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Desinfektionsmittel - Was ist wirklich sinnvoll?

Der (oder das, beides ist richtig) neue Corona-Virus aus China alias COVID-19 bzw. SARS-CoV-2 ist in aller Munde – und Desinfektionsmittel erfreuen sich gerade grösster Beliebtheit. Selbst in unserem Dorfsupermarkt sind sie praktisch ausverkauft. Einige Medien veröffentlichen sogar Anleitungen für DIY-Hände-Desinfektionsmittel. „Das wäre doch ein Thema für Keinsteins Kiste“, meint mein Partner, als er ein solches Rezept liest.

Normalerweise bin ich ja für Alltags-Chemie zum Selbermachen sofort zu haben. Aber macht die Verwendung von Desinfektionsmitteln im Alltag überhaupt Sinn? Können wir uns damit vor Infektionen schützen? Oder hebeln die Nebenwirkungen solcher Mittel den Nutzen vollkommen aus?

Gleich vorweg: Die Antwort auf die letzte Frage lautet in der Regel „ja“. Deshalb bringe ich das erwähnte Rezept auch nicht als Experiment. Denn das Hamstern von Desinfektionsmitteln oder deren Bestandteilen ist für die meisten von uns nicht sinnvoll, sondern bereitet nur jenen, die wirklich darauf angewiesen sind, Schwierigkeiten bei der Beschaffung.

Stattdessen zeige ich euch, wie Desinfektionsmittel funktionieren und warum sie im Alltag meist mehr Probleme als Nutzen bringen. Und für Interessierte bzw. darauf Angewiesene verlinke ich im Verlauf das Original der verbreiteten Rezeptur.

Wie funktionieren Desinfektionsmittel?

Unsere Haut und unsere Umgebung sind von Myriaden Kleinstlebewesen besiedelt. Durch Berührung können sie von einer (Haut-)Oberfläche zur nächsten übertragen werden. Und einige dieser Mikroben können uns krank machen – besonders dann, wenn sie einen Weg durch offene Wunden finden oder/und unser Immunsystem nicht so funktioniert wie es soll.

Beides – Wunden und schlecht funktionierende Immunsysteme – findet man in Krankenhäusern, Arztpraxen und anderen Pflegeeinrichtungen besonders häufig. Deshalb gehört es zum Arbeitsalltag von Ärzten und Pflegern, sich immer wieder die Hände mit einem Desinfektionsmittel einzureiben. So wird die Gefahr minimiert, dass sie womöglich gefährliche Erreger von einem Patienten zum nächsten tragen.

Was ein Desinfektionsmittel können muss

Um das zu leisten muss ein Desinfektionsmittel verschiedene Gruppen von Erregern an den Händen (und medizinischen Geräten etc.) innerhalb kürzester Zeit unschädlich machen:

  • Bakterien
  • Pilze
  • Sporen der ersten beiden
  • Viren

Mit anderen Worten: Ein Desinfektionsmittel muss diese Mikroorganismen effektiv vergiften können. So kommen naturgemäss nur giftige Stoffe als Desinfektionsmittel in Frage.

Zum Glück haben wir Menschen diesen Mikroben einiges voraus:

  1. Wir sind Vielzeller (ein Mensch besteht aus rund   Zellen), während Bakterien und Pilze wie jene der Gattung „Candida“ Einzeller sind. Wenn uns ein paar Hautzellen verloren gehen, schadet uns das nicht sofort. Schliesslich hat unser Vielzeller-Körper Mittel, um solche Zellen zu ersetzen. Eine Bakterien- oder Einzeller-Pilzzelle, die tödlich beschädigt wird, bedeutet dagegen sofort ein totes Lebewesen.
  1. Unsere Zellen haben einen Zellkern, in dem unsere DNA weitgehend sicher verwahrt ist. Bakterienzellen haben dagegen keinen Zellkern. Das bedeutet auch, sie funktionieren anders als unsere Zellen. Sie sind somit gegenüber anderen (bzw. mehr) Dingen empfindlich als unsere Zellen (und die der Pilze!) mit Kern.

So ist es nicht schwer, Stoffe zu finden, die Einzellern den Garaus machen, für unsere eigenen Zellen aber nicht all zu schädlich sind.

Besonders kniffelig: Die „Keinzeller“ unter den Erregern

Viren sind hingegen gar keine Zellen, sondern winzige Erbgut-Pakete, die Zellen „kapern“ (indem sie sich von den Zellen aufnehmen lassen) und für ihre Vermehrung zweckentfremden können. Die Pakethülle von Viren besteht aus Membranlipiden und Proteinen, was sie lebenden Zellen chemisch ähnlich macht. Vergiften bzw. töten kann man sie dennoch nicht, da sie streng genommen gar nicht leben. „Zerstören“ träfe es da wohl besser. Mit etwas Glück kann ein Stoff, der für Bakterien giftig ist, auch einen Virus zerstören.

Elektronenmikroskop-Aufnahme von Corona-Virionen (ein einzelnes Virus-Partikel wird „Virion“ genannt) aus dem Jahr 1975: Die Stachel-„Krone“ (lat. corona) aus Hüllenproteinen gibt dieser Virus-Familie ihren Namen. Bilder von den aktuellen COVID-19-Erregern findet ihr hier!

Besonders kniffelig ist die Beseitigung von Sporen. Das sind stark gepanzerte Ableger von Bakterien oder Pilzen, aus denen sich neue Zellen entwickeln können. Ein Stoff, der Sporen ausschalten soll, muss durch deren Panzerung dringen (wofür er meist etwas mehr Zeit braucht) und so viel Schaden anrichten, dass eine Spore sich nicht mehr zur neuen Zelle entwickeln kann.

Welche Stoffe können das?

Oxidationsmittel

Die Allrounder unter den keimtötenden (d.h. bioziden) Stoffen sind Oxidationsmittel, insbesondere solche, die einzelne Sauerstoffatome freisetzen können. Solche Oxidationsmittel nehmen nämlich all zu gern anderen Molekülen Elektronen weg (die Moleküle werden damit oxidiert), wodurch sie verschiedenste Reaktionen in Gang setzen. Und diese Reaktionen beschädigen oder zerstören nicht zuletzt die Bestandteile von Lebewesen und ihnen ähnlichen Gebilden: Bakterien, Pilze, Viren und sogar Sporen.

Leider sind Oxidationsmittel nicht wählerisch, wenn es um ihre Reaktionspartner geht. So können sie unsere Körpergewebe ebenso schädigen wie die Mikroorganismen. Deshalb sind besonders starke Oxidationsmittel sowie höhere Konzentrationen für die Anwendung an Haut und Schleimhäuten nicht geeignet. In geringer Konzentration kommen am Körper zum Einsatz:

  • Wasserstoffperoxid (H2O2)
  • Natriumhypochlorit (NaOCl, wie H2O2 im medizinischen Bereich, z.B. beim Zahnarzt)
  • Chloramin T (eine organische Verbindung, die in Wasser Hypochlorit freisetzt)
  • Elementares Iod (in Präparaten zur Wunddesinfektion –> z.B. „Betaisodona“)
  • Benzalkoniumchlorid (

Andere Oxidationsmittel wie Chlordioxid („MMS“!), elementares Chlor, Ozon oder Peressigsäure sind hingegen nur für die Desinfektion von Gegenständen oder Wasser geeignet. In letzterem (z.B. im Schwimmbad) kommen Chlor oder Ozon in kleinsten Mengen mit uns in Kontakt, was wir an brennenden Augen und wunden Stellen leicht bemerken. Die haben es also wirklich in sich!

Aldehyde

Aldehyde oder chemisch korrekt „Alkanale“ sind hochwirksam gegen alle möglichen Bakterien (einschliesslich des besonders widerspenstigen Tuberkulose-Erregers), Pilze, Viren und Sporen. Aber leider auch gegen unsere eigenen Körper: Viele desinfizierende Aldehyde sind sehr giftig, weshalb sie nur zur Desinfektion von Oberflächen, Geräten und Räumen zum Einsatz kommen.

Alkohole

Der „Trinkalkohol“ Ethanol und verschiedene Varianten des Propanols sind bekannte Beispiele für desinfizierende Alkohole. Werden sie mit Wasser gemischt, können sie in (Bakterien)zellen eindringen und dafür sorgen, dass die Proteine darin ihre Form und damit ihre Funktion verlieren. Ein reiner Alkohol würde stattdessen schon die Proteine auf der Zelloberfläche zerstören und dann keinen Weg hinein mehr finden – sodass das Bakterium am Leben bliebe.

Auf der Haut angewendet sind sie für uns ungiftig (eingenommen dafür um so mehr – das weiss jeder, der schonmal einen Kater hatte), töten bzw. zerstören aber Bakterien (einschliesslich der Tuberkulose-Erreger), Pilze und Viren mit Hülle (es gibt auch Viren ohne Hülle, jedoch ist die Hülle ein wichtiges Werkzeug für das Kapern von Zellen, weshalb viele der uns krankmachenden Viren – z.B. Corona- und Influenza-Viren – eine Hülle haben). Den Sporen können Alkohole hingegen nichts anhaben.

Quartäre („Quaternäre“) Ammoniumverbindungen

Zum Beispiel Benzalkoniumchlorid. Diese organischen Moleküle enthalten (wie das Ammoniumion) ein positiv geladenes Stickstoffatom, an welches vier organische (kohlenstoff- und wasserstoffhaltige) Atomgruppen gebunden sind.

Benzalkoniumchlorid - eine quartäre Ammoniumverbindung als Konservierungs- und Desinfektionsmittel
Benzalkoniumchlorid(e): Davon gibt es mehrere Varianten mit unterschiedlich langen Seitenketten.

Diese Moleküle sind Tenside, können also gleichsam mit wasserliebenden und fettliebenden Oberflächen wechselwirken (was Tenside genau sind und was sie können erfahrt ihr hier). Wenn eine der Kohlenwasserstoff-Gruppen 8 bis 18 Kohlenstoffatome enthält, können die betreffenden Moleküle derart mit Zell-Aussenhüllen wechselwirken, dass diese beschädigt werden und die Zellen daran eingehen.

Das gilt leider ebenso für Bakterien wie für unsere eigenen Zellen. Deshalb ist Benzalkoniumchlorid als Konservierungsmittel für Medikamente (insbesondere Augentropfen) wegen seiner Nebenwirkungen umstritten.

Metallisches Silber oder Kupfer

Die Oberflächen dieser Metalle wirken schädlich – um nicht zu sagen tödlich – auf Bakterien, jedoch nicht auf die anderen  Erreger-Kandidaten (Pilze, Viren, Sporen). So sind Silberfäden als Mittel gegen Käsesocken und Kupfertürklinken als Beitrag zur Verminderung der Keim-Verbreitung in Krankenhäusern gefragt, aber längst kein Rundumschutz.

Eine ausführliche Liste mit weiteren desinfizierenden Verbindungsklassen, auch für die Haut-Desinfektion, findet ihr hier im Wikipedia-Artikel zur Desinfektion.

Und was taugt das DIY-Desinfektionsmittel aus den Medien?

Das Rezept, welches die Schweizer Gratis-Zeitung „20 Minuten“ vom österreichischen Portal „heute.at“ übernommen hat, stammt ursprünglich von der WHO. Gedacht ist es allerdings als Empfehlung für Apotheker und medizinsches Personal rund um den Globus, die auch unter einfachen Bedingungen Patienten versorgen müssen. Also ebenso für ein Ebola-Gebiet im Kongo wie für das Behelfsspital in Wuhan – aber auch für die Schweizer Apotheke um die Ecke.

Die Desinfektionslösung gemäss der WHO-Rezeptur besteht aus rund 83% Ethanol („Alkohol“) in destilliertem Wasser, mit einer kleineren Menge Glyzerin und ein wenig Wasserstoffperoxid dabei.

Das eigentliche Desinfektionsmittel darin ist der Alkohol. Wasserstoffperoxid in der geringen Menge dient dagegen mehr als eine Art Konservierungsmittel. Und das Glyzerin – ein verbreiteter Bestandteil von Kosmetikprodukten – soll der Haut die Feuchtigkeit erhalten.

Alle vier Stoffe sind in den allermeisten Ländern recht einfach und preisgünstig zu bekommen. Und sie funktionieren. So soll medizinisches Personal auf der ganzen Welt Zugang zu einfacher aber wirksamer Desinfektionslösung bekommen.

Doch was wirksam ist, hat naturgemäss auch unerwünschte (Aus-)Wirkungen:

Desinfektionsmittel bringen auch Schwierigkeiten durch…

Resistenzen

Insbesondere Bakterien können resistent gegenüber Desinfektionsmitteln werden (ähnlich wie gegenüber Antibiotika), wodurch die Desinfektionsmittel gegen solche Stämme unwirksam werden.

Schädigung der Haut

Ich habe während der Anfertigung meiner Diplomarbeit im Zellkulturlabor ein knappes Jahr lang regelmässig Hände und Arbeitsumgebung desinfizieren müssen (Bakterien und Pilze waren unser bzw. der Zellkulturen grösster Feind). Für die Hände hatten wir ein Desinfektionsmittel aus dem medizinischen Bereich (das blaue „Sterillium“), für die Arbeitsumgebung 70% Ethanol in destilliertem Wasser (das ist billiger als das Sterillium).

Ich habe schnell gelernt, ausserhalb der Arbeitszeit eine Handcreme zu verwenden, weil das ständige Desinfizieren zu trockener, gereizter Haut führte. Und was für mich nach einigen Monaten wieder vorbei war, taten unsere MTAs („Labortechniker“) ein (Arbeits-)Leben lang. Die Folge: Trotz Handcreme hatten sie rissige, dauergereizte Hände, um die ich meine Kolleginnen absolut nicht beneidet habe.

Wie kommt es dazu?

Die meisten Mikroorganismen auf unserer Haut machen nicht nur nicht krank, sondern schützen uns sogar vor schädlichen Keimen. Die finden bei intakter „Hautflora“ nämlich gar keinen Platz, um sich anzusiedeln. Desinfektionsmittel, die gegen Bakterien wirken, sind aber leider nicht wählerisch. Sie töten die erwünschten Hautbakterien ebenso wie die Krankmacher. Und ist die Hautflora einmal dezimiert, finden unerwünschte Gäste um so mehr Platz, um sich einzunisten.

Ausserdem entziehen die in Desinfektionslösungen enthaltenen Stoffe der Haut leicht Feuchtigkeit. Die Handcreme sollte den Folgen dessen entgegen wirken. Zudem enthält die „Sterillium“-Lösung Stoffe, die zur Erhaltung der Hautfeuchtigkeit beitragen sollen.

Gefahren für die Umwelt

Auch in Kläranlagen gibt es zahlreiche Bakterien, die dort wertvolle Reinigungsarbeit leisten, und zu einem „gesunden“ natürlichen Gewässer gehören Bakterien einfach dazu. Wenn nun Desinfektionsmittel – besonders in grösseren Mengen – nicht fachgerecht entsorgt werden (im Sonderabfall!), können sie das Ökosystem in Klärwerken oder natürlichen Gewässern empfindlich schädigen.

Daheim oder in der Medizin – Wo machen Desinfektionsmittel Sinn?

Im medizinschen Bereich

Wo kranke Menschen gepflegt, offene Wunden versorgt und schwache Immunsysteme häufig sind, trägt die Händedesinfektion Grosses zur Verminderung der Übertragung von Keimen bei. Medizinisches Personal reibt sich dazu mindestens vor und nach jedem Patientenkontakt die Hände mit einer alkoholhaltigen Desinfektionslösung für den medizinischen Bereich (z.B. das erwähnte „Sterillium“) ein. Dadurch wird der grösste Teil der Mikroorganismen auf der Haut – einschliesslich der nützlichen Hautflora – ausgeschaltet.

In den Tiefen unserer Haarwurzeln, gut geschützt unter einer Schicht Talg, überleben jedoch einige der wichtigen Hautbewohner (ohne einem Patienten direkt schaden zu können). Die können sich nach dem Verschwinden des Desinfektionsmittels ungehindert teilen und die Hautoberfläche neu besiedeln. Dank dessen und dank feuchtigkeitserhaltender Zusatzstoffe sollte sich der Schaden an den Händen des medizinschen Personals in Grenzen halten.

Und daheim?

Warum sollten wir diesen schützenden Effekt nicht auch in unserem Zuhause haben? Das zumindest denken sich Anbieter für desinfizierende Reiniger und Hand-Desinfektionsmitteln für die Alltagsgebrauch. Eine Stichprobe bei einem bekannten Anbieter (auf dessen Website, denn die Originale sind ja ausverkauft…) zeigt: Diese Alltags-Desinfektionsmittel sind anders zusammengesetzt als jene für den medizinischen Bereich, enthalten mitunter nur Alkohole und Wasser.

Und damit sind wir wieder bei den MTAs im Zellkulturlabor: Die hatten nämlich nicht nur die medizinische Desinfektionslösung, sondern, beim Auswischen der sterilen Werkbänke und Desinfektion von Instrumenten, auch das simple Gemisch von Ethanol und Wasser ständig an den Händen. Und das enthielt eben – wie so manches Alltags-Desinfektionsmittel – keine hautschützenden Zusätze. Dieser Umstand hat gewiss nicht zur Hautgesundheit – insbesondere bei langfristiger Anwendung – beigetragen.

Also nutzen wir doch lieber die Desinfektionslösungen für den medizinischen Bereich?

Die sollen ja – in Kombination mit einer guten Handcreme – für unsere Haut auch bei regelmässigem Gebrauch erträglich sein. Aber brauchen wir so viel Desinfektion überhaupt?

Warum wir Desinfektionsmittel im Alltag nicht brauchen (und wann doch)

Ein intaktes menschliches Immunsystem ist von Natur aus darauf angelegt, mit der Vielfalt der Mikroben in unserem alltäglichen Umfeld zurechtzukommen. Nicht zuletzt deshalb, weil viele davon uns als äusserst nützliche Mitbewohner begleiten.

Im Normalfall ist es daher im Alltag gar nicht nötig, regelmässig Desinfektionsmittel zu verwenden. Ausgenommen sind die Fälle, die eben nicht „normal“ sind:

  • Jemand im Haushalt ist krank und muss gepflegt werden (im Fall von akuten Infektionen ist dieser Umstand allerdings von vorübergehender Natur).
  • Jemand im Haushalt hat kein intaktes Immunsystem (beispielsweise durch eine Chemotherapie).

Für Menschen in diesen Situationen kann es wirklich schwierig werden, wenn Desinfektionsmittel nur noch schwer oder gar nicht erhältlich sind!

Das könnt ihr wirklich tun, um euch zu schützen

Ist hingegen „nur“ Erkältungssaison und es „geht etwas um“ (auch wenn das „Etwas“ COVID-19 heisst), sind einfache Hygienemassnahmen wesentlich wirksamer, da  schonender für die Verteidigungslinien auf unserer Haut:

  • Hustet oder niest stets in die Armbeuge anstatt einfach in die Gegend.
  • Haltet von hustenden oder niesenden Personen mindestens einen Meter Abstand.
  • Fasst euch mit ungewaschenen Händen möglichst nicht in das eigene Gesicht (und schon gar nicht in das von Anderen, beispielsweise das eurer Kinder).
  • Insbesondere gegen „Mitbringsel“ von draussen: Wascht euch, wenn ihr heimkommt (aber auch unterwegs), die Hände mit gewöhnlicher Seife, nachdem ihr in der Öffentlichkeit viel berührte Dinge (z.B. Türklinken, öffentliche Verkehrsmittel!) angefasst habt und bevor ihr zu Hause irgendetwas anderes berührt.
  • Wenn ihr bereits (infektions-)krank seid: Bleibt zu Hause. Geht nicht arbeiten und schickt kranke Kinder nicht in die Schule/den Kindergarten/die KiTa! Bei Fieber, Husten und Atembeschwerden ruft euren Arzt an (bevor ihr hingeht!) und befolgt dessen Anweisungen.

Was ihr niemals tun solltet

Desinfektionsmittel mit Seife kombinieren

Doppelt hält besser? Leider nein. In Verbindung mit Seife (also Tensiden), bergen Desinfektionsmittel im Alltag noch ein weiteres Problem:

Wenn ihr eure Hände mit Seife wascht, vergrault das eure nützlichen Mitbewohner nämlich nicht, entfernt aber den schützenden Talg, unter dem sich deren letzte Reserven verstecken, von den Haarwurzeln. Wenn ihr dann während oder nach dem Händewaschen zu einem Desinfektionsmittel greift, rottet das die letzten Reserven ebenso aus wie die Hautflora auf der Hautoberfläche. Und dann bleibt nichts mehr, was sich weiter vermehren und auf eurer Haut, dem Eingang zu eurem Körper, Wache schieben könnte.

Desinfektionsmittelhaltige Seife oder Desinfektionsmittel nach dem Seifeneinsatz sind in Hinsicht auf die Übertragung von Erregern an den Händen eher schädlich als dass sie nutzen!

Desinfektionsmittelreste in den Ausguss oder gar in die freie Natur entsorgen

Wie bereits erwähnt gibt es in Klärwerken wie auch in der Natur zahlreiche Bakterien, die für eine funktionierende Anlage bzw. ein gesundes Ökosystem notwendig sind. Und die nehmen an Desinfektionsmitteln genauso Schaden wie unliebsame Erreger.

Sämtliche Abflüsse in unserem Zellkulturlabor münden – wie vermutlich auch jene in Krankenhäusern – in spezielle Abwasser-Anlagen, die darauf ausgerichtet sind, Chemikalien im Abwasser zu beseitigen, bevor es in die eigentliche Kanalisation gelangt. So ist der Einsatz von Desinfektionsmitteln im Labor – und wahrscheinlich auch im medizinischen Bereich – eine deutlich geringere Gefahr für die Umwelt als ihr Einsatz im Alltag.

Desinfektionsmittel hamstern, wenn „etwas umgeht“

Es sei denn, ihr gehört zu jenen, die aufgrund von Krankheit oder/und unzureichendem Immunsystem wirklich auf die Nutzung von Desinfektionsmitteln im Alltag angewiesen sind. Genau diese Menschen werden euch – ebenso wie die Menschen mit Medizinberufen – sehr dankbar dafür sein, wenn sie die dringend benötigten Mittel auch während eines Ausbruchs wie dem von COVID-19 problemlos bekommen.

Das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Gesichtsmasken. Die nützen dem Chirurgen oder Zahnarzt sehr, um seine eigenen Bakterien vom Patienten fernzuhalten. Vor einer Tröpfchen- oder Schmierinfektion mit einem Atemwegs-Virus schützen sie aber praktisch nicht.

Zusammenfassung

Desinfektionsmittel sind Stoffe, die Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze, deren Sporen, aber auch Viren abtöten oder zumindest am Wachstum hindern können. Solche Stoffe sind naturgemäss giftig – aber für Mikroben oft mehr als für uns – und umweltschädlich.

In der Krankenpflege sind Desinfektionsmittel ein wertvolles Mittel, um die Gefahr der Übertragung von Keimen zwischen Patienten und Pflegern gering zu halten. Wie alle wirksamen Mittel haben jedoch auch Desinfektionsmittel Nebenwirkungen und bergen wie alle (umwelt-)giftigen Stoffe Gefahren.

Im Alltag überwiegen diese Schwierigkeiten den Nutzen von Hände-Desinfektionsmitteln, zumal es einfachere und nebenwirkungsärmere Mittel und Wege gibt, die Übertragung von Keimen zu vermeiden:

  • In die Armbeuge husten oder niesen
  • zu erkälteten Personen Abstand halten
  • Nicht ins Gesicht fassen
  • Hände waschen (aber nicht mit Desinfektionsmittel kombinieren!)
  • mit Infektionskrankheiten zu Hause bleiben

Wenn ihr selbst einen Pflegeberuf ausübt oder im Alltag mit kranken oder/und immunschwachen Personen lebt oder eine solche seid, kann – so meine eigene Erfahrung im Labor – eine Handcreme dabei helfen, die Hautschäden durch regelmässigen Einsatz von Desinfektionsmitteln gering zu halten.

Und wie geht ihr angesichts von COVID-19 oder anderen Erregern mit Desinfektionsmitteln um? Habt ihr vielleicht im Beruf regelmässig damit zu tun und weitere (bessere?) Tipps zur Hautpflege?

Was ist im Grippe-Impfstoff drin?

Eigentlich will ich mich ja gegen die Grippe impfen lassen… aber eine wirklich penetrante Erkältung lässt mich (noch) nicht. Während die ausheilt habe ich Zeit, mich zu fragen: Was ist eigentlich in so einem Grippe-Impfstoff drin?

Die Frage kommt nicht von ungefähr, sind doch Impfungen einmal mehr in aller Munde. Nicht nur die Grippesaison steht vor der Tür. Zudem macht Deutschland mit dem Beschluss einer Impfpflicht gegen die Masern von sich reden.

Heute möchte ich aber vornehmlich beim Grippeimpfstoff bleiben, der einerseits ein spezieller Fall in der Impfstoff-Familie ist, andererseit aber als Beispiel für andere Impfstoffe herhalten mag.

Warum ist der Grippeimpfstoff speziell?

Letztlich aufgrund seiner eingeschränkten Wirksamkeit. Die beruht darauf, dass Grippeviren ganz besonders fiese Arschlöcher sind. Die mutieren nämlich schneller zu immer neuen Stämmen, als die Forscher Impfstoffe gegen sie entwickeln können (wie genau sie das machen, erklärt Mai Thi sehr gut in ihrem aktuellen Video).

So müssen Forscher schon zu Anfang eines neuen Jahres Vermutungen anstellen, wie der fieseste Grippevirus – besser die fiesesten Grippeviren – der kommenden Saison aussehen mögen. Denn Entwicklung, Herstellung und Erprobung einer neuen Impfstoff-Variante dauern gut ein halbes Jahr. Und danach können die Forscher nur hoffen, dass die tatsächlich grassierenden Viren den vermuteten zumindest ähnlich sind.

Anders als die Impfstoffe gegen Masern und andere Kinderkrankheiten, die nahezu immer schützen, bietet eine Grippeimpfung damit nur eingeschränkt Schutz gegen Grippe. Wenn es aber darum geht, ob man eine Woche statt drei Wochen flach liegt, ins Spital muss oder nicht bzw. mit einer massgeblich geringeren Wahrscheinlichkeit krank wird, lohnt sich die Impfung allemal. Auch jedes Jahr aufs Neue. Besonders, wenn man zu einer der Risikogruppen zählt, die das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit nennt.

Die Grippeimpfung ist übrigens auch für Kinder einschliesslich Säuglingen ab 6 Monaten möglich. Und wenn die Kinder in die Krippe, den Kindergarten oder die Schule gehen, mag die Impfung sich für sie ebenso lohnen wie für ihre Lehrer und Erzieher.

Anbei: Für die aus medizinischen Gründen Gefährdeten (Senioren, Bewohner von Pflegeheimen, Kranke, Schwangere, Frühgeborene) übernimmt in der Schweiz die obligatorische Krankenversicherung die Kosten für die Impfung.

Aber was ist nun drin im Impfstoff?

In Impfkritiker-Kreisen kursieren zahllose Gerüchte um Quecksilber, Aluminium und andere angeblich fiese Hilfsstoffe, ganz zu schweigen von angeblich unsicheren Wirkstoffen.

Dabei lassen sich im Netz ziemlich einfach Fachinformationen mit genauen Inhaltsstofflisten im Netz auftreiben. Zum Beispiel im Arzneispezialitätenregister des Österreichischen Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen. Das einzige, was man dafür braucht, ist der Handelsnahme eines Impfstoffs.

Den habe ich mir aus einer Broschüre des Schweizerischen Bundesamtes für Gesundheit herausgepickt. Der Umstand, dass ich einen in der Schweiz gebräuchlichen Impfstoff in der österreichischen Datenbank gefunden habe, lässt mich darauf schliessen, dass solche Impfstoffe im DACH-Raum grenzübergreifend zum Einsatz kommen. Was jetzt kommt, wird demnach auch für Impfstoffe in Deutschland gelten.

Mein Beispiel-Impfstoff ist Fluarix Tetra®, zugelassen für Kinder ab drei Jahren und Erwachsene. Dieser Impfstoff kommt übrigens seit Jahren mit jeweils angepassten Virenstämmen zum Einsatz. Darin sind enthalten:

Inaktivierte Influenza-Virus Spaltantigene

Das ist der eigentliche „Wirkstoff“ im Impfstoff, welcher das Immunsystem veranlassen soll, die Informationen über die gefährlichen Grippeviren zu speichern. Wie das Immunsystem arbeitet und wie das genau funktioniert, könnt ihr übrigens hier in Keinsteins Kiste nachlesen.

Aber was bedeutet dieser Fachausdruck eigentlich?

Um das Immunsystem zur Informationsverarbeitung zu veranlassen, müssen ihm Krankheitserreger „vorgeführt“ werden. Damit der Körper dabei aber nicht krank wird, müssen diese Erreger entweder in einer abgeschwächten („zahnlosen“) Version daher kommen (das nennt man dann einen Lebendimpfstoff), oder man führt dem Immunsystem funktionslose Bruchstücke der Erreger vor (als Totimpfstoff).

Um solche Bruchstücke herzustellen, züchten die Entwickler in speziellen Labors Grippeviren und zerlegen sie dann in ihre Bestandteile. Dabei lösen sie unter anderem Proteine (die fiesen „Stacheln“, die in vielen Virus-Darstellungen zu sehen sind) aus der Aussenhülle der Viren, trennen sie vom Rest und packen sie in den Impfstoff.

Keine Kunst, sondern ein echtes, koloriertes „Foto“ von einem Grippe-Virus, aufgenommen mittels Elektronen-Tomographie (mit einem Elektronenmikroskop, das zum MRT für winzigkleine Dinge umgerüstet wurde). Die Protein-Stacheln in der Virushülle (blau) sind hier grün und gelb dargestellt. (US gov [Public domain], via Wikimedia Commons )

An diesen Proteinen erkennt nämlich unser Immunsystem die Viren. Nur – die Proteine allein, ohne Virenhülle und vor allem ohne Virenerbgut, können keine Grippe verursachen.

Moleküle, die unser Immunsystem erkennt, werden nun Antigene genannt. Da unsere Antigene bei ihrer Herstellung von Viren „abgespalten“ wurden, sprechen die Entwickler von Spaltantigenen. Und da sie allein keine Grippe („Influenza“) mehr verursachen können, sind diese Spaltantigene „inaktiviert“.

Wie züchtet man Grippeviren?

Viren können sich nicht selbst vermehren (und sind damit nach landläufiger Definition der Biologen keine Lebewesen), sondern müssen dazu lebende Zellen befallen und deren Vermehrungsanlagen kapern. Deshalb sind zur Virenzucht lebende Wirtszellen nötig.

In den 1960er Jahren haben Forscher dafür geeignete Zellen in befruchteten Hühnereiern entdeckt. Darin wachsen nämlich nebst dem Küken auch verschiedene blasenartige Hilfsorgane. Und die Zellen von deren Aussenhäuten sind offenbar besonders gut geeignet, um in kurzer Zeit viele Grippe- und andere Viren herzustellen. Und zwar so gut, dass man diese Methode bis heute verwendet:

Befruchtete Hühnereier werden 10 bis 11 Tage lang im Brutschrank bebrütet. Dann wird durch ein kleines Loch in der Schale der gewünschte Virenstamm in das Anhangsorgan eingebracht und drei Tage lang weiter bebrütet. In dieser Zeit vermehren sich die Viren sehr stark und gelangen in die Flüssigkeit im Innern „ihres“ Wirtsorgans. Dann wandern die Eier für einige Stunden in den Kühlschrank, sodass die Embryonen darin absterben (ich habe mir ja sagen lassen, dass der Tod durch Unterkühlung eine schmerzlose Angelegenheit sein soll, aber probiert habe ich es nicht), ehe die Flüssigkeit samt Viren entnommen wird.

Im Eier-Labor der FDA, USA: Ein Mitarbeiter spritzt Grippeviren in befruchtete Hühnereier, damit sie sich darin vermehren können. Im industriellen Massstab gibt es allerdings viel mehr Eier und das Ganze läuft automatisiert. (The U.S. Food and Drug Administration [Public domain], via Wikimedia Commons )

Es folgt das Zerlegen („Inaktivieren“) der Viren mit Hilfe von speziellen Tensiden (Stoffen mit Superwaschkraft – diese können Proteine aus Virushüllen „waschen“, ohne dass die Proteine babei beschädigt werden!) und die Reinigung des Ganzen, damit am Ende nur in der Impfdosis landet, was dort hinein soll.

Moment – dabei sterben doch Tiere?!

Ja, das ist bis dato leider unvermeidbar, wenn wir uns vor der Grippe schützen möchten. Denn einen anderen Schutz vor der Grippe gibt es – besonders für irgendwie geschwächte Menschen – aktuell nicht.

Natürlich ist man heute schon weiter als vor sechzig Jahren und kann Viren auch in Zellkulturen züchten. Bloss funktioniert das mit Grippeviren nicht besonders gut. Die Ausbeuten an Grippeviren aus Zellkulturen sind so schlecht, dass es im Normalfall viel zu teuer wäre, die gewünschte Impfstoffmenge auf diese Weise herzustellen.

Warum Grippe-Impfstoffe manchmal knapp werden

Einzig wenn ein besonders ansteckender oder/und gefährlicher Grippe-Stamm auftritt und besonders flächendeckend geimpft werden soll, können die Entwickler nicht genügend Eier für die Zucht auftreiben und müssen auf die teureren Zellkulturen ausweichen. Doch dabei gibt es ein neues Problem:

Zum Arbeiten mit besonders ansteckenden („pandemischen“) Grippe-Viren braucht man ein Labor der Sicherheitsstufe (BSL) 3. Und die haben viele Eier-Labors nicht. So bleiben die Produktionsmöglichkeiten auch unabhängig von den Kosten beschränkt.

Aber: Abhilfe ist bereits in Sicht

Da die Forscher jedoch weder Tiere töten noch Engpässe bei der Auslieferung wollen, arbeiten sie fleissig an neuen Möglichkeiten für die Virenzucht. Wie zum Beispiel in Münster mit Wimperntierchen (das sind Einzeller) als Wirten. Vielleicht gibt es ja schon ab 2025 eine wirtschaftliche Alternative zu den Hühnereiern.    

Anorganische Salze

Davon finden sich in Fluarix Tetra® eine ganze Reihe:

  • Natriumchlorid, NaCl (das „Kochsalz“)
  • Natriummonohydrogenphosphat, Na2HPO4
  • Kaliumdihydrogenphosphat, KH2PO4
  • Kaliumchlorid, KCl
  • Magnesiumchlorid, MgCl2 * 6 H2O

Alle diese Salze sind im Impfstoff in Wasser aufgelöst, sodass letztendlich folgende Ionen im Impfstoff enthalten sind: Na+, K+, Mg2+, Cl, HPO42-, H2PO4 (und für alle Chemiker, die es ganz genau nehmen, sind in verschwindender Menge auch PO43- und Phosphorsäure H3PO4 zu erwarten). Jedes dieser Ionen ist natürlicher Bestandteil praktisch jeder Körperflüssigkeit.

Die beiden Phosphat-Ionen ergeben zusammen einen Phosphat-Puffer, der dafür sorgt, dass der pH-Wert des Impfstoffs irgendwo zwischen 6 und 8 – also im „biologietauglichen“ Bereich – stabil bleibt. So werden die Virus-Proteine darin nicht durch pH-Abweichungen beschädigt – und der pH-Wert des Impfstoffs passt weitgehend zu dem des Muskels, in welchen er gespritzt werden soll.

Die übrigen Ionen sorgen vermutlich dafür, dass die Impfstoff-Flüssigkeit einer Körperflüssigkeit ähnlich ist (sodass nach der Injektion z.B. kein ungewollter osmotischer Druck entsteht (was der anrichten kann, könnt ihr mit diesen Experimenten – mit Ei, aber ohne Küken – erfahren)).

RRR-alpha-Tocopherolhydrogensuccinat

Oder mit anderen Worten: Vitamin E. Also ein alter Bekannter aus der Ernährung und Hautpflege, der für seine Wirkung als Antioxidans bekannt ist. Das heisst, Vitamin E reagiert gern mit Stoffen, die sonst andere Bestandteile unseres Körpers oxidieren und für Stress in unseren Zellen sorgen würden.

Und ausserhalb des Körpers kann es ebenso gut mit Stoffen reagieren, die sonst Virenproteine und andere Impfstoff-Bestandteile kaputt oxidieren könnten. Damit ist das Vitamin E der einzige Konservierungsstoff (nagut, ausser dem Phosphatpuffer), den ich auf der Liste gefunden habe!

Polysorbat 80 („Tween 80“) und Octozinol 10 („Triton 100“)

Zwei der speziellen Tenside, die mit ihrer Superwaschkraft die Proteine aus den Virenhüllen lösen können. Da die Hüllen von Grippeviren aus fettähnlichen Stoffen (Lipiden) bestehen, sind Proteine, die daraus entfernt werden, naturgemäss nicht sehr scharf darauf, sich in Wasser zu lösen (fettfreundliche Stoffe mischen sich nicht mit Wasser und wasserfreundliche Stoffe nicht mit Fetten!).

Da die genannten Tenside – im Grunde spezielle „Seifen“ –  nicht weitestgehend aus dem Impfstoff entfernt werden, vermitteln sie dort wohl auch weiterhin zwischen Proteinen und Wasser und sorgen so dafür, dass alle Bestandteile des Impfstoffs sich miteinander mischen.

Auf Lebensmittelpackungen werden solche Stoffe als „Emulgatoren“ vermerkt. Tatsächlich ist Polysorbat 80 als Lebensmittelzusatzstoff (E 433) zugelassen, da es chemisch wie biologisch als weitgehend reaktionsträge gilt. Ausserdem zählt es zu den wenigen Emulgatoren, die man nicht nur problemlos verspeisen, sondern auch spritzen kann.

Solvent-Detergent-Verfahren: Eine sichere Sache

Auch Triton 100 ist für seine Sicherheit in Sachen medizinische Anwendungen bekannt. Das „Solvent-Detergent-Verfahren“ (SD-Verfahren), mit welchem die Grippeviren bei der Impfstoffherstellung zerlegt werden, wurde nämlich ursprünglich zur Reinigung von Blutplasma zur Transfusion von darin unerwünschten Viren entwickelt (Und wer hats erfunden…? Nein, ein Amerikaner. Aber die Schweizer – genauer gesagt eine Firma aus dem von hier aus übernächsten Dorf – haben es finanziert und zur Marktreife gebracht).

Die Blutplasma-Reiniger hatten ein ähnliches Problem wie die Impfstoff-Hersteller: Mögliche Viren in gespendetem Blutplasma müssen unschädlich gemacht werden (damit sie den Empfänger nicht infizieren können), aber die Proteine im Plasma – insbesondere die Gerinnungsfaktoren – dürfen dabei ihre Funktion nicht verlieren.

Das SD-Verfahren leistet beides äusserst gründlich: Die Gerinnungs-Proteine in SD-Plasma bleiben zu wesentlichen Teilen funktionsfähig, während nach rund 10 Millionen Transfusionen bis 2009 keine einzige Infektion durch Viren mit Hülle (bei „nackten“ Virenarten funktioniert das Verfahren nicht, sodass man sich um solche anders kümmert) gemeldet worden ist. Ebensowenig wurde je beobachtet, dass mit dem SD-Verfahren gereinigtes Plasma (wobei auch „Triton 100“ zum Einsatz kommt/kam!), in irgendeiner Weise toxisch gewirkt oder eine Allergie ausgelöst hätte.

Wasser zu Injektionszwecken

Lösungsmittel – und zwar das Lösungsmittel, wenn es um lebende Organismen geht. „Zu Injektionszwecken“ meint keimfrei und vermutlich so sauber wie irgend möglich. Schliesslich soll das ja in menschliche Körper gespritzt werden.

Gemäss meiner Annahme ausserdem der Grund dafür, dass die beiden oben genannten Emulgatoren noch in nennenswerter Menge im Impfstoff enthalten sind. Denn ohne sie würden sich die Virenproteine schlecht mit dem Wasser mischen. Und würde man auf ein fettfreundliches Lösungsmittel für den Impfstoff ausweichen, würde der sich mit der wasserfreundlichen Umgebung im Muskel gewiss nicht gut vertragen.

Weitere mögliche Inhaltsstoffe im Spurenbereich

Natürlich ist kein Reinigungsverfahren perfekt. So bleiben in jedem Produkt, das Reinigungsschritte durchläuft, winzige Spuren von Stoffen aus der Produktion zurück. So auch bei Impfstoffen. Die heutige Analytik ist allerdings derart präzise, dass damit festgestellte „Spuren“ wirklich extrem winzig und meist gar nicht von Bedeutung sind.

In Fluorix Tetra® können folgende Stoffe in solch winzigen Spuren gefunden werden:

Bestandteile von Eiern

Unter anderem Proteine: Die bleiben bei der Trennung der Viren (-Bestandteile) vom Material aus dem Ei übrig. Unglücklicherweise (in diesem Fall) ist unser (adaptives) Immunsystem noch präziser als die moderne Spurenanalytik. So können schon einzelne Proteinmoleküle, die das Immunsystem „in den falschen Hals bekommt“, heftige allergische Reaktionen auslösen.

Menschen, die allergisch auf Ei-Proteine reagieren, können daher nicht mit den üblichen Impfstoffen gegen Grippe geimpft werden und sind deshalb auf Herdenschutz angewiesen!

Gentamicinsulfat

Ein Antibiotikum. Die kommen bei der Virenzucht in Eiern nicht zu knapp zum Einsatz (auch das ist ein Grund dafür, bald einen Ersatz für diese Methode zu finden). Die winzigen Mengen, die mit einer Impfdosis in den Muskel wandern, werden dort aber sicher rasch verstoffwechselt, bevor sie irgendetwas bewirken können.

Formaldehyd

Auch: Methanal, CH2O. Ist als Chemikalie in Flaschen ein ziemlich fieser Geselle (ein giftiges, ätzendes, erbgutschädigendes und krebserzeugendes wasserlösliches Gas).

Formaldehyd entsteht allerdings auch als Stoffwechselabfall im menschlichen Körper (und anscheinend auch in Hühnereiern bzw. beim Zerlegen von Viren). Und das in rauhen Mengen von 50 Gramm (!) pro Erwachsenem am Tag! Da solche Mengen Gift uns natürlich nicht zuträglich wären, baut der Körper diesen Abfall aber ratzfatz ab: Die Halbwertszeit von Formaldehyd im menschlichen Körper liegt bei 90 Sekunden bzw. 1,5 Minuten. Nach dieser Zeit ist von ursprünglichem Formaldehyd also nur noch die Hälfte vorhanden.

Mit einer Impfdosis gelangen nun schätzungsweise 1 bis 200 Mikrogramm Formaldehyd in den Körper. Zum Vergleich: Ein Liter Blut enthält normalerweise 2 bis 3 Milligramm davon. Das ist die 10- bis 1000-fache Menge! Enthält eine Impfdosis tatsächlich solche Spuren von Formaldehyd, fallen die vor dem Hintergrund des natürlichen Formaldehyds im Körper gar nicht auf.

Natriumdesoxycholat

Noch ein Tensid, das beim Virenzerlegen zum Einsatz kommt. Und ein Salz der Desoxycholsäure, einer sekundären Gallensäure, die in der Leber und von bestimmten Darmbakterien für den Einsatz im Fettstoffwechsel hergestellt wird.

Das Anion in diesem Salz ist Steroid-Hormonen sehr ähnlich. Vermutlich wird es deshalb – anders als die oben genannten Emulgatoren – vor der Fertigstellung des Impfstoffs vollständig wieder entfernt. Aber falls doch mal ein paar Ionen zurückbleiben, werden auch die zwischen den natürlichen Steroiden nicht weiter auffallen.

Was in diesem Impfstoff nicht enthalten ist

Nicht auf der Liste und damit nicht im Impfstoff enthalten sind folgende berüchtigte Kandidaten:

  • In irgendeiner Form krank machende Viren oder Virenbestandteile
  • Quecksilberverbindungen wie Thiomersal
  • Aluminiumverbindungen
  • Sonstige Konservierungsmittel (ausser Vitamin E und dem Phosphat-Puffer)

In den heutigen Impfstoffen, die meist als Einzeldosen verpackt und gekühlt auf den Markt kommen, ist generell kein Thiomersal mehr enthalten – weil es gar nicht mehr notwendig ist.

In früherer Zeit kamen solche Konservierungsstoffe zum Einsatz, als Impfstoffe noch in handlichen Flaschen zum vielfachen Aufziehen in die Spritze durch ein Septum ausgeliefert wurden.

Vorratsflasche mit Septum zum Durchstechen: So wird die Grippeimpfung bei uns in der Regel nicht mehr verabreicht (Jim Gathany [Public domain], via Wikimedia Commons )

Solche Flaschen kommen heute allenfalls dann noch zum Einsatz, wenn eine Pandemie droht und die Verteilung des Impfstoffs schnell gehen muss.

Und was ist mit anderen Impfstoffen?

Einen kurzen Blick habe dann doch noch auf die Fachinformation zu einem MMRV-Impfstoff (Priorix Tetra, neueste Zulassung in Österreich 2010): Masern-Mumps-Röteln-Windpocken) geworfen. Der wird tatsächlich in Durchstechflaschen vertrieben, allerdings in Pulverform, mit einem Lösungmittel (Wasser), das direkt vor der Benutzung dazugespritzt wird.

So kommt der MMR(V)-Impfstoff Priorix in den Handel: Im Fläschchen links das Impfstoff-Pulver, in der Einwegspritze Wasser als Lösungsmittel, und zwei Kanülen, die auf Spritzen aus dem Bestand jeder Arztpraxis passen (Dctrzl [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons ).

Es handelt sich um einen Lebendimpfstoff, der aus „zahnlosen“ Viren besteht, die wiederum in Zellkulturen gezüchtet werden (Masern und Mumps in embryonalen Hühnerzellen, weshalb Probleme für Ei-Protein-Allergiker auch hier nicht ganz ausgeschlossen werden können).

Darüber hinaus ist in diesem Impfstoff sogar noch weniger drin als im Grippe-Impfstoff. Neben den vier Virenstämmen nämlich Lactose (Milchzucker), die Süssstoffe Sorbitol und Mannitol (irgendetwas braucht man wohl als Trägersubstanz für die Viren) und verschiedene natürliche Aminosäuren. Ausserdem können Spuren des Antibiotikums Neomycin (auch Zellkulturen kommen nicht ohne Antibiotika aus) enthalten sein.

Auch hier: Kein Thiomersal, keine Aluminiumverbindungen, keine anderen Konservierungsmittel (Pulver halten sich oft besser als Flüssigkeiten).

Fazit

Auch wenn ich mir willkürlich nur einen einzigen Grippe-Impfstoff (und einen MMRV-Impfstoff) herausgegriffen habe, zeigt die Auflistung doch deutlich, dass praktisch alle Schreckensgeschichten über „böse“ Bestandteile von Impfstoffen Mythen sind. Und die Stoffe, die tatsächlich darin sind, sind so verträglich, wie Stoffe nur sein können.

Einzig die Herstellung der Impfstoffe in den Hühnereiern ist ein Wehrmutstropfen – vegan oder vegetarisch sind (die meisten) Grippe-Impfstoffe damit sicherlich nicht. Auch als bekennende Allesesserin drücke ich fest die Daumen, dass wir bis in 5 Jahren Alternativen ohne tote (Vielzeller-)Tiere, Probleme für Allergiker und all zu viel Antibiotikaeinsatz haben werden.

Nichts desto trotz werde ich mich gegen die Grippe impfen lassen, sobald meine Erkältung überstanden ist. Nicht nur um meinetwillen, sondern auch aus Solidarität gegenüber meinen Schülern und ihren Familien (denn als Nachhilfelehrerin und eifrige ÖV-Nutzerin habe auch ich mit vielen Menschen zu tun).

Und was ist mit euch? Habt ihr euch gegen die Grippe impfen lassen? Oder werdet ihr noch?