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Lymphknotenkrebs bei Kindern - Wie Forschung Heilung bringen kann

„Meine Familie hat Glück gehabt. So weit ich zurückdenken kann oder aus Erzählungen der Älteren weiss, hat bei uns noch kein Kind Krebs bekommen.“

So beginnt mein Artikel zur Aktion #4von5, der letztjährigen Kampagne des Vereins Kinderkrebs Schweiz. Darin erkläre ich – auch kindgerecht, was Krebs eigentlich ist, wie er entsteht und wie man Krebszellen bekämpfen kann.

Damals wie heute beteilige ich mich aus eigenem Antrieb und ohne Vergütung an der Kampagne. Es besteht kein Interessenkonflikt hinsichtlich des Inhalts in diesem Beitrag und dessen Publikation.

Vergangenes Jahr wünschte mir Leserin Eliane in einem Kommentar:

„…und ich hoffe, dir, deiner Familie und all deinen Bekannten bleibt das Glück weiterhin hold!“

Inzwischen ist ein Jahr vergangen und Kinderkrebs Schweiz hat eine neue Kampagne lanciert. Und weil das Schicksal manchmal wirklich ein mieser Verräter ist, hat meine Glückssträhne erst vor ein paar Tagen ein jähes Ende gefunden.

Meiner Familie geht es zwar weiterhin gut. Dafür bin ich unvermittelt in meinem Kundenkreis mit Kinderkrebs in Kontakt geraten. Wenn ich nämlich nicht für Keinsteins Kiste schreibe, helfe ich Schulkindern und Jugendlichen – nicht nur mit Chemie und Naturwissenschaften, sondern auch und vor allem mit Mathe und Deutsch.

Das passiert im „richtigen Leben“ nicht…oder?

Ende letzter Woche ist nun einer meiner Nachhilfe-Schüler ohne Abmeldung nicht zum Unterricht gekommen. Nachdem er die vorherige Woche schon wegen Krankheit abgemeldet war. Normalerweise ist der Vater des Jungen sehr verlässlich, wenn es ums Abmelden geht. Da ging mir zumindest flüchtig durch den Kopf: „Hoffentlich ist da nichts schlimmeres…“ Aber wird schon nicht, so etwas passiert schliesslich nicht in meinem Umfeld.

Eine kurze Nachfrage beim Vater meines Schüler förderte rasch zu Tage, wie töricht diese Annahme doch ist: Der Junge, so seine Antwort, sei immer noch im Spital, die Diagnose sei leider Lymphknotenkrebs. Oh mann. Ich hätte nicht gedacht, dass so eine Mail mich derart umhauen kann. Was muss da solch eine Nachricht bloss bei Eltern auslösen? Dass sie vergessen haben, den Sohn bei mir abzumelden, wird da plötzlich mehr als nachvollziehbar. So viel Wichtigeres gibt es nun, was ihnen im Kopf herumgehen wird.

Und ich? Ich habe mir für die Antwort auf das Mail Zeit gelassen. Mich über Lymphknotenkrebs bei Kindern informiert. Um dann besonnene, hoffentlich kraftspendende Worte zu finden. Denn Kraft und Mut wünsche ich meinem Schüler – und allen anderen betroffenen Kindern und Familien – ganz viel, um bald wieder so gesund wie möglich zu werden.

Ist Lymphknotenkrebs heilbar?

So gesund wie möglich… gerade bei Lymphomen – wie die Krebsärzte die Lymphknotenkrebs-Arten nennen – ist da heute schon eine ganze Menge möglich. Fleissigen und tapferen grossen und kleinen Forschern sei Dank. Tatsächlich ist die Gruppe der Lymphknoten-Krebsarten die Dritthäufigste bei Kindern – nach den Leukämien und den Hirntumoren. So können heute weit mehr als vier von fünf Kindern mit einem (erstmals auftretenden) Lymphom geheilt werden, nämlich:

  • Mehr als 19 von 20 (95%) mit einem Hodgkin-Lymphom (auch „Morbus Hodgkin“, wie viele Krankheiten (lat. „morbus“ = Krankheit) nach dem sie erstmals beschreibenden Arzt benannt)
  • 9 von 10 (90%) mit einem Non-Hodgkin-Lymphom (alle anderen Lymphome, die nicht „Morbus Hodgkin“ sind)

(Zahlen in diesem Artikel – sofern nichts anderes genannt – und Einzelheiten zu den Lymphomen, ihrer Diagnose und Behandlung: Kinderkrebsinfo.de)

Das gelingt, weil die Ärzte heute nach vielen Studien schon sehr genau wissen, wie sie und ihre Patienten mit Lymphknotenkrebs fertig werden können. Mit Hilfe dieser Studien konnten Ärzte und Forscher nämlich ziemlich ausführliche Protokolle, also „Anleitungen“ erstellen, in welchen genau steht, welche Methoden und welche Medikamente bei welcher Lymphom-Art wann zum Einsatz kommen sollten, was sie bewirken sollen und was man als nächstes macht, wenn sie das nicht tun.

Aber wo genau hilft die Forschung weiter?

Auf dem Weg zu diesen ausgeklügelten Anleitungen haben die Forscher in den letzten 40 Jahren – und werden fortlaufend – viele entscheidende Fortschritte gemacht. Ein paar der aktuellen Fortschritte und Forschungsfelder möchte ich euch heute im Rahmen von etwas Hintergrundwissen rund um Lymphome  vorstellen.

Was bedeutet „Lymphknotenkrebs“?

Die klassische Vorstellung von Krebs ist wohl die von einem ungehemmt wuchernden Zellklumpen an einer bestimmten Stelle des Körpers (ein sogenannter „solider Tumor“). Ein solcher kann oft in einer Operation entfernt werden, bevor mit Chemotherapie und/oder Bestrahlung verhindert werden soll, dass aus dem einen Tumor weitere hervorgehen.

Ein Lymphom ist kein „greifbar“ festes Ding

Bei „Lymphknotenkrebs“, also einem Lymphom, geht das nicht so einfach (es sei denn, man hat Riesenmegaglück und bemerkt ihn wirklich sehr, sehr früh). Der entsteht nämlich, wie der Name sagt, im lymphatischen System. Und mit „lymphatisches System“ meinen die Mediziner die Gesamtheit aller Organe, die zu unserem Immunsystem gehören.

Das sind eben die Lymphknoten, die als „Polizeiposten“ des Immunsystems über den ganzen Körper verteilt und mit Immunzellen (hier: „Lymphozyten“) besetzt sind, die Lymphgefässe, die als Verkehrswege für die Immunzellen die Knoten miteinander und mit allen Körperregionen verbinden, das Knochenmark, in welchem die Immunzellen hergestellt werden, die Thymusdrüse, in welcher die Immunzellen lernen, was sie zu tun haben, und verschiedene andere Organe und Gewebe. Mit anderen Worten: Das lymphatisches System ist überall.

„Lymphknotenkrebs“ entsteht nun, wenn Lymphozyten – jene Immunzellen, die das lymphatische System bevölkern, durch Abschreibfehler oder Beschädigung ihres Erbguts von aussen zu unkontrollierbaren Rabauken werden. Bei einem Hodgkin-Lymphom entstehen die Krebszellen aus den sogenannten B-Lymphozyten, bei den Non-Hodgkin-Lymphomen können es B- oder T-Lymphozyten sein. Und so, wie diese Immunzellen überall (aber vornehmlich im Lymphsystem) sein können, können auch die Krebszellen überall (aber vornehmlich im Lymphsystem) sein.

Wie macht sich Lymphknotenkrebs bemerkbar?

Häufig beginnen die Krebszellen in einem (oder wenigen) Lymphknoten ihr Unwesen zu treiben. Der schwillt dann an (tut aber in der Regel nicht weh) und kann, wenn er aussen liegt, unter der Haut ertastet werden (zum Beispiel am Hals, unter den Achseln oder in der Leistengegend). Das passiert aber häufig auch bei „harmlosen“ Infektionen, zum Beispiel mit Viren. Geschwollene Lymphknoten sind also in den meisten Fällen kein Grund zur Sorge, sondern ein Hinweis, dass ihr das Bett hüten und einen Infekt auskurieren solltet.

Wenn sie aber länger geschwollen bleiben oder gar grösser werden, wenn anhaltende Beschwerden wie:

  • Husten/Kurzatmigkeit bei Befall im Brustraum
  • Bauch- oder Rückenschmerzen bzw. Durchfall bei Befall im Bauchraum
  • Gliederschmerzen bei Befall der Knochen
  • Anämie-Anzeichen bei Befall des Knochenmarks
  • anhaltendes oder wiederkehrendes Fieber ohne klare Ursache
  • extremes Schwitzen in der Nacht
  • schneller, nicht erklärbarer Gewichtsverlust (mehr als 10% in 6 Monaten) 

dazu kommen oder allein auftreten, dann sollte ein Arzt untersuchen, was die Ursache dafür ist. Neben ganz vielen anderen Ursachen, unter welchen viele weit häufiger und weniger dramatisch sein werden, ist Lymphknotenkrebs dann nämlich auch eine Möglichkeit. Und der verläuft ohne Behandlung in aller Regel tödlich. Mit der Behandlung nach dem heutigen wissenschaftlichen Stand kann er jedoch in den meisten Fällen geheilt werden.

Wie wird die Diagnose Lymphknotenkrebs gestellt?

Wenn der Verdacht auf Lymphknotenkrebs sich erhärtet, muss schliesslich im Spital ein Lymphknoten herausoperiert werden (wenn der aussen liegt und tastbar ist, geht das meist recht einfach unter örtlicher Betäubung), damit ein Spezialist sich die Zellen darin unter dem Mikroskop ansehen kann. Nur daran, wie die Zellen aussehen, kann man nämlich erkennen, ob sie Krebszellen sind und wenn ja, mit welcher Sorte Lymphom man es zu tun hat.

Mikroskopaufnahme einer Gewebeprobe aus einem Lymphknoten mit Hodgkin-Lymphom (mit HE-Färbung – die Farbstoffe Hämatoxylin und Eosin machen erhöhen den Kontrast zwischen den einzelnen Bestandteilen von Zellen und Gewebe): Die grossen, hellen Zellen mit mehreren Zellkernen nennen die Mediziner „Hodgkin-Reed-Sternberg“-Zellen. Sie sind die Krebszellen des Hodgkin-Lymphoms. (CC BY-SA 3.0 by KGH via Wikimedia Commons)

Danach machen sich die Ärzte mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, Röntgenaufnahmen, Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) und Positronenemissionstomographie (PET, meist in Kombinantion als PET-CT oder/und PET-MRT) auf die Suche nach weiteren Krebszellen. Das klingt nicht nur nach Star Trek, sondern kommt dem schon ziemlich nahe! Mit modernen Maschinen wird dabei nämlich das Innere des Körpers sichtbar gemacht, ohne ihn öffnen zu müssen. So tut das Aufnehmen der Bilder nicht weh – allenfalls ist das MRT-Gerät etwas laut und braucht Zeit.

Dank Studien, in welchen man gezeigt hat, wie genau solche Geräte Krebszellen erkennen und darstellen können, sind unangenehmere und riskantere Eingriffe wie die Knochenmarksbiopsie zur Diagnose von Lymphknotenkrebs bereits durch bildgebende „Star Trek“-Verfahren ersetzt worden!

Wie wird Lymphknotenkrebs behandelt?

Wenn alle Krebszellen im Körper gefunden sind, wird ein Patient in eine zu ihrer Verteilung und seiner Verfassung passende Gruppe eingeteilt und nach der zu ihm passenden Anleitung behandelt.

Da man Krebszellen, die überall verteilt sein und sich bewegen können, nicht einfach wegschneiden kann (es sei denn, man hat das Riesenmegaglück, dass zur Diagnose der einzige befallene Lymphknoten entfernt wurde), muss bei Lymphomen eine Chemotherapie mit verschiedenen Wirkstoffen gemacht werden, die, je nachdem, wie fortgeschritten die entdeckte Krankheit ist, ziemlich intensiv sein kann. Das Behandlungsprotokoll, das die Erfahrung aus bisherigen Studien zusammenfasst, beschreibt genau, welche Medikamente dabei wann zum Einsatz kommen. Dabei wird in regelmässigen Abständen überprüft (mit den bildgebenden „Star-Trek“-Verfahren), welcher Fortschritt beim Abtöten der Krebszellen gemacht wird.

PET-CT-Gerät : Sieht nicht nur aus wie bei Star Trek, sondern kann hochauflösende Bilder vom Inneren des Körpers machen und (mit Hilfe eines Kontrastmittels) Krebszellen von gesunden Zellen unterscheidbar darstellen! (Brudersohn [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons )

Bei einem Hodgkin-Lymphom werden zudem die an einem bestimmten Punkt des Protokolls noch übrigen Krebszellen(-ansammlungen) bestrahlt (mit gebündelten Röntgenstrahlen oder mit Elementarteilchen). Bei den Non-Hodgkin-Lymphomen kommt Bestrahlung dagegen nur selten zum Einsatz.

Wird das Protokoll befolgt, sind an dessen Ende in den allermeisten Fällen so gut wie alle Krebszellen zerstört und die Kinder gelten vorläufig als geheilt. Vorläufig?

Kann der geheilte Lymphknotenkrebs wiederkommen?

Kann er. Bei durchschnittlich 11 von 100 Kindern mit Hodgkin-Lymphom und 25-35 von 100 Kindern mit Non-Hodgkin-Lymphomen beginnen die Krebszellen irgendwann von neuem damit, sich zu vermehren und auszubreiten. Das nennen die Ärzte dann ein „Rezidiv“ – einen Rückfall. Wenn das mehr als ein Jahr nach der ersten Behandlung passiert, stehen die Chancen, die Krankheit endgültig zu besiegen, immer noch äusserst gut. Wenn der Rückfall früher passiert, sind die Heilungschancen merklich kleiner.

Gibt es denn einen Plan B?

Ja, den gibt es: Bei einem hartnäckigen Rückfall oder auch wenn bei der Erstbehandlung die übliche Therapie nicht wirkt, kann in vielen Fällen eine Stammzelltransplantation (mit eigenen, vor Beginn der Krebsbehandlung entnommenen Stammzellen oder von einem Spender) zur Heilung führen.

Noch als ich eine junge Erwachsene war, hätte an dieser Stelle „Knochenmarktransplantation“ gestanden. Damals mussten die Stammzellen eines Spenders nämlich noch direkt aus dem Knochenmark entnommen werden (noch ein unangenehmer Eingriff), bevor sie dem Empfänger, dessen Immunsystem zuvor mit einer hochdosierten Chemotherapie regelrecht eingeebnet wird, übergeben werden konnten.

Heute können die Ärzte in den meisten Fällen stattdessen die Bildung von beweglichen Stammzellen im Spender anregen und sie aus dessen Blut „herausfiltern“. Danach kann der Spender gleich wieder nach Hause gehen, anstatt wie nach der Knochenmarksentnahme unter Vollnarkose noch ein paar Tage im Spital bleiben zu müssen. Auch den Patienten, die sich zur Eigenspende entschliessen, bleiben Narkose und OP auf diese Weise erspart. Somit haben Forscher auch in diesem Bereich äusserst nützliche Fortschritte gemacht.

Haben Chemotherapie und Strahlung nicht schlimme Nebenwirkungen?

Richtig. Und die beschränken sich leider nicht nur darauf, dass vielen Patienten während der Therapie ganz furchtbar schlecht wird. Denn die verwendeten Medikamente und Strahlen sind ja dazu gedacht, Zellen zu zerstören. Im besten Fall sind das die fiesen Krebszellen. Aber es lässt sich kaum vermeiden, dass auch die gesunden Zellen verschiedener Organe in Mitleidenschaft gezogen werden. Und das ist besonders bei Kindern kniffelig – die müssen ja noch wachsen und sollen eine sehr lange Zeit mit ihren Organen leben.

Und sie möchten vielleicht irgendwann einmal selbst Kinder haben. Letzteres kann für die sogenannten „Survivors“ – die „Überlebenden“ –  einer Lymphknotenkrebs-Erkrankung schwierig, wenn nicht unmöglich werden. Denn manche in der Chemotherapie verwendeten Medikamente oder Strahlung im Bereich des Unterbauchs können ihre Fortpflanzungszellen schädigen.

Deshalb werden auch zu so gut erforschten Kinderkrebs-Arten wie den Lymphomen laufend klinische Studien gemacht. In diesen wird fleissig daran geforscht, genau solche Medikamente durch andere, welche nicht unfruchtbar machen oder andere Organschäden verursachen, zu ersetzen.

Behandlungsprotokolle werden stetig optimiert

Ausserdem werden die gefährdeten Organe der behandelten Kinder regelmässig überwacht, um Nebenwirkungen früh zu erkennen und zur Vermeidung von Schäden einen Plan B oder C im Protokoll einzuschlagen. Schliesslich werden die Ergebnisse und Entscheidungen der Krebsärzte für ihre Schützlinge in sogenannten Registern gesammelt. So können all diese Daten dazu beitragen, dass die „Anleitungen“ zur Behandlung von Lymphknotenkrebs  bei Kindern stets auf dem neuesten Erfahrungsstand aller Kinderkrebs-Mediziner sind.

Dass ein aktueller Kenntnisstand wie „die optimale Behandlung von Lymphknotenkrebs bei Kindern“ sich ständig verändert, erweitert und verfeinert, ist in der Forschung ein ganz normaler Vorgang, der „gute Wissenschaft“ ausmacht. Eine allgemeingültige und unveränderliche Wahrheit gibt es nämlich nicht, wenn man wissenschaftlich arbeiten möchte. Das gilt auch für die bestmögliche Behandlung von Kinderkrebs.

Gute Wissenschaft ist teuer

Obwohl die Lymhome die drittgrösste Gruppe von Krebsarten bei Kindern sind, sind sie letztlich doch sehr selten. In Deutschland erkranken in einem Jahr rund 190 Kinder unter 15 Jahren neu an Lymphknotenkrebs – 80 an einem Hodgkin-Lymphom (davon gibt es wiederum 5 Arten in 2 Gruppen) und 110 an Non-Hodgkin-Lymphomen (die sich wiederum vielfach unterteilen lassen). Plump auf die Bevölkerungszahl der Schweiz heruntergebrochen entspricht das rund 19 Kindern hierzulande, davon 8 mit Morbus Hodgkin und 11 mit den anderen Lymphomen.

Am Rande: Bei etwa 1,3 Millionen Kindern (bis 15 Jahre) in der Schweiz ist es schon ziemlich unwahrscheinlich, dass eines, das an Lymphknotenkrebs erkrankt, ausgerechnet bei mir Nachhilfe nimmt. Aber eben: Unwahrscheinlich ist alles andere als unmöglich, und die Ursache für die allermeisten Krebserkrankungen ist schieres Pech – das letztlich jeden treffen kann.

Rein statistisch kommt damit jede Variante von Morbus Hodgkin in der Schweiz pro Jahr nur ein- bis zweimal vor (davon ausgehend, dass alle gleich häufig wären – was natürlich nicht ganz korrekt ist), die verschiedenen Non-Hodgkin-Lymphome jeweils noch seltener.

Kinderkrebs-Forschung wird von Non-Profit-Organisationen finanziert

Die vielen zur fortlaufenden Verbesserung einer Krebsbehandlung notwendigen Studien kosten eine Menge Geld – aber an so wenigen Patienten lässt sich kaum etwas verdienen. Trotzdem wünscht sich jede Familie mit einem kranken Kind, dass es möglichst schnell gesund werde und seine Krankheit zudem mit möglichst wenigen Langzeitfolgen überstehe.

Um das zu ermöglichen, wird die Forschung an Lymphknoten- und anderen Kinderkrebs-Arten teils vom Staat, teils durch Stiftungen und Spenden finanziert. Und solche Stiftungen und Spenden werden in Zukunft mehr denn je benötigt. Schliesslich sollen Kinder wie mein Nachhilfeschüler nicht nur geheilt werden, sondern auch ein möglichst gesundes Leben führen können. Dafür setzt sich der Verein Kinderkrebs Schweiz mit seiner Kampagne ein.

Eine Geschichte über das Leben

Die erschütternde Nachricht über meinen Nachhilfeschüler hat in mir eine Erinnerung an eine Geschichte geweckt, die ich als sehr ermutigend empfunden habe, als ich sie vor wenigen Jahren zufällig mithörte:

Ein alter Arzt erzählte von einem Freund – er hatte gemeinsam mit ihm studiert und beide Freunde waren Ärzte geworden. Im Laufe seines Lebens, also vor vielen Jahren, erkrankte der Freund an Krebs. Ich erinnere micht nicht, an welchem, aber es ging um eine der Krebsarten ohne festen Tumor, vielleicht sogar um ein Lymphom?

Die Krankheit nahm jedenfalls einen recht aggressiven Verlauf und gelangte schnell an einen Punkt, an welchem die behandelnden Ärzte des Freundes sagten: „Was wir jetzt noch tun können, ist eine aggressive Chemotherapie. Mit Nebenwirkungen und allem was dazugehört. Und wir können nicht garantieren, dass die Therapie etwas nützt.“

So kam der erkrankte Arzt zu seinem Freund (jenem alten Arzt, der die Geschichte erzählte) und fragte ihn um Rat. Was solle er tun? Mache die Plackerei mit der heftigen Chemotherapie bei solchen Aussichten überhaupt Sinn?

Statt einem Rat: Eine klare Darstellung der Lage

Der alte Arzt habe, so sagte er, geantwortet: „Pass auf, es gibt drei Möglichkeiten: Entweder du machst nichts und bist in einem halben Jahr tot. Oder du machst die Therapie, sie nützt nichts und du bist auch in einem halben Jahr tot. Oder du machst die Therapie, sie nützt etwas und du kannst weiterleben.“

Der Freund entschied sich für die Chance auf Leben und hat die Chemotherapie gemacht. Mit allem, was dazu gehört. Die Therapie hat funktioniert und er konnte etliche Jahre weiter leben – Jahre, in denen grosse Fortschritte in der Forschung gemacht wurden und neue Medikamente auf den Markt kamen. Und damit, so der alte Arzt, sei die betreffende Krebsart nun eine völlig andere Krankheit [als früher, zu Beginn der Geschichte]. Nämlich eine, mit der man vergleichsweise gut leben könne. Der Freund lebte zu dem Zeitpunkt, als ich die Geschichte hörte, immer noch – und das mit einer Lebensqualität, die das Leben lohnte.

So könnte der Slogan von Kinderkrebs Schweiz – „Ohne Forschung keine Heilung“ – ebenso gut lauten: „Ohne Forschung kein Leben“ . Heilung (im Sinne von Überleben) ist schliesslich nicht das Endziel – sondern ein Schritt zu einem möglichst gesunden und erfüllten Leben „danach“. Ein Schritt zum Erwachsenwerden, dem Ergreifen eines (Traum-)Berufs, vielleicht zur Gründung einer eigenen Familie.

Und ich wünsche meinem Schüler und allen anderen Kindern mit Krebs von ganzem Herzen, dass sie die Chance auf ein solches Leben erhalten. Mit Hilfe der fleissigen Ärzte und Forscher – und dem Geld von vielen Unterstützern, die den gleichen Wunsch hegen!

Was ist Krebs? - Zellbiologie erklärt zur Solidaritätskampagne von Kinderkrebs Schweiz

Meine Familie hat Glück gehabt. So weit ich zurückdenken kann oder aus Erzählungen der Älteren weiss, hat bei uns noch kein Kind Krebs bekommen. In Retos Familie ist das anders. Reto hat eine seiner Schwestern nie kennengelernt. Denn sie ist vor seiner Geburt an Leukämie gestorben – der häufigsten Krebs-Sorte, die Kinder bekommen.

Das ist jetzt über 40 Jahre her. Und trotzdem spüre ich bis heute die selischen Narben, die dieses furchtbare Schicksal bei Retos Familie hinterlassen hat. So etwas sollte keine Familie durchmachen müssen.

Heute – 40 Jahre später – kommt es schon weniger oft so weit. Heute werden nämlich vier von fünf Kindern, die Krebs bekommen, wieder gesund. Das heisst – so gesund wie es eben möglich ist. Denn der Kampf gegen den Krebs ist bis heute für den Körper und die Seele schrecklich anstrengend und ermüdend. Und für kleine Kinderkörper und -seelen ist er ganz besonders anstrengend.

Kinderkrebs Schweiz

Deshalb setzt sich der Dachverband Kinderkrebs Schweiz dafür ein, dass fleissig weiter an Mitteln gegen den Krebs geforscht wird, die den Kampf damit erleichtern, und damit aus 4 von 5 eines Tages 5 von 5 wieder gesunden Kindern werden.

Und auch jenen Kindern und Familien, die heute gegen den Krebs kämpfen müssen, möchte der Verein ein Stück Kraft und Zuversicht schenken. So sammelt Kinderkrebs Schweiz noch den ganzen September über eure lieben Wünsche an ein krebskrankes Kind auf dieser Website, um die schönsten darunter zu den Kindern zu bringen, die in den Kinderspitälern wegen Krebs behandelt werden müssen.

Mein Beitrag

Ganz gewiss haben die erkrankten Kinder selbst, ihre Geschwister, Eltern, Freunde und Verwandte ganz gewiss viele Fragen zu dem, was da mit ihnen bzw. ihren Angehörigen geschieht. Darum widme ich meinen heutigen Beitrag allen Kindern und Familien, die dieses schwere Schicksal teilen oder miterleben. Und ich versuche, darin einige Antworten in Worte für Kinder (und Laien) zu kleiden.

Was ist Krebs?

Krebs ist, wenn das Material, aus welchem euer Körper besteht, ungebremst zu wachsen beginnt. Und zwar dort, wo es nicht wachsen soll.

Bestimmt fragt ihr euch nun: Woraus besteht ein menschlicher Körper, und wie wächst er?

Woraus besteht dein Körper?

Der Körper jedes Menschen besteht aus winzigkleinen Zellen. Jede Zelle ist ein winziger Sack aus einer Haut aus Molekülen. Dieser Sack enthält (in der Regel) einen Zellkern und verschiedene winzige Organe, die für verschiedene „Körperfunktionen“ der Zelle zuständig sind. Im Zellkern ist das Erbgut der Zelle, die DNA, gelagert. Das ist eine Sammlung von Bauplänen für alle Bestandteile der Zellen und alle Stoffe, die die Zellen herstellen können.

Die Zellen sind so unglaublich klein, dass ihr sie ohne ein Mikroskop nicht sehen könnt. Ein erwachsener Mensch besteht aus 100 Billionen von ihnen – das sind 100’000’000’000’000, also 1000 x 1000 x 1000 x 1000 x 100, oder eine 1 mit vierzehn Nullen!

menschliche Zellen unter dem Fluoreszenzmikroskop: Der Zellkern ist blau, das Zellskelett grün gefärbt

Menschliche Körperzellen unter dem Mikroskop: Die Zellkerne mit der DNA sind mit blauer, das „Skelett“ der Zellen, welches zu ihrer Hülle gehört, mit grüner „Leuchtfarbe“ eingefärbt. So leuchten sie unter einer UV-Lampe in diesen Farben auf – sie fluoreszieren. Ein Mikroskop mit einer UV-Lampe nennt man deshalb „Fluoreszenz-Mikroskop“. Mit einem solchen wurde dieses Bild gemacht. ( By ZEISS Microscopy from Germany [CC BY 2.0 ], via Wikimedia Commons)

Wie ein Mensch entsteht

Jeder Mensch bestand am Anfang seines Lebens aus einer einzigen Zelle, die durch Verschmelzung von Mamas Eizelle und Papas Spermienzelle entstanden ist (wie das geht, habe ich hier beschrieben). Diese eine Zelle hat ihre ganze Bauplan-Sammlung abgeschrieben, ihre Bestandteile allesamt noch einmal hergestellt und sich schliesslich geteilt. Und die beiden neuen Zellen haben das gleiche getan. Und noch einmal, und noch einmal.

Durch die Auswahl von bestimmten Bauplänen aus der Sammlung wurden einige der neuen Zellen zu Knochen- andere zu Muskel-, zu Haut-, zu Augen-, zu Herz- und Lungen- und Blut- und vielen anderen verschiedenen Zellsorten, aus denen ein vollständiger Körper besteht.

Und sie werden es noch. Damit Kinder immer grösser werden können, müssen ständig neue Zellen her. Selbst in den Körpern von Erwachsenen gibt es Zellen, die sich das ganze Menschenleben lang teilen. Hautzellen und Blutzellen (die ständig durch neue ersetzt werden) gehören dazu, aber auch solche, aus denen Haare und Fingernägel wachsen.

Wenn aus Wachstum Krebs wird

Damit einem Menschen genau zwei gerade Arme und Beine und passende Organe in der richtigen Grösse wachsen, enthalten die Baupläne in den Zellen Angaben und Regeln, wie schnell und wann welche Zellen sich wohin ausbreiten und welche Stoffe sie wann in welcher Menge herstellen sollen.

Molekülmodell eines DNA-Abschnitts

Ein kleines Stück eines DNA-Moleküls: Kohlenstoff-Atome sind grau, Wasserstoff-Atome weiss, Sauerstoff-Atome rot, Stickstoff-Atome violett und Phosphor-Atome gelb. Die Art und Weise, wie diese Atome miteinander verbunden sind, ist eine Art Geheimschrift: Sie kann in die Baupläne für unsere Zellen übersetzt werden!

Empfindliche Baupläne

Nun ist die DNA ist ein chemisches Molekül wie andere auch. Das heisst, sie kann in chemische Reaktionen verwickelt werden: Die Begegnung mit anderen, angriffslustigen Molekülen, oder der Einfluss von Licht oder anderer Strahlung kann dazu führen, dass Atome der DNA augetauscht werden oder verloren gehen. Oder dass Atome dazu kommen, die nicht zum Bauplan gehören. Ausserdem kommt es vor, dass die Zellen beim Abschreiben ihrer Baupläne für die Zellteilung Schreibfehler machen.

Deshalb gibt es in jeder Zelle Proteine, die ständig Korrektur lesen und Fehler oder Schäden an der DNA ausbessern. Und wenn sich etwas gar nicht mehr reparieren lässt, befehlen sie der einzelnen Zelle, lieber Selbstmord zu machen, bevor dem Körper etwas schlimmeres passiert.

Niemand ist perfekt – auch die Korrekturleser in den Zellen nicht

Wenn die „Rechtschreib“-Kontrolleure einer Zelle allerdings einen Fehler übersehen, passieren schlimme Dinge. Besonders dann, wenn der übersehene Fehler eine jener Regeln unlesbar macht, die die Zellteilung und damit das Wachstum von Körperteilen ordnen und begrenzen soll. Dann bleibt eine Zelle übrig, die ihre Grenzen nicht mehr kennt, sich unkontrolliert teilen kann und vielleicht sogar Stoffe von sich gibt, die kein Mensch braucht. Kurzum: Das ist ein furchtbar schlecht erzogener Rabauke – eine Krebszelle.

Und das schlimmste ist: Wenn die Krebszelle sich erneut teilt, schreibt sie den Fehler ganz ungeniert mit ab. So gibt es dann bald zwei von der schlimmen Sorte, dann vier, dann acht…

Im glücklichen Fall kommt ein Spezialagent des Immunsystems, eine „natürliche Killerzelle“ (über die und ihre Kollegen vom Immunsystem ihr hier mehr lesen könnt), vorbei und erkennt eine einzelne oder wenige Krebszelle/n von aussen. Dann gibt die natürliche Killerzelle ihnen sofort den Befehl zum Selbstmord – und schafft das Problem so aus der Welt.

Ein Tumor entsteht

Im unglücklichen Fall teilen sich die Krebszellen aber unbemerkt weiter und wuchern da hin, wo es ihnen gerade passt. Und uns nicht. Aus ein paar Zellen wird so ein Haufen, aus dem Haufen ein Gewebeknötchen, aus dem Knötchen eine Geschwulst, die wir spüren und manchmal sogar sehen können.

Manche dieser Zellen begnügen sich damit, ihre eigene Clique zu gründen, gemeinsam abzuhängen und einfach im Weg zu sein. Von solchen spricht man von einem „gutartigen“ Tumor. Der lässt sich meist einfach wegoperieren, wenn er stört, und die Sache ist in der Regel erledigt.

Wenn die Zellen aber richtige Rabauken sind, die sich mit „Ellbogen“ ihren Weg durch andere Zellgruppen in benachbarte Gewebe bahnen, handelt es sich um wirkliche Krebszellen, die einen „bösartigen“ Tumor bilden.

Schema: Krebszellen durchdringen eine Gewebegrenze

nach: Cancer Research UK (Original email from CRUK) [CC BY-SA 4.0 ], via Wikimedia Commons

Die fiesesten unter ihnen verlassen „ihren“ Tumor sogar irgendwann und reisen in der Blutbahn oder der Lymphe durch den Körper, um sich anderswo festzusetzen und Rabauken-Kolonien zu gründen. Die werden von den Krebs-Ärzten dann „Metastasen“ genannt.

Wie entstehen unerkannte Schreibfehler?

Schreibfehler entstehen dort, wo abgeschrieben wird. Wann und wo genau ein Abschreibfehler passiert und übersehen wird, ist letztenendes reines Pech. Für Pech gilt aber: Je mehr abgeschrieben wird, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass dabei mal ein Fehler passiert und der Korrektur entgeht.

Alles in allem sind schlimme Schreibfehler besonders wahrscheinlich wenn

  • in den Körpern älterer Menschen die Korrekturleser nachlässig werden
  • äussere Einflüsse (z.B. Strahlung) die DNA häufiger beschädigen
  • viele andere Moleküle/Atome mit der DNA reagieren können
  • Fehler schon in der ersten Zelle eines Kindes vorhanden waren und so vererbt wurden
  • bestimmte Viren ihr Erbgut in die DNA von Zellen einbauen und dabei die Teilungsregeln beschädigen (gegen einige dieser Viren, wie das Gebärmutterhalskrebs-Virus HPV oder den Erreger der Leberentzündung Hepatitis kann man sich aber impfen lassen!)
  • und vor allem: Wenn in Zellen, die sich häufig, schnell und fortlaufend teilen, naturgemäss viel abgeschrieben wird
    → dazu gehören nachwachsende Gewebe wie die Haut
    → und die Zellen in Körpern von Kindern – denn Kinderkörper wachsen ja noch

In welchen Körperteilen kann Krebs entstehen?

Grundsätzlich in praktisch allen. Und obwohl man meinen könnte, dass das ganz besonders für Kinder gilt, bekommen Kinder anderswo Krebs als Erwachsene und alte Menschen. Warum das so ist, haben die Forscher noch nicht wirklich herausgefunden.

Besonders häufig – in drei Vierteln aller Fälle – werden bei Kindern nämlich die Zellen des Immunsystems und ihre Vorläufer (45%: 33% Leukämien, 12% (Non-)Hodgkin-Lymphome) oder die Zellen von Gehirn und Nerven (30%: 20% Hirn und Rückenmark, 7% sympathisches Nervensystem, 3% Augenkrebs) zu bösartigen Rabauken.

(Zahlen: Krebsliga Schweiz)

Augenkrebs?! Warum steht der hier unter Hirn und Nerven?

Ja, Augenkrebs gibt es wirklich. Der kommt aber nicht davon, dass ihr zu viel am Bildschirm sitzt oder schrille Farben anschaut, wie gern einmal behauptet wird. Stattdessen entstehen in der Netzhaut im Auge Rabauken-Zellen durch ebensolches Pech, wie bei anderen Krebsarten auch. Und die Netzhaut ist streng genommen ein ausgelagerter Teil des Gehirns – deshalb ordne ich den Augenkrebs bei den Krebsarten der Nerven ein.

Zum Glück lässt sich so ein „Retinoblastom“ – so heisst der Augenkrebs in der Ärztesprache – leicht erkennen und gut behandeln. Wie das geht, erklärt Kinderkrebs Schweiz hier. Bei früher Erkennung werden sogar 19 von 20 statt 4 von 5 Kindern mit Augenkrebs wieder gesund!

Weitere Krebsarten bei Kindern

Dazu kommen Weichteilkrebs (also Muskeln, Fett- und Bindegewebe, 7%), Nierenkrebs (5%), Knochenkrebs (4%) und Krebs der zur Fortpflanzung gedachten Keimzellen (3%). Habt ihr mitgerechnet? Da fehlen noch 6% bis zu den runden 100%! Das sind wohl verschiedene, bei Kindern sehr seltene Krebsarten an anderen Körperteilen.

Warum bekommen Kinder gerade dort Krebs?

Während Nervengewebe tatsächlich besonders im Kindesalter wachsen, werden Blut- und Immunzellen das ganze Leben lang neu gebildet. Allein daran wie häufig sich Zellen teilen, lässt sich also nicht festmachen, wo Krebs entsteht. Warum Kinder an ganz bestimmten Stellen – und an anderen als Erwachsene – Krebs bekommen, müssen die Forscher erst noch herausfinden.

Wie kann man Krebs behandeln?

Der simpelste Weg, Rabaukenzellen loszuwerden ist, sie in einer Operation aus dem Körper heraus zu schneiden. Das geht bei gutartigen Geschwulsten (meistens) recht einfach. Bei Krebszellen, die wild in anderes Gewebe eindringen, ist es aber schwer bis unmöglich, sie wirklich alle wegzuschneiden. Und bei Krebsarten der Blutzellen ist das ganz unmöglich, weil die Rabauken dabei nicht an einem festen Ort versammelt, sondern im Körper verteilt und oft beweglich sind. Deshalb müssen sie auf andere Weise getötet werden.

Dazu verwenden kann man

Zellgifte = Chemotherapie

Diese Medikamente (sogenannte Zytostatika, d.h. „Zellbremsen“) stören Zellen bei der Teilung, in dem sie sich Beispiel an die DNA heften und so das Abschreiben der Baupläne verhindern. So entstehen keine neuen Krebszellen, während die alten Krebszellen an den Schreibblockaden sterben.

Cisplatin, ein nach wie vor häufig genutztes Medikament zur Chemotherapie, lagert sich an DNA an.

Moleküle des Chemotherapie-Medikaments „Cisplatin“ (in dessen Mitte befindet sich tatsächlich ein Platin-Atom) verbinden sich mit einem Strang der DNA-Doppelspirale. Die Abschreibe-Proteine der Zelle laufen die DNA-Stränge entlang und bleiben an einem solchen Hindernis hängen. So kann die DNA nicht weiter abgeschrieben werden. Das funktioniert bei den allermeisten Krebsarten – aber leider auch bei gesunden Zellen. (By AlchemistOfJoy [CC BY-SA 3.0 ], from Wikimedia Commons)

Solche Gifte wirken auf sich schnell teilenden Zellen besonders stark – also auf Krebszellen, aber auch auf solche, aus denen Haare wachsen oder Blutzellen entstehen. Deswegen fallen vielen Krebspatienten, die eine Chemotherapie erhalten, die Haare aus. Ausserdem werden auch viele andere Zellen bei ihrer Arbeit gestört – deshalb wird den Patienten von der Chemotherapie nicht selten furchtbar schlecht.

Damit all das nicht (oder weniger) geschieht, versuchen Forscher, die Zellgifte gut verpackt direkt zu den Krebszellen zu bringen und erst dort loszulassen. Oder sie erfinden neue Zellgifte, die Krebszellen (besser) von normalen Zellen unterscheiden können.

(Be-)Strahlung

Dass Strahlung die DNA-Baupläne beschädigen kann, hatte ich weiter oben schon erwähnt. Und wenn die Beschädigungen gross genug sind, sterben die Zellen daran. Auch die Krebszellen. Zudem kann man Strahlung genau auf bestimmte Stellen bündeln. Dazu können die Krebs-Ärzte Röntgenstrahlen (also sehr energiereiches, unsichtbares Licht) oder Elektronen bzw. Protonen (das sind winzige Teilchen, die auf Zellen wie Kanonenkugeln wirken) verwenden.

Auch wenn man solch einen Beschuss ziemlich genau auf ein Krebsgeschwulst richten kann, leiden darunter auch die gesunden Zellen in der Umgebung. So kann einem leider auch von der „Bestrahlung“ ziemlich schlecht werden.

Antikörper

Das sind ganz besondere Proteine, die normalerweise von Zellen des Immunsystems hergestellt werden, um Krankheitserreger zu erkennen und zur Bekämpfung zu markieren (wie das im Einzelnen vor sich geht, könnt ihr hier bei mir nachlesen). Krebsforscher versuchen nun, passende Antikörper zu den jeweiligen Krebszellen eines Patienten zu basteln. Wenn die ihr Ziel – die Krebszellen – finden und sich daran heften, rufen sie die Zellen des Immunsystems auf den Plan. Die können nun die Krebszellen (und bestenfalls nur die) gezielt angreifen und vernichten.

 

Zum Töten von Krebszellen NICHT verwenden kann man

Methoden und Mittel aus der „alternativen Medizin“

Wer gesagt bekommt, dass er Krebs hat, hat Angst. Angst um sein Leben und vor den unangenehmen Behandlungen, die auf ihn zukommen mögen. Das ist ganz natürlich. Genauso natürlich ist auch die Verlockung, die davon ausgeht, wenn jemand einen „einfacheren“, „sanften“ oder gar „natürlichen“ Weg verspricht, die fiesen Krebszellen wieder los zu werden.

Homöopathische „Medikamente“, Wunder- und Geistheiler, eine besondere Ernährungsweise oder das unsinnige Verwenden teils gefährlicher Chemikalien sind nur eine kleine Auswahl dessen, was den Menschen (auch) „gegen Krebs“ verkauft wird. Häufig deshalb, weil jemand damit viel Geld verdienen möchte.

Wo „alternative“ Methoden dennoch helfen können

Manche Vorgehensweisen aus dem Bereich „neben“ der Medizin können dennoch ihren Nutzen haben. Nämlich dann, wenn sie zur Begleitung der Behandlung durch den Krebs-Arzt (den „Onkologen“) angewendet werden. Dazu zählen besonders solche Dinge, bewirken, dass ein Patient mit Krebs sich besser fühlt, weniger Angst hat und weniger unter den Nebenwirkungen seiner Behandlung leidet.

Es ist aber ganz wichtig, solche Massnahmen immer mit dem Krebsarzt/den Krebsärzten zu besprechen. Viele solche Mittel und Methoden – auch solche, die ganz harmlos erscheinen – können nämlich mit den eigentlichen Krebsmedikamenten „in Streit“ geraten und deren Wirkung stören. NIE solltet ihr die eigentlichen Krebsmedikamente ohne Besprechung mit eurem Krebsarzt einfach weglassen, um „etwas anderes“ zu probieren!

Dazu, wie ihr hilfreiche Angebote für Krebskranke von den „Geldverdienern“ unterscheiden und sie gut mit eurem Krebs-Arzt besprechen könnt, hat die Krebsliga Schweiz eine tolle Broschüre herausgegeben, die ihr hier als .pdf-Datei herunterladen könnt.

Besondere Hochachtung habe ich übrigens vor den ehrenamtlichen Klinik- bzw. Spitalclowns, welche die (nicht nur krebs-)kranken Kinder im Spital besuchen und Freude in ihren schweren Alltag bringen. Lachen soll schliesslich sehr gesund sein! Die Clowns – wie meine treue Leserin Claudia alias „Clownine Kunst“ in Leipzig, Deutschland – kosten die jungen Patienten und ihre Familien in Regel gar nichts und haben gewiss eine grössere Wirkung als manch überteuertes „Mittelchen“.

Kann man die Krankheit Krebs ganz und gar besiegen?

DAS wirksame und nebenwirkungsarme Mittel gegen alle Krebsarten hat man leider noch nicht gefunden. Dazu kommt, dass die meisten Krebsbehandlungen zuerst für Erwachsene erfunden werden. Kinder funktionieren aber in vielen Dingen anders als Erwachsene. Denn Kinder müssen schliesslich noch wachsen. So muss für jedes neue Mittel noch einmal neu untersucht werden, ob und wie es auch bei Kindern eingesetzt werden kann.

Denn Kinder sollen schliesslich nicht nur gesund, sondern auch gross werden und ein möglichst normales Leben führen können.

Dazu wird immer wieder der Erfolg neuer Behandlungsweisen bei Kindern an mutigen jungen Patienten untersucht. Bei so einer „Frühen Klinischen Studie“ (Early Clinical Trial, ECT) werden Methoden und Medikamente, die z.B. bei Erwachsenen schon funktionieren, versuchsweise bei Kindern eingesetzt. Dabei passen die Ärzte ganz besonders genau auf ihre Schützlinge auf. Denn sie wollen schliesslich nicht nur „ihre“ Kinder gesund machen, sondern möglichst nützliche Ergebnisse sammeln, um später noch mehr Kinder gesund machen zu können.

Mein Wunsch an krebskranke Kinder

Deshalb lautet mein Wunsch für ein – eigentlich für alle krebskranken Kinder: Behaltet eure Zuversicht. Freut euch an den kleinen Dingen und geniesst es, euren schweren Alltag für ein paar Augenblicke zu vergessen. Immer wieder. Und ich wünsche euch, dass aus 4 von 5 schnell 5 von 5 werden: Dass bald ein Weg für euch erforscht wird, der leichter zu gehen und für euch alle zu schaffen ist!

Eure Kathi Keinstein