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Grand Prismatic Spring : Lebendiges Farbenspiel im Yellowstone - Nationalpark

Geologie – Wissenschaft vom Aufbau des Planeten Erde – beschäftigt sich zumeist mit dem „Lesen“ von Steinen, stummen Zeugen von oft unvorstellbar ferner Vergangenheit. Doch im Yellowstone-Nationalpark in den USA offenbarte die Erdkruste sich uns im Sommer 2015 von ihrer lebendigen Seite: Die gewaltige Energie, welche in unserem Planeten steckt und Steine schafft, verändert und verschwinden lässt, ist in der Yellowstone-Caldera vielerorts sicht- und hautnah spürbar.


Ein Schweinekotelett verhält sich unerwartet

Der 5. September 1989, als ich meine ersten Vulkanbücher las und noch davon träumte die Geysire des Yellowstone zu sehen, beginnt im Norris-Geysir-Becken innerhalb der Caldera als ganz normaler Tag. Die viele Hektar weite Senke ist von grünen Hochgebirgs-Wäldern umgeben. Ihr Boden ist von bizarren, meist hellgrauen Strukturen bedeckt – Gestein wie von einem anderen Stern. Heisses Wasser ist allgegenwärtig. Es brodelt in oft kreisrunden Becken, rinnt in farbenfrohen Mäandern über den kargen Untergrund, steigt in weissen Dampfwolken gen Himmel auf. Und über allem liegt ein unverkennbarer Schwefelgeruch. Aus einer besonders bizarren Struktur, die ihrer Form nach an ein Schweinekotelett erinnert, schiesst mit ohrenbetäubendem Getöse ein Wasserstrahl neun Meter hoch in die Luft, ehe er vom Wind zerfasert und um reichlich Dampf erleichtert zur Erde zurückfällt.

Der lautstarke Wasserstrahl ist ein Geysir, der – anders als die meisten seiner Art – seit dem Frühling 1985 ununterbrochen heisses Wasser in den Himmel speit. Vielleicht wirkt er deswegen nicht besonders anziehend auf die wenigen Besucher, die sich an jenem Tag im Norris-Becken aufhalten – andere, periodisch ausbrechende Geysire sind womöglich spannender.

Dann, ganz plötzlich, wächst die Wassersäule über dem Kotelett, erreicht das Dreifache ihrer ursprünglichen Höhe. Einen Moment später gibt es einen Knall, alles fliegt auseinander. Gesteinsbrocken mit Durchmessern bis 1,88m fliegen durch die Luft, die kleinsten Trümmer bis zu 67 Meter weit.

Als der verbleibende Dampf sich verzieht und Stille einkehrt, wird ein Krater von 13,9 x 11,7 m Grösse sichtbar, umringt von aufgerichteten Trümmern der obersten Gesteinsschicht. In seinem Zentrum dringt immer noch heisses Wasser aus dem Untergrund, leicht bewegt von aufsteigendem Gas. Glücklicherweise ist keiner der Zeugen dieser hydrothermalen Explosion verletzt worden.

Der Krater, in welchem die Kotelett-Form nach wie vor zu erkennen ist, hat seinen Namen bis heute behalten: Porkchop-Geysir. Doch woher stammt die unglaubliche Energie, die dieses Gebilde an jenem Septembertag 1989 auseinander gerissen hat?

Porkchop Geysir 2015

Porkchop Geysir 2015 CC BY-SA 4.0 by Keinsteins Kiste : Die Überreste der hydrothermalen Explosion des Porkchop-Geysirs können Parkbesucher heute aus einer sicheren Entfernung von einigen Dutzend Metern begutachten.


Die Energiequelle: Der Ofen auf dem wir leben

Vor rund 4,5 Milliarden Jahren begann reichlich Staub, der in der Umlaufbahn unserer jungen Sonne gefangen war, sich zu einem Planeten zusammen zu ballen: Unserer Erde. Die Schwerkraft drückte den Staub zu einer zunehmend massiven Kugel zusammen. Und wo Druck auf Materie herrscht, entsteht unweigerlich Wärme. Im Inneren der jungen Erde hat diese Wärme ausgereicht, um den festen Staub bzw. das daraus entstehende feste Gestein zu schmelzen (mehr zur Umwandlung der Energie hierbei findest du unter Schmelzwärme), sodass die Erde in ihren ersten Lebensjahrmillionen eine glühende Kugel aus flüssiger Gesteinsmasse war. An der Oberfläche dieser Kugel konnte Wärme an den kalten Weltraum abgegeben werden, sodass die Erdoberfläche im Laufe von Jahrmilliarden abkühlen und zu einer harten Kruste erstarren konnte. Auf dieser Kruste leben wir heute und graben darin nach Kohle und Erzen.

Im Innern der Erde ist es jedoch über vier Milliarden Jahre hinweg heiss geblieben, teils aufgrund des nach wie vor herrschenden Drucks, teils durch zusätzliche Wärme, die beim stetigen Zerfall radioaktiver Elemente im Erdinnern entsteht.

Wärme aus der Tiefe: Ein Mantelplume als Heizungsrohr

Heute gilt der Kern der Erde als flüssig, während der Erdmantel, der das weit grösste Volumen im Innern des Planeten einnimmt, zwar fest, aber glühend heiss und plastisch wie Knetgummi ist. So geschieht es manchmal, dass heisses Gestein aus grosser Tiefe im Erdmantel aufsteigt (ähnlich einem Heissluftballon in kalter Luft): Das Ergebnis ist ein langer Schlauch heisser Materie, der in Richtung Erdoberfläche reicht und nach oben immer weiter wird: ein sogenannter Mantelplume. Im oberen Bereich eines Mantelplumes kühlt das Gestein kaum ab, während der Druck darauf merklich sinkt, sodass das Material schliesslich schmelzen kann: Es entsteht eine Magmakammer irgendwo dicht unter der Erdkruste.

Ein solcher Mantelplume, der gleich zwei Magmakammern speist, befindet sich unter dem Yellowstone-Nationalpark und heizt dort die Erdkruste auf. Wenn sich Magma in der Kammer sammelt und schliesslich an die Erdoberfläche dringt, entsteht ein Hot-Spot-Vulkan. Ein grosser Ausbruch des Yellowstone-Hot Spots ereignete sich vor etwa 630.000 Jahren:

Im Magma in der Kammer unter dem heutigen Nationalpark ist eine Menge Wasser gelöst. An der Erdoberfläche, bei Atmosphärendruck, würde Wasser sich nicht in flüssigem Gestein lösen – bei dem hohen Druck, der in der reichlich gefüllten Magmakammer herrscht, hingegen schon. Allerdings wird selbst Gestein, wie es die Kammer nach oben abschliesst, mit der Zeit brüchig, und Gase – vielleicht auch kleinere Lavamengen – können entweichen. So bleibt  dem übrigen Magma mehr Raum in der Kammer: Der Druck, sinkt. Und wenn das geschieht, wird das Wasser sich irgendwann nicht mehr lösen (der Lösungsvorgang ist ein Prozess im Gleichgewicht- Le Chatelier weiss am Flughafen genaues über die Abhängigkeit der Gleichgewichtslage vom Druck zu berichten), und es bildet Dampfblasen.

Nun braucht Wasserdampf etwa 1000 mal mehr Platz als Wasser, das in Magma gelöst ist, sodass das Volumen des Kammerinhalts sprungartig grösser wird. Das kann auch das härteste Gestein nicht zusammenhalten. Die Magmakammer platzt auf und riesige Mengen Asche (man schätzt bis zu 1000 km³, die später bis 300m dicke Ablagerungen bilden sollten) werden in einer gewaltigen Explosion hinaus- und in die Atmosphäre geschleudert. Über dem zurückbleibenden Hohlraum in der Kammer bricht die dünne Kruste zusammen – eine riesige Caldera – eine durch Einsturz des Bodens entstandene Senke – bleibt zurück. In den folgenden Jahrhunderttausenden ist jedoch weiteres Magma aufgestiegen und als Lava (Rhyolit) über und in die Caldera geflossen, sodass die Ränder der Yellowstone-Caldera heute nicht mehr überall auszumachen sind.

Wo früher Explosionen die Erde zerrissen und flüssiges Gestein sich in Lavaströmen über die Erde wälzte, erstreckt sich heute eine friedliche, von Pflanzen und Tieren belebte und von Touristen gern besuchte Landschaft.

Doch noch immer sammelt sich heisses Magma in der Kammer nur wenige Meilen unter dem Park und heizt die dünne Kruste auf. Die Folge ist eine einzigartige Landschaft, in welcher die Erde selbst zu leben scheint.

Wasser kommt ins Spiel: Hydrothermale Gebilde

Die Yellowstone-Caldera ist so gewaltig (sie hat einen Durchmesser von 48 bis 72 Kilometern!), dass man sie nicht als „Krater“ eines einzelnen feuerspeienden Berges bezeichnen kann. Vielmehr umfasst das Gebiet über dem Magmadom heute ein ganzes Gebirge: Der gleichnamige Nationalpark liegt praktisch vollständig in einer Höhe über 2000 Metern über dem Meer. So ergibt sich eine Hochgebirgsregion mit allem, was dazugehört: Viel Schnee, im kurzen Sommer Regen, dazu Flüsse und Seen. Mit anderen Worten: Es gibt jede Menge Wasser. Und wo es Oberflächenwasser gibt, gibt es ebenso reichlich Grundwasser.

Das Grundwasser sickert tief in die steinige Kruste über der Magmakammer, bis es tief in der Erde auf eine undurchlässige Gesteinsschicht trifft. Dort sammelt es sich und wird von der Wärme, die von der Kammer ausgeht, erhitzt (mehr über die Übertragung von Wärme kann die Energie höchstselbst dir hier erzählen). Dabei erreicht es Temperaturen von 100 – 250°C – der Druck der Wassersäule, die auf dem tiefsten Wasser lastet, hindert es vorerst daran zu sieden.  Doch sobald das Wasser genug Energie hat um diesen Druck zu überwinden, beginnen Dampfblasen aufzusteigen, die sich ihren Weg durch Spalten und Aussparungen – eine Art natürliches Leitungssystem – nach oben suchen.


Heisse Quellen

Wenn solch ein Leitungssystem bis an die Erdoberfläche reicht, endet die darin enthaltene Wassersäule häufig in einem trichterförmigen Teich, dessen Wasser trotz einer Temperatur von „nur“ noch 40 – 60°C an der Oberfläche lebhaft zu kochen scheint, wenn Dampfblasen aus der Tiefe aufsteigen.

Heisse Quelle im Yellowstone-Nationalpark

Heisse Quelle am Fountain Paint Pot Trail CC BY-SA 4.0 by Reto Lippuner : Der Eindruck kochenden Wassers entsteht durch Dampfblasen, die aus der trichterförmigen Tiefe aufsteigen. Obwohl das Wasser an der Oberfläche nicht siedet: Zum Baden sind solche Quellen definitiv zu heiss!  

Durch das Aufsteigen des Dampfes sinkt der Druck in der Tiefe der Quelle leicht, was zur Entstehung von noch mehr Dampfblasen führt. Wenn das Leitungssystem zur Oberfläche weit genug ist, bleiben die Druckunterschiede klein, da Wasser und Dampf sich weitgehend frei bewegen können, und das Ergebnis ist eine permanent, aber weitgehend friedlich brodelnde heisse Quelle.


Schlammtöpfe

Damit eine heisse Quelle nicht versiegt, muss sie durchgehend von neuem Grundwasser gespeist werden. Allerdings schwankt der Wassergehalt im Untergrund der Yellowstone-Caldera im Laufe der Jahreszeiten erheblich: Die Schneeschmelze im Frühjahr bringt reichlich Wasser, während der Boden im Spätsommer und Frühherbst ziemlich trocken werden kann. Wenn eine heisse Quelle deshalb nicht mehr vollständig „nachgefüllt“ werden kann, schrumpft ihre Wassersäule, was an der Oberfläche zu gravierenden Veränderungen führt.

Manche dieser Quellen verwandeln sich bei Wassermangel in Löcher voller weissem, zähem Schlamm, durch welchen sich die Dampfblasen ihren Weg nach oben mühsam erkämpfen müssen. Wenn sie dort erst einmal angelangt sind, zerplatzen sie mit dem schmatzenden Geräusch eines kochenden Eintopfs und schleudern den Schlamm zuweilen meterweit empor.

Schlammtopf am Artists' Paintpots Trail

Schlammtopf am Artists‘ Paintpots Trail Ende Juli 2015 CC BY-SA 4.0 by Keinsteins Kiste : Während des wasserarmen Sommers trocknen diese schlammigen Quellen zunehmend aus, wobei sich an den trockenen Rändern die typischen Risse bilden. Das Geräusch der platzenden Dampfblasen erinnert eindrücklich an kochenden Eintopf – dieser hier riecht aber nicht so gut!


Fumarolen

Manchmal kann selbst solch ein Schlammkessel vollkommen austrocknen, oder die Oberfläche der Wassersäule einer heissen Quelle sinkt einfach bis tief in den Untergrund. Dann tritt der aufsteigende Dampf direkt aus der Öffnung an die Erdoberfläche, oft deutlich hörbar wie beim Entweichen aus einem Dampfkessel.

Fumarolen im Yellowstone-Nationalpark

Fumarolen am Artists‘ Paintpots Trail  CC BY-SA 2.0 by Reto Lippuner : Diese beiden heissen Quellen führen Ende Juli kein sichtbares Wasser mehr – der Dampf scheint direkt dem Erdboden zu entströmen. Andere Fumarolen an den erhöhten Rändern von Geysir-Becken speien ganzjährig Dampf.  

Solche Fumarolen finden sich auch häufig an erhöhten Rändern hydrothermaler Becken, die keine unterirdische Wassersäule erreicht.

Die spannendsten und zugleich lebendigsten Gebilde entstehen jedoch, wenn es in einer heissen Quelle eng wird.


Geysire

Ist nämlich das natürliche Leitungssystem einer heissen Quelle zu eng um den darin entstehenden Wasserdampf ungehindert zur Erdoberfläche abzuleiten, entsteht innerhalb der unterirdischen Leitungen Stau. Im Bereich unter einer Engstelle kann der Druck durch die Wärme sehr hoch werden, weil das Gestein ringsum das Wasser an jeder Ausdehnung hindert. Bei einer entsprechend hohen Temperatur beginnt dieses Wasser erst zu sieden, und entsprechend viel Dampf entsteht auf einmal, wenn der Druck durch erstes Sieden erst abzufallen beginnt.

All dieser Dampf entweicht schliesslich mit hoher Geschwindigkeit durch die enge Öffnung des Geysirs nach oben, sodass er mitsamt mitgerissenem bzw. durch Kondensation entstehendem Wasser viele Meter hoch in die Luft schiesst. Der grösste Geysir in der Yellowstone-Caldera, der Steamboat-Geysir, kann so eine Fontäne von bis zu 130 Metern Höhe erzeugen!

Ein Grossteil des so ausgespienen Wassers versickert im umliegenden Boden oder fliesst direkt in die Öffnung des Geysirs zurück. Zurück in den unterirdischen Leitungen wird es wieder erwärmt, staut sich dabei wieder unter der Engstelle, und schliesslich bricht der Geysir aufs Neue aus.

Geysire im Yellowstone-Nationalpark

Zwei Geysire in Aktion  CC BY-SA 4.0 by Reto Lippuner : Links: White Dome Geyser: Ablagerungen aus im Wasser enthaltenen Mineralstoffen haben sich rings um die Öffnung des Geysirs zu einem „Dom“ aus Kieselsinter bzw. Geyserit aufgetürmt – Rechts: Dieser Geysir auf dem Upper Geyser Basin erhebt sich aus einem flachen Teich, der während seiner Ruhephase zeitweise trocken fällt.

Je grösser die Fontäne eines Geysirs ist, und je länger ein Ausbruch dauert, desto mehr Zeit benötigt er in der Regel zum „Aufladen“, und nicht alle Geysire brechen mit der gleichen Regelmässigkeit aus. Die Zeitspanne, die zwischen ‚grossen‘ Ausbrüchen des Steamboat-Geysirs liegt, bewegt sich in der Grössenordnung von Jahren und ist zudem nicht vorhersagbar. Der Grand Geyser, der immerhin bis zu 60 Meter Höhe erreicht, speit etwa alle 13 Stunden 10 bis 15 Minuten lang Wasser. Der berühmte „Old Faithful“ präsentiert sich relativ genau alle eineinhalb Stunden mit bis zu 56 Metern Höhe, und kleine Geysire wie den lebhaften Vixen-Geyser, einen Nachbarn des Schweinekoteletts, kann man alle paar Minuten beim Ausbruch auf etwa 2 Meter Höhe beobachten.


Schwefel in den hydrothermalen Becken

Neben bis zu kochend heissem Wasser setzen die meisten dieser hydrothermalen Gebilde Schwefelverbindungen, insbesondere Schwefelwasserstoff und kleinere Mengen Schwefeldioxid, frei. Beide Stoffe sind bei den Bedingungen an der Erdoberfläche Gase, die sich gut in Wasser lösen. Schwefelwasserstoff macht sich durch seinen markanten Geruch nach faulen Eiern schon in kleinen Mengen bemerkbar, während Schwefeldioxid keinen eigentlichen Geruch hat, dafür aber spürbar unsere Schleimhäute angreift (beide Gase sind in hohen Konzentrationen sehr giftig – allerdings kommen im Yellowstone-Nationalpark wohl kaum giftige Mengen zusammen, bevor nicht jeder Tourist freiwillig das Weite sucht).

Schwefeldioxid reagiert, wenn es in Wasser gelöst wird, zu schwefliger Säure:

Schwefelwasserstoff ist schon als solches eine Säure (denn eine Säure ist ein Stoff, der mindestens ein H+ -Ion (an ein Wassermolekül) abgeben kann):

Deshalb reagiert das Wasser der meisten hydrothermalen Gebilde saurer als „normales“ Wasser. Das wird besonders deutlich angesichts abgestorbener Bäume in der direkten Umgebung dieser Gebilde, die an Waldschäden durch sauren Regen erinnern (auch saurer Regen entsteht (unter anderem) aus Schwefeldioxid, welches in die Erdatmosphäre gelangt und sich im Wasser von Wolken löst).


Gibt es in dieser lebensfeindlichen Umgebung Leben?

Kochendes Wasser, giftige Gase, Säure…man sollte meinen, unter solch lebensfeindlichen Umständen seien Geysirfelder und andere hydrothermale Gebilde leblose geologische Kuriositäten. Umso überraschender mag es erscheinen, dass die Becken von Geysiren, die seichten Ufer und Abläufe von heissen Quellen, die Oberflächen von Sinterterrassen und sogar der sauerste Schlammtopf des Parks (dessen Säuregehalt mit Magensäure vergleichbar ist und dessen „Schwefelgeruch“ sogar abgehärteten Chemikern unangenehm werden kann!) regelrecht von Leben wimmeln.

Erkennbar ist das (von Fussabdrücken verirrter Bisons und vereinzelten Strandläufern im flachen Wasser abgesehen) an den kräftigen Farben, in welchen aktive, d.h. wasserführende hydrothermale Gebilde sich präsentieren. Die Ablagerungen von Siliziumoxid-Verbindungen aus dem Wasser, Kieselsinter oder Geyserit genannt, die die steinernen Strukturen formen, sind nämlich von Natur aus weiss.

Dass die Ränder vieler heisser Quellen in sattem Gelb, Orange, Braun oder Rot erscheinen, ist verschiedenen thermophilen Mikroben, also wärmeliebenden Kleinstlebewesen (hauptsächlich Bakterien) zu verdanken, die in riesigen Kolonien – regelrechten Matten – das flache Wasser besiedeln.

Thermophile Bakterien im Yellowstone-Nationalpark

Thermophile Bewohner der Sinterterrassen der Mammoth Hot Springs  CC BY-SA 4.0 by Reto Lippuner : Im heissen Wasser, das über die Terrassen fliesst, leben thermophile Bakterien, die Carotin-Farbstoffe enthalten und daher rostrot und braun erscheinen. Links oben, wo es mit 38-56°C etwas kühler ist, leben grüne Cyanobakterien, die Photosynthese betreiben können. Diese Bewohner des Parks machen übrigens niemanden krank: Sie fühlen sich in unseren „kalten“ Körpern (unsere Körpertemperatur beträgt gewöhnlich ca. 37°C) schliesslich garnicht wohl.  

Diese Bakterien gewinnen ihre Energie zum Leben aus chemischen Reaktionen von Stoffen aus ihrer Umgebung und ihr Stoffwechsel funktioniert bei Temperaturen von bis zu 91°C, bei welchen die am Stoffwechsel beteiligten Proteine von Tieren (und uns) und den allermeisten Pflanzen längst denaturieren und den Geist aufgeben würden. Die gelben, roten und braunen Farbtöne rühren daher, dass die besonders Wärmeliebenden, ab etwa 60°C Heimischen unter den thermophilen Bakterien Carotin-ähnliche (also mit dem Vitamin A verwandte) Farbstoffe enthalten. Dabei gibt der Farbton Auskunft über die Wassertemperatur: Je höher die Temperatur des Wassers, desto heller sind die Bakterien darin.

Wenn das abfliessende heisse Wasser aus den hydrothermalen Gebilden auf offener Fläche etwas weiter abgekühlt ist (bei 38 – 56°C), finden sich – zum Beispiel auf den Terrassen der Mammoth Hot Springs – mancherorts strahlend smaragdgrüne Matten. Hier leben Cyanobakterien, die ihre Energie mittels Photosynthese aus Sonnenlicht gewinnen und dazu das grüne Protein Chlorophyll verwenden – ganz wie grüne Pflanzen.

Das Artikelbild zeigt die wohl bekannteste und farbenfroheste Ansammlung thermophiler Lebewesen, das Ufer der „Grand Prismatic Spring“, die sonst hauptsächlich von Luftaufnahmen bekannt ist.


Kann auch der Mensch die Energie in der Yellowstone-Caldera nutzen?

Angesichts solch vielfältiger, geradezu greifbarer Erscheinungen von Energie drängt sich die Frage nach ihrer Nutzung geradezu auf. Die Besuchereinrichtungen im Nationalpark brauchen Strom, der Swimmingpool und die Räume im Besucherhotel wollen geheizt, das Essen im Park-Restaurant erwärmt werden. Warum also nicht die reichlich vorhandene Energie aus dem Erdinnern in die gewünschten, nutzbaren Formen umwandeln?

So dachten vor genau einhundert Jahren auch die Betreiber des Old Faithful Inn nahe dem gleichnamigen Geysir, und installierten eine Rohrleitung, welche Wasser aus einer abgelegenen heissen Quelle direkt in den Swimmingpool des Hotels beförderte. Das so geschaffene „Geysir-Bad“ dürfte sich prima verkauft haben. Allerdings hatten seine Schöpfer nicht damit gerechnet, dass das Absinken des Wasserspiegels ihrer angezapften Quelle durch den zusätzlichen Abfluss eine Engstelle der natürlichen Öffnung an genau die richtige Position rückte, um einen Geysir zu schaffen. Seither entleert sich der „Solitary Geyser“ etwa alle fünf Minuten in einer bis 2 Meter hohen Fontäne (einzig als wir vor Ort waren schien er dazu nicht in Stimmung gewesen zu sein – vielleicht des trockenen Sommers wegen?), obwohl der künstliche Abfluss schon seit Jahrzehnten nicht mehr verwendet wird.

Diese und ähnliche Geschichten machen deutlich, wie empfindlich das Zusammenspiel von Erdwärme und Wasser in den Geysir-Becken des Yellowstone ist. Neben menschlichen Einflüssen sind auch natürliche Veränderungen der hydrothermalen Gebilde nur sehr begrenzt vorhersagbar – die unvermittelte Explosion des Porkchop-Geysers ist nur ein spektakuläres Beispiel dafür. Deshalb sieht man seit geraumer Zeit von der Nutzung der Energie aus den Tiefen der Yellowstone-Caldera ab.

In weniger fragiler Umgebung kann die Erdwärme jedoch genutzt werden und zählt, da sie unbegrenzt zur Verfügung steht, so lange die Erde nicht abkühlt, zu den „erneuerbaren“ Energieformen (auch wenn wer die Wahrheiten über die Energie kennt weiss, dass Energie eigentlich nicht unbegrenzt „erneuert“ werden kann). Die erfolgreiche Nutzung von Erdwärme durch den Menschen ist jedoch eine andere Geschichte.

Und hast du auch schon einmal ein Geysirfeld besucht? Welche Energieformen und -Umwandlungen hast du dort erlebt?

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Artikelbild: Grand Prismatic Spring  by Reto Lippuner

Literatur: J.Chapple (2002). Yellowstone Treasures – The Traveler’s Companion to the National Park. Providence: Granite Peak Publications; Dokumentation im Park