der aussen liegt und tastbar ist, geht das meist recht einfach unter örtlicher Betäubung), damit ein Spezialist sich die Zellen darin unter dem Mikroskop ansehen kann. Nur daran, wie die Zellen aussehen, kann man nämlich erkennen, ob sie Krebszellen sind und wenn ja, mit welcher Sorte Lymphom man es zu tun hat.
Danach machen sich die Ärzte mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, Röntgenaufnahmen, Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) und Positronenemissionstomographie (PET, meist in Kombinantion als PET-CT oder/und PET-MRT) auf die Suche nach weiteren Krebszellen. Das klingt nicht nur nach Star Trek, sondern kommt dem schon ziemlich nahe! Mit modernen Maschinen wird dabei nämlich das Innere des Körpers sichtbar gemacht, ohne ihn öffnen zu müssen. So tut das Aufnehmen der Bilder nicht weh – allenfalls ist das MRT-Gerät etwas laut und braucht Zeit.
Dank Studien, in welchen man gezeigt hat, wie genau solche Geräte Krebszellen erkennen und darstellen können, sind unangenehmere und riskantere Eingriffe wie die Knochenmarksbiopsie zur Diagnose von Lymphknotenkrebs bereits durch bildgebende „Star Trek“-Verfahren ersetzt worden!
Wie wird Lymphknotenkrebs behandelt?
Wenn alle Krebszellen im Körper gefunden sind, wird ein Patient in eine zu ihrer Verteilung und seiner Verfassung passende Gruppe eingeteilt und nach der zu ihm passenden Anleitung behandelt.
Da man Krebszellen, die überall verteilt sein und sich bewegen können, nicht einfach wegschneiden kann (es sei denn, man hat das Riesenmegaglück, dass zur Diagnose der einzige befallene Lymphknoten entfernt wurde), muss bei Lymphomen eine Chemotherapie mit verschiedenen Wirkstoffen gemacht werden, die, je nachdem, wie fortgeschritten die entdeckte Krankheit ist, ziemlich intensiv sein kann. Das Behandlungsprotokoll, das die Erfahrung aus bisherigen Studien zusammenfasst, beschreibt genau, welche Medikamente dabei wann zum Einsatz kommen. Dabei wird in regelmässigen Abständen überprüft (mit den bildgebenden „Star-Trek“-Verfahren), welcher Fortschritt beim Abtöten der Krebszellen gemacht wird.
Bei einem Hodgkin-Lymphom werden zudem die an einem bestimmten Punkt des Protokolls noch übrigen Krebszellen(-ansammlungen) bestrahlt (mit gebündelten Röntgenstrahlen oder mit Elementarteilchen). Bei den Non-Hodgkin-Lymphomen kommt Bestrahlung dagegen nur selten zum Einsatz.
Wird das Protokoll befolgt, sind an dessen Ende in den allermeisten Fällen so gut wie alle Krebszellen zerstört und die Kinder gelten vorläufig als geheilt. Vorläufig?
Kann der geheilte Lymphknotenkrebs wiederkommen?
Kann er. Bei durchschnittlich 11 von 100 Kindern mit Hodgkin-Lymphom und 25-35 von 100 Kindern mit Non-Hodgkin-Lymphomen beginnen die Krebszellen irgendwann von neuem damit, sich zu vermehren und auszubreiten. Das nennen die Ärzte dann ein „Rezidiv“ – einen Rückfall. Wenn das mehr als ein Jahr nach der ersten Behandlung passiert, stehen die Chancen, die Krankheit endgültig zu besiegen, immer noch äusserst gut. Wenn der Rückfall früher passiert, sind die Heilungschancen merklich kleiner.
Gibt es denn einen Plan B?
Ja, den gibt es: Bei einem hartnäckigen Rückfall oder auch wenn bei der Erstbehandlung die übliche Therapie nicht wirkt, kann in vielen Fällen eine Stammzelltransplantation (mit eigenen, vor Beginn der Krebsbehandlung entnommenen Stammzellen oder von einem Spender) zur Heilung führen.
Noch als ich eine junge Erwachsene war, hätte an dieser Stelle „Knochenmarktransplantation“ gestanden. Damals mussten die Stammzellen eines Spenders nämlich noch direkt aus dem Knochenmark entnommen werden (noch ein unangenehmer Eingriff), bevor sie dem Empfänger, dessen Immunsystem zuvor mit einer hochdosierten Chemotherapie regelrecht eingeebnet wird, übergeben werden konnten.
Heute können die Ärzte in den meisten Fällen stattdessen die Bildung von beweglichen Stammzellen im Spender anregen und sie aus dessen Blut „herausfiltern“. Danach kann der Spender gleich wieder nach Hause gehen, anstatt wie nach der Knochenmarksentnahme unter Vollnarkose noch ein paar Tage im Spital bleiben zu müssen. Auch den Patienten, die sich zur Eigenspende entschliessen, bleiben Narkose und OP auf diese Weise erspart. Somit haben Forscher auch in diesem Bereich äusserst nützliche Fortschritte gemacht.
Haben Chemotherapie und Strahlung nicht schlimme Nebenwirkungen?
Richtig. Und die beschränken sich leider nicht nur darauf, dass vielen Patienten während der Therapie ganz furchtbar schlecht wird. Denn die verwendeten Medikamente und Strahlen sind ja dazu gedacht, Zellen zu zerstören. Im besten Fall sind das die fiesen Krebszellen. Aber es lässt sich kaum vermeiden, dass auch die gesunden Zellen verschiedener Organe in Mitleidenschaft gezogen werden. Und das ist besonders bei Kindern kniffelig – die müssen ja noch wachsen und sollen eine sehr lange Zeit mit ihren Organen leben.
Und sie möchten vielleicht irgendwann einmal selbst Kinder haben. Letzteres kann für die sogenannten „Survivors“ – die „Überlebenden“ – einer Lymphknotenkrebs-Erkrankung schwierig, wenn nicht unmöglich werden. Denn manche in der Chemotherapie verwendeten Medikamente oder Strahlung im Bereich des Unterbauchs können ihre Fortpflanzungszellen schädigen.
Deshalb werden auch zu so gut erforschten Kinderkrebs-Arten wie den Lymphomen laufend klinische Studien gemacht. In diesen wird fleissig daran geforscht, genau solche Medikamente durch andere, welche nicht unfruchtbar machen oder andere Organschäden verursachen, zu ersetzen.
Behandlungsprotokolle werden stetig optimiert
Ausserdem werden die gefährdeten Organe der behandelten Kinder regelmässig überwacht, um Nebenwirkungen früh zu erkennen und zur Vermeidung von Schäden einen Plan B oder C im Protokoll einzuschlagen. Schliesslich werden die Ergebnisse und Entscheidungen der Krebsärzte für ihre Schützlinge in sogenannten Registern gesammelt. So können all diese Daten dazu beitragen, dass die „Anleitungen“ zur Behandlung von Lymphknotenkrebs bei Kindern stets auf dem neuesten Erfahrungsstand aller Kinderkrebs-Mediziner sind.
Dass ein aktueller Kenntnisstand wie „die optimale Behandlung von Lymphknotenkrebs bei Kindern“ sich ständig verändert, erweitert und verfeinert, ist in der Forschung ein ganz normaler Vorgang, der „gute Wissenschaft“ ausmacht. Eine allgemeingültige und unveränderliche Wahrheit gibt es nämlich nicht, wenn man wissenschaftlich arbeiten möchte. Das gilt auch für die bestmögliche Behandlung von Kinderkrebs.
Gute Wissenschaft ist teuer
Obwohl die Lymhome die drittgrösste Gruppe von Krebsarten bei Kindern sind, sind sie letztlich doch sehr selten. In Deutschland erkranken in einem Jahr rund 190 Kinder unter 15 Jahren neu an Lymphknotenkrebs – 80 an einem Hodgkin-Lymphom (davon gibt es wiederum 5 Arten in 2 Gruppen) und 110 an Non-Hodgkin-Lymphomen (die sich wiederum vielfach unterteilen lassen). Plump auf die Bevölkerungszahl der Schweiz heruntergebrochen entspricht das rund 19 Kindern hierzulande, davon 8 mit Morbus Hodgkin und 11 mit den anderen Lymphomen.
Am Rande: Bei etwa 1,3 Millionen Kindern (bis 15 Jahre) in der Schweiz ist es schon ziemlich unwahrscheinlich, dass eines, das an Lymphknotenkrebs erkrankt, ausgerechnet bei mir Nachhilfe nimmt. Aber eben: Unwahrscheinlich ist alles andere als unmöglich, und die Ursache für die allermeisten Krebserkrankungen ist schieres Pech – das letztlich jeden treffen kann.
Rein statistisch kommt damit jede Variante von Morbus Hodgkin in der Schweiz pro Jahr nur ein- bis zweimal vor (davon ausgehend, dass alle gleich häufig wären – was natürlich nicht ganz korrekt ist), die verschiedenen Non-Hodgkin-Lymphome jeweils noch seltener.
Kinderkrebs-Forschung wird von Non-Profit-Organisationen finanziert
Die vielen zur fortlaufenden Verbesserung einer Krebsbehandlung notwendigen Studien kosten eine Menge Geld – aber an so wenigen Patienten lässt sich kaum etwas verdienen. Trotzdem wünscht sich jede Familie mit einem kranken Kind, dass es möglichst schnell gesund werde und seine Krankheit zudem mit möglichst wenigen Langzeitfolgen überstehe.
Um das zu ermöglichen, wird die Forschung an Lymphknoten- und anderen Kinderkrebs-Arten teils vom Staat, teils durch Stiftungen und Spenden finanziert. Und solche Stiftungen und Spenden werden in Zukunft mehr denn je benötigt. Schliesslich sollen Kinder wie mein Nachhilfeschüler nicht nur geheilt werden, sondern auch ein möglichst gesundes Leben führen können. Dafür setzt sich der Verein Kinderkrebs Schweiz mit seiner Kampagne ein.
Eine Geschichte über das Leben
Die erschütternde Nachricht über meinen Nachhilfeschüler hat in mir eine Erinnerung an eine Geschichte geweckt, die ich als sehr ermutigend empfunden habe, als ich sie vor wenigen Jahren zufällig mithörte:
Ein alter Arzt erzählte von einem Freund – er hatte gemeinsam mit ihm studiert und beide Freunde waren Ärzte geworden. Im Laufe seines Lebens, also vor vielen Jahren, erkrankte der Freund an Krebs. Ich erinnere micht nicht, an welchem, aber es ging um eine der Krebsarten ohne festen Tumor, vielleicht sogar um ein Lymphom?
Die Krankheit nahm jedenfalls einen recht aggressiven Verlauf und gelangte schnell an einen Punkt, an welchem die behandelnden Ärzte des Freundes sagten: „Was wir jetzt noch tun können, ist eine aggressive Chemotherapie. Mit Nebenwirkungen und allem was dazugehört. Und wir können nicht garantieren, dass die Therapie etwas nützt.“
So kam der erkrankte Arzt zu seinem Freund (jenem alten Arzt, der die Geschichte erzählte) und fragte ihn um Rat. Was solle er tun? Mache die Plackerei mit der heftigen Chemotherapie bei solchen Aussichten überhaupt Sinn?
Statt einem Rat: Eine klare Darstellung der Lage
Der alte Arzt habe, so sagte er, geantwortet: „Pass auf, es gibt drei Möglichkeiten: Entweder du machst nichts und bist in einem halben Jahr tot. Oder du machst die Therapie, sie nützt nichts und du bist auch in einem halben Jahr tot. Oder du machst die Therapie, sie nützt etwas und du kannst weiterleben.“
Der Freund entschied sich für die Chance auf Leben und hat die Chemotherapie gemacht. Mit allem, was dazu gehört. Die Therapie hat funktioniert und er konnte etliche Jahre weiter leben – Jahre, in denen grosse Fortschritte in der Forschung gemacht wurden und neue Medikamente auf den Markt kamen. Und damit, so der alte Arzt, sei die betreffende Krebsart nun eine völlig andere Krankheit [als früher, zu Beginn der Geschichte]. Nämlich eine, mit der man vergleichsweise gut leben könne. Der Freund lebte zu dem Zeitpunkt, als ich die Geschichte hörte, immer noch – und das mit einer Lebensqualität, die das Leben lohnte.
So könnte der Slogan von Kinderkrebs Schweiz – „Ohne Forschung keine Heilung“ – ebenso gut lauten: „Ohne Forschung kein Leben“ . Heilung (im Sinne von Überleben) ist schliesslich nicht das Endziel – sondern ein Schritt zu einem möglichst gesunden und erfüllten Leben „danach“. Ein Schritt zum Erwachsenwerden, dem Ergreifen eines (Traum-)Berufs, vielleicht zur Gründung einer eigenen Familie.
Und ich wünsche meinem Schüler und allen anderen Kindern mit Krebs von ganzem Herzen, dass sie die Chance auf ein solches Leben erhalten. Mit Hilfe der fleissigen Ärzte und Forscher – und dem Geld von vielen Unterstützern, die den gleichen Wunsch hegen!