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Collage Sonnenfinsternis

Sommerzeit ist Zeit für die Natur – zum Beobachten und Staunen. Und dieses Staunen über die Natur hat mich schon zeitlebens begleitet – und schliesslich zur Blogparade „Augen auf! Wo mich die Natur zum Staunen bringt„, die noch bis zum 4.9.2016 läuft, inspiriert. Dieser besondere Beitrag dazu – auf dem Blog, der sich ums Staunen dreht, enthält meine Erinnerungen an den Sommer 1999, als meine Schule zum anlässlich eines ganz besonderen Naturereignisses einen klassenübergreifenden Schulausflug veranstaltete: Am 11. August 1999 war über Süddeutschland eine totale Sonnenfinsternis zu beobachten!

Von Zeit zu Zeit geschieht es, dass der Mond für einige Minuten zwischen Sonne und Erde gerät, damit den Sonnenstrahlen im Weg ist und so einen Schatten auf die Erde wirft. Tatsächlich kommt der Mond auf seiner Bahn sogar jeden Monat in der Region zwischen Sonne und Erde vorbei. Als Resultat dessen weist seine bestrahlte Seite an solchen Tagen von uns weg, sodass wir den Mond nicht sehen können: Es ist Neumond.

Da jedoch die Mondbahn um etwa 5° gegen die Erdumlaufbahn um die Sonne geneigt ist, gerät der Mond den Sonnenstrahlen dabei gewöhnlich nicht direkt in den Weg. Wenn er jedoch ausgerechnet an Neumond auch die Erdbahn um die Sonne kreuzt, wird es auf der Erde dort, wo der Schatten des Mondes hinfällt, auch am helllichten Tag kurzzeitig dunkel. Nicht stockdunkel, aber es bleibt doch nur noch 1/10.000 bis 1/100.000 der normalen Tageshelligkeit.

Denn wie es der Zufall will, reicht die Grösse des Mondes aus, um die Sonne von vielen Positionen auf seiner Umlaufbahn gerade vollständig zu verdecken. Wenn das geschieht, spricht man von einer totalen Sonnenfinsternis. Der Schatten, welchen der Mond dabei wirft, ist allerdings nur bis zu 300 Kilometer breit, und den Bereich der Erde, welcher sich während der Finsternis unter diesem Schatten hindurchdreht, wird Kernschattenzone genannt.

Von einem Bereich wenige Tausend Kilometer ausserhalb der Kernschattenzone gesehen gerät der Mond hingegen nur teilweise zwischen Erde und Sonne – und verdeckt auf diese Weise unser Zentralgestirn nur teilweise. Das Ergebnis ist eine partielle – teilweise – Sonnenfinsternis, wie sie in der Schweiz zuletzt 2015 zu beobachten war.

Und schliesslich kann es vorkommen, dass der Mond im Augenblick einer Sonnenfinsternis zu weit von der Erde entfernt ist, als dass er die Sonne vollständig verdecken könnte. Dann kommt es zu einer ringförmigen Sonnenfinsternis, bei welcher die Sonne rings um den zu klein erscheinenden Mond weiter strahlt.

Da ich in Neuss am Niederrhein, im nördlicheren Westen Deutschlands zur Schule ging, war zur Beobachtung der wirklich totalen Sonnenfinsternis eine mehrstündige Reise nach Süden in die Kernschattenzone unabdingbar – in unserem Fall nach Baden-Württemberg ins Schwabenland. Ich durfte dabei sein, da ich den Grundkurs Physik bei Herrn G. gewählt hatte, welcher Teil der Sonnen-Pilgergruppe war. So sind wir noch vor dem Morgengrauen mit zwei Reisebussen in Neuss gestartet, um bescheidenen Wetterprognosen zum Trotz nach der verfinsterten Sonne zu suchen.

Und ich habe damals mit 17 Jahren während des Ausflugs Protokoll geführt und es über all die Jahre aufbewahrt. Nun ist es an der Zeit, meine wohl älteste Geschichte über die spannende Natur auch offen zu erzählen:

11.8.1999, 3:05

Meine innere Uhr war wieder zuverlässiger als der Wecker: Um punkt 2:55 bin ich aufgewacht, früh genug, um ihn leise zu stellen. Meine Rückenschmerzen sind leider nicht weg, wie ich gehofft habe, aber damit werde ich wohl leben müssen, wenigstens heute noch.

3:55

Mittlerweile sitzen wir im Bus und warten auf Herrn G. und die anderen Begleitungslehrer. Dann kann es von mir aus losgehen. Inzwischen ist Herr T., unsere „weibliche Begleitperson“, eingetroffen und versucht uns zu zählen. Auch Herr S. zeigt sich inzwischen, wahrscheinlich sitzt Herr G. im vorderen Bus. Gerade hält „Sigi“, der Busfahrer, eine Ansprache und aktiviert den „Impulsantrieb“ [Ich war zu jener Zeit ein fanatischer Trekkie – man sehe mir daher die Star Trek-Vokabeln nach!]. Es geht los!

5:00

Es ist immer noch dunkel und wir fahren ohne Störungen immer weiter gen Karlsruhe. Gerade wurde in den Nachrichten eine Wetterprognose durchgesagt: Die besten Chancen auf Wolkenlücken gibt es in Saarbrücken, was heisst,  dass wir mit Karlsruhe eine gute Wahl getroffen haben [das ursprünglich geplante Ziel war Stuttgart, jedoch war dort nicht mehr mit freiem Himmel zu rechnen, sodass unsere Reiseleitung kurzfristig umdisponiert hatte].

Die Kernschattenzone der totalen Sonnenfinsternis vom 11. August 1999 vom Atlantik her nach Europa, durch Süddeutschland und am Nordrand der arabischen Halbinsel vorbei bis nach Indien. Die Randzone, in welcher eine partielle Sonnenfinsternis beobachtet werden konnte, erstreckte sich über den Osten Nordamerikas, ganz Europa, einen Grossteil Asiens und Nordafrika.
Animation des Verlaufs von Kernschatten- und Randzone der Sonnenfinsternis am 11.8.1999

Animation des Verlaufs von Kernschatten- und Randzone der Sonnenfinsternis am 11.8.1999

So hatten grosse Teile der Weltbevölkerung Gelegenheit – so denn das Wetter mitspielte – dieses Ereignis zu beobachten, und dementsprechend schlug es auch weltweit hohe Wellen in der Öffentlichkeit.

Ausserdem wurde berichtet, dass in Rio de Janeiro irgend so ein bekloppter Gefängniswärter alle seine wegen Mordes verurteilten Gefangenen freigelassen und sich mit ihnen besoffen hat, da er mit dem Weltuntergang rechnete. Also wenn jemand sagt, der Mensch wäre in den letzten Jahrhunderten irgendwie klüger geworden, muss ich ihm wohl unrecht geben! Heutzutage wird noch genauso viel Furore von wegen Weltuntergang um die Sonnenfinsternis gemacht wie es früher der Fall war, und es wird allerhöchstwahrscheinlich genauso laufen wie immer: Es wird ganz normal Donnerstag werden, dann Freitag, und so weiter.

Es gibt zahlreiche Überlieferungen quer durch die Weltgeschichte, in welchen die kurzzeitige Verdunklung der Sonne als Unglücks-Zeichen oder Missfallen der Götter gedeutet wird (die in der Bibel beschriebene mehrstündige Verfinsterung anlässlich der Kreuzigung Jesu gehört übrigens nicht dazu, denn der Tag der Kreuzigung ist auf einen Feiertag im jüdischen Kalender festgelegt, der niemals auf Neumond fällt).

So soll der griechische Philosoph und Mathematiker Tales von Milet in der Zeit eines Krieges zwischen Medern und Lydern (vermutlich 585 oder 581 v.Chr.) eine Sonnenfinsternis – als einer der ersten Menschen überhaupt – vorausberechnet haben. Als diese dann auch tatsächlich geschah, waren die Kriegsparteien so vom Unmut ihrer Götter erschüttert, dass sie ihre Kriegshandlungen schnellstens eingestellt und Frieden geschlossen haben sollen.

Solcher Aberglaube hat sich auch bis in die heutige Zeit, in der man die Umlaufbahnen von Monden und Planeten kennt und ziemlich genau berechnen kann, erstaunlich gut erhalten. Tatsächlich griffen solche Strömungen schon 1999, relativ zu Beginn des Internet-Zeitalters, derart um sich, dass selbst ich als astronomiebegeisterter Teenager ihren Einflüssen nicht ganz entkommen konnte.

Inzwischen haben wir den Rasthof Brohltal passiert und es beginnt zu dämmern. Ich habe meinen ersten Hunger mit einem Mettwurstbrot gestillt. Draussen giesst es in Strömen.

6:01

Die Fahrt verläuft weiterhin ohne Zwischenfälle. Mittlerweile ist es fast ganz hell, selbst die Bäume, die als letztes Farbe „annehmen“, sind nun grün. Wir sind jetzt irgendwo südlich von Koblenz mitten im Wald und es kommt gerade kein Schild. Eben setzte das Radio wieder ein, es hatte vorhin von einer Sekunde auf die andere aufgehört zu laufen. Ein Funkloch? Jedenfalls war das Einzige, das wir den Nachrichten entnehmen konnten, dass Millionen von Menschen nach Süden strömen (werden), um die Sonnenfinsternis zu sehen.

Wir sind jetzt 38 Kilometer vor Mainz und hören gerade, dass der Papst [damals Johannes Paul II.], ein „grosser Fan von himmlischen Ereignissen“ mit seinem „Privatflugzeug“ abheben und die Finsternis aus der Luft beobachten will. „Fan von himmlischen Ereignissen“, wie das schon klingt…

Jetzt haben wir schon ein Loch in den Wolken und eine Menge Hoffnung auf gutes Wetter, auch wenn die Meteorologen anderer Meinung sind. Inzwischen sind wir bei Bad Kreuznach und es ist fast taghell.

6:55

Schon wieder ist eine Stunde rum und immer noch keine Komplikationen. In wenigen Kilometern erreichen wir eine Raststätte und machen eine halbe Stunde Pause. Eigentlich könnte ich jetzt durchfahren. Aber wir werden schon langsamer, gehen in den „Orbit“ um die Raststätte. Argh! Jetzt ist mir der Deckel vom Stift runtergefallen! – Jetzt heisst es aussteigen.

7:34

Die Pause ist vorbei und die „Impulstriebwerke“ laufen wieder auf Hochtouren. In der Raststätte habe ich endlich ein Mittel gegen den rebellischen Rücken gefunden: Eine Tasse heissen Kamillentee. Der soll einerseits bei Verdauungsstörungen helfen, andererseits gibt er an Ort und Stelle Wärme ab, ist also eine Wärmflasche von innen. Warum bin ich darauf nicht schon früher gekommen? Für den Tee und eine Laugenbrezel habe ich 4,50 DM ausgegeben.

Jetzt sind wir wieder unterwegs nach Karlsruhe (ein Hinweisschild habe ich schon vor der Pause gesehen). Gerade sagen sie im hessischen Rundfunk, dass sie in den letzten Tagen die begehrten Finsternisbrillen verlost haben, und dass sie ab morgen wieder überall günstig zu haben sind.

Die Sonne sendet grosse Mengen Licht, aber auch unsichtbare UV- und Infrarotstrahlung bis zur Erdoberfläche. Unsere Augen sind dafür geschaffen, den sichtbaren Anteil dieser Strahlen, wenn sie von unserer Umgebung gestreut und zurückgeworfen werden, mittels lichtgetriebener chemischer Reaktionen zu „sehen“.

Wenn wir allerdings mit unserem Blick direkt die Sonne am Himmel streifen, ist uns das in der Regel höchst unangenehm. Und das aus gutem Grund: Die geballte Strahlung direkt aus der Sonne reicht, bei längerer Einwirkung als nur einen Augenblick, aller abschirmenden Atmosphäre zum Trotz aus, um nicht nur die Chemie in den Sehzellen unrettbar durcheinander zu bringen, sondern auch um die Netzhautzellen regelrecht zu grillen. Und unsere Netzhaut hat selbst keine Schmerz-Sensoren, sodass wir das noch nicht einmal mitbekommen!

Mit anderen Worten: Der direkte Blick in die Sonne, länger als für eine kurze Streifung, kann zur Erblindung führen! Und das gilt selbst für kleinste Bereiche der noch sichtbaren Sonnenscheibe während einer Finsternis! Deshalb müssen für direkte Beobachtung der Sonne hoch leistungsfähige Filter verwendet werden.

Im Vorfeld einer Sonnenfinsternis gab und gibt es deshalb spezielle „Sonnenfinsternis-Brillen“ im Handel: Papp-Gestelle, in welchen eine spezielle Mylar-Folie anstelle von Gläsern angebracht ist. Diese Folie ist mit einer dünnen Schicht Aluminium oder einer Chrom-Legierung versehen, die mindestens 99,997% des auf sie treffenden sichtbaren Lichts und mindestens 99,5% der Infrarot-Strahlung einfach spiegelt anstatt sie durchzulassen. Die verbleibenden 0,003% des sichtbaren Sonnenlichts reichen aus, um die Finsternis eindrücklich und sicher zu verfolgen. Der gleiche Effekt kann mit Schweisserglas Stufe 14 erreicht werden. Alle anderen Hilfsmittel sind als Sonnenfilter mehr oder minder ungenügend! Für optische Geräte wie Teleskope, die die Sonnenstrahlung naturgemäss bündeln, müssen sogar noch stärkere Filter verwendet werden, die unbedingt vor das Objektiv gehören, wo sie das Licht filtern, bevor es in das Gerät fällt.

[Die Handschrift wird plötzlich unsauber.] Was ist denn hier mit der Autobahn los? Die ist ja ganz hubbelig!

Mittlerweile haben wir nur noch eine dünne Wolkendecke und hoffen alle, dass wir einen mehr oder weniger klaren Himmel haben werden, auch wenn Herr G. schon ganz skeptisch zum Himmel geschaut hat.

8:20

Wir haben den ersten Stau. Wir bewegen uns schrittweise durch einen Wald. Gerade haben Nacera [meine Schulkameraden aus Marokko und ebenfalls ein „Nerd“] und ich in einer Zeitschrift einen Artikel über kollidierende Galaxien gelesen, als wir feststellten, dass die „Impulstriebwerke“ auf Leerlauf geschaltet sind. Ein sicheres Zeichen dafür, dass wir die Kernschattenzone bald erreicht haben dürften.

Je näher wir unserem Ziel kommen, desto mehr festigt sich meine Einstellung, dass das ganze Getue mit dem Weltuntergang reiner Unsinn ist.

8:33

Hoppla! Wir sind ja schon in Karlsruhe! Da waren Nacera und ich so in Zeitschrift und Aufzeichnungen vertieft, dass wir das gar nicht gemerkt haben. Jetzt müssen wir nur noch heil zum Messeplatz gelangen.

9:14

Der „Messeplatz“ war gar kein Messeplatz, sondern ein „Messplatz“ mit einer Strassenbahnhaltestelle namens „Tullastrasse“. Nach einer gründlichen Analyse des Fahr- und Linienplans sind Nacera und ich überein gekommen, in die andere Richtung zu fahren als die anderen, und haben uns prompt verfahren. Jetzt sind wir mit der Linie 2 unterwegs zum Hauptbahnhof um erstmal einen Stadtplan zu finden.

9:54

Wir haben den Schlossplatz gefunden! Hier wird ab 11:12:12 eine Vertonung der Sonnenfinsternis stattfinden. Auf den Wiesen vor dem Schloss und an den Brunnen lagern bereits einige hundert Leute, und es treffen ständig neue ein. Die Himmelsrichtung Süden zu bestimmen war eine Kleinigkeit, da schon mehrere Fernrohre aufgebaut und ausgerichtet sind. Rund um den Schlossplatz haben sich Fressbuden, Bierzelte, mobile Toiletten und eine Unfall-Hilfestelle der Malteser geschart, und ein Streifenwagen fährt Patrouille.

Alles in allem riecht es hier nach Abenteuer und wir sitzen tatsächlich schon zeitweise in der Sonne, auf dem Rand eines Brunnens zwischen riesigen Lautsprecherboxen.

10:47

Es wird kalt. Aber nicht, weil es dunkel wird, sondern weil eine Wolke vor der Sonne vorbei zieht. Wenn sie in wenigen Minuten vorbei ist, kommt wieder ein Abschnitt mit vielen Sonnenlöchern. Jetzt füllt sich der Schlossplatz so langsam, und mittlerweile ist eine ganze Armada von optischen Geräten auf die Sonne gerichtet.

Nacera und ich haben gerade die Lektüre über einige unglaubliche Energiequellen beendet. Zwei Flugzeuge mit riesigen Bannern ziehen ihre Kreise, leider zu hoch um lesen zu können, was draufsteht. Noch sind die Sonnenstrahlen in einer Wolkennische sichtbar und die Sonnenfilterbrillen werden fleissig erprobt. Die Spannung steigt.

11:12:12

Eine Leuchtrakete wird abgeschossen. Der Beginn der ersten Phase der Sonnenfinsternis wird mit einem elektronischen Tusch eingeleitet. Und genau in diesem Moment schiebt sich eine dicke Wolke davor. Na toll! Die Glocke am Schloss läutet, die Motoren der Flugzeuge rumoren und die Menge ist frustriert.

11:36

Ein Raunen geht durch die Menge. Die Sonne blinzelt durch die Wolken. Ich setze meine Brille auf. Als sich meine Augen an den Filter gewöhnt haben, stelle ich fest, dass die Sonne wie ein angebissener Keks aussieht, der Mond schiebt sich aus dem Nordwesten darüber. Dann legen die „Musiker“ los. Es ist faszinierend.

12:00

Gerade beschert uns eine dicke Wolke eine Pause und ich merke – Irrtum! Keine Pause! Die Musik setzt wieder ein und ein Riesenloch erreicht die Sonne, die inzwischen eher wie eine Mondsichel aussieht. Die Schatten der Leute weisen zwar auf die Mittagssonne hin, aber die Intensität des Lichts ist schon merklich geringer.

Ich hatte das Glück, auch die partielle Sonnenfinsternis im März 2015 am späten Vormittag in der Schweiz beobachten zu können. Solch ein Ereignis ist bei klarem Himmel auch nicht zu verpassen, denn selbst bei einer nur teilweisen Bedeckung der Sonne durch den Mond – damals waren „nur“ maximal 2/3 bis 3/4 der Sonnenscheibe verdunkelt – nimmt die Helligkeit des Tages merklich, um nicht zu sagen dramatisch ab. Ähnlich wie am 11. August 1999 um 12 Uhr mittags wurde das Licht auch an jenem Tag in der Schweiz schwächer, irgendwie fahl – ähnlich einer vorzeitigen Abendstimmung.

12:15

Die elektronische Musik weist neben Vogelstimmen jetzt erstmals vereinzelt Akkorde auf. Durch vorbeiziehende Wolken glaubt man den Mond wandern zu sehen. Der grosse Augenblick ist nahe und die Wetterprognose ist astrein. Unterhalb der Sonne hängt ein roter Luftballon einsam im Himmel. Der Wind wird merklich kühler.

12:22

Die Finsternis geht ihrem Höhepunkt entgegen. Die Sichel der Sonne misst scheinbar nur noch Millimeter, das Licht wird immer schwächer und die Buh-Rufe der Schaulustigen wegen Wolkenfetzen werden vom Donnern der Lautsprecher begleitet.

12:29

Plötzlich nimmt das Licht ruckartig ab, die Sichel wird kürzer, die Musik weist geheimnisvolle Akkorde auf, Leuchtraketen werden abgeschossen, Jubelschreie werden laut, alle stehen auf wie zum Gebet, wir nehmen die Brillen ab.

12:30

Corona.

Totale Sonnenfinsternis am 11.8.1999, aufgenommen in Frankreich

Totale Sonnenfinsternis am 11.8.1999, aufgenommen in Frankreich. Luc Viatour www.lucnix.be [GFDL, CC-BY-SA-3.0 or CC BY-SA 2.5-2.0-1.0], via Wikimedia Commons

12:40

Es wird erstaunlich schnell wieder hell. Wir werfen letzte Blicke auf die wieder aufflammende Sonne, da die nächsten Wolken nahen. Ich erinnere mich an einen Stern, der unterhalb der Corona stand, wohl ein Planet. Es war überwältigend.

Die Korona ist die Atmosphäre der Sonne – auch wenn man die freilich nicht atmen sollte. Sie besteht nämlich aus ionisiertem Plasma, also elektrisch geladenen Atom-Trümmern, und ist mit einigen Millionen °C um Vieles heisser als die Oberfläche der Sonne mit ihren rund 5000°C. Warum die Korona so furchtbar heiss ist, weiss man noch nicht genau.

Voraussetzung dafür ist jedenfalls, dass die Korona eine sehr geringe Dichte hat, also aus sehr dünn verteilten Teilchen besteht. Denn die Temperatur ist letztlich unsere Wahrnehmung der Bewegungsenergie und damit der Geschwindigkeit dieser Teilchen. Und die brauchen Platz, wenn sie so unglaublich schnell werden wollen, ohne sich ständig ins Gehege zu kommen und einander auszubremsen. Die hohe Temperatur der Korona führt auch dazu, dass sie von sich aus leuchtet, wenn auch längst nicht so stark wie die Sonne selbst. Deshalb wird die Sonnenatmosphäre auch nur während einer totalen Sonnenfinsternis sichtbar, wenn der Mond das Licht der Sonne vollkommen „ausblendet“.

Im Jahr 1999 hatten wir das Glück, dass die Sonne zum Zeitpunkt der Finsternis eine besonders aktive Phase hatte, wie sie alle 11 Jahre vorkommt. So konnte man mit ein wenig vergrössernder Optik in der Korona zahlreiche Protuberanzen beobachten. Das sind Ausbrüche von Materie aus der Sonnenoberfläche, die bei einer Dicke von bis 5000km bis zu 40.000km über die Sonnenoberfläche und damit auch deutlich über den Rand des Mondes hinausragen können. Auf dem Foto sind sie als rote Schleifen, die von der Sonne in die Korona hineinragen, zu erkennen.

Den Beginn und das Ende der totalen Phase markieren übrigens jene Augenblicke, in welchen die letzten Sonnenstrahlen durch die Zacken der Mondgebirge hindurch auf die Erde blinzeln. Das Ergebnis ähnelt einem Sonnenauf- oder untergang in den Bergen: Dort, wo die Sonnenstrahlen ihren Weg durch eine Spalte finden, funkelt der Berg – oder der Mond- gleich einem riesigen Brillianten. Deshalb wird diese Erscheinung des „funkelnden“ Mondes vor der Sonnen auch „Diamantring-Effekt genannt.

Jetzt wird aus der fälschlichen Abendstimmung eine fälschliche Morgenstimmung, so auch die Musik: Die „aufgehende“ Sonne wird von vogelartigen Klarinettentönen begleitet, die Sichel wächst im Walzertakt. Mittlerweile glaubt man wieder den Mond zu sehen, der da durch die Wolken blinzelt, so ähnlich sieht ihm die Sonnensichel.

Ein Käfer krabbelt über meine Hose, ein Hund bellt: Das Leben kehrt wieder.

18:07

Wir stehen im Stau und sind noch nicht mal richtig auf der Autobahn. Gerade ist eine ewig lange Stauvorhersage zu Ende gegangen, die zum grössten Teil wahrscheinlich unsere Strecke betrifft.

Nachdem die Finsternis vorbei war, fing es an zu regnen und Nacera und ich sind in die Stadt gegangen um etwas zu essen. Da es beim gelben „M“ zu voll war, sind wir zu einem Italiener gegangen, bei dem wir dann eine Stunde warten mussten, bis wir bestellen konnten, und eine halbe Stunde, bis die Pizza kam. So wurde aus „einmal eben eine Pizza essen“ eine 2-Stunden-Aktion. Danach waren wir mehr oder weniger nass und sind ein wenig mit der Strassenbahn durch Karlsruhe gefahren. Später haben wir uns im Foyer eines Museums aufgewärmt und sind auf Umwegen zum Bus zurück gelaufen und gefahren.

Mittlerweile fährt Sigi uns wieder zurück nach Karlsruhe; wahrscheinlich weiss er einen anderen Ausweg. [Tatsächlich haben wir es dank Sigi noch am gleichen Tag zurück nach Neuss geschafft!]

Die nächste Möglichkeit eine – in diesem Fall ringförmige – Sonnenfinsternis zu beobachten gibt es am 1. September 2016 in Afrika. Die nächste totale Sonnenfinsternis gibt es am 21.8.2017 in den USA. Diese Finsternis wird auch in Mitteleuropa bei Sonnenuntergang als partielle Finsternis sichtbar, allerdings wird hier nur etwa 1/1000 der Sonnenscheibe vom Mond bedeckt werden. Erst am 10.6.2021 wird eine ringförmige Sonnenfinsternis im hohen Norden auch bis nach Norddeutschland hinein partiell zu sehen sein. Eine totale Sonnenfinsternis werden wir in Europa jedoch erst im September 2053, anbei an meinem Geburtstag, in Spanien wieder beobachten können. Meine Karten, die noch zu erleben, stehen bislang recht gut und ich hoffe, dann noch fit genug für eine Reise in den Süden zu sein und dieses beeindruckende Spektakel noch einmal geniessen zu können.

Und hast du auch schon eine Sonnenfinsternis beobachten können? Wie waren deine Eindrücke?

Der Weihnachtsstern : Himmelsphänomen oder Fantasieprodukt?

Als Beitrag zum Blogger-Adventskalender im Forum auf meinbloggerforum.de gibt es heute eine kleine vorweihnachtliche Geschichte…

Stern über Bethlehem, zeig uns den Weg,
Führ uns zur Krippe hin, zeig, wo sie steht,
Leuchte du uns voran, bis wir dort sind,
Stern über Bethlehem, führ uns zum Kind…

Sarah sang leise vor sich hin, während sie eiligen Schrittes den langen Korridor entlang lief, darum bemüht mit ihrem Onkel Schritt zu halten. ‚Heute finde ich den Weihnachtsstern‘, dachte sie voller Vorfreude. Onkel Balthasar war Astronom in einer grossen Sternwarte, und heute hatte Sarah ihn dorthin begleiten dürfen, um das grosse Teleskop zu sehen und die Himmelsforscher bei ihrer Arbeit zu beobachten. Und um den Weihnachtsstern zu finden. Genauer gesagt, um heraus zu finden, was den Weihnachtsstern, den „Stern von Bethlehem“, so besonders machte.

Die Himmelsforscher waren nämlich furchtbar kluge Leute, die mehr über Sterne wussten als jeder andere. Schliesslich hatten sie all diese kompliziert aussehenden Instrumente und Computer, die Sarah nun vor sich sah, als die grosse Tür zum Kontrollraum sich vor ihnen öffnete. Rings umher blinkte und funkelte es von unzähligen Anzeigen und Armaturen. Und in der Mitte, gleich gegenüber der Tür, gewährte eine grosse Glasscheibe den Blick auf das grosse Teleskop in seiner Kuppelhalle.

Während Sarah sich mit staunenden Augen umsah, bemerkte sie kaum, wie der Onkel sie behutsam durch den Türrahmen in den Raum hinein schob. Zwei Männer wandten sich ihnen auf ihren Drehstühlen von den Armaturen her zu und sehen Onkel Balthasar und Sarah freundlich an.

„Das sind meine Kollegen Kaspar Kälin und Melchior Moretti“, stellte der Onkel sie vor, und beide nickten ihnen zu.

„Und du bist bestimmt Sarah, von welcher uns dein Onkel schon so viel erzählt hat.“

Kurz sah Sarah zu ihrem Onkel empor, ehe sie den beiden aufgeregt zunickte und grüsste. Wäre sie nur nicht so klein! Dann müsste sie nicht so angestrengt zu den grossen Kerlen hinaufschauen. Aber das war eben die Welt der Neunjährigen. Fast alles in der Welt war ein kleines Stück zu gross. Und gross waren nicht nur die Astronomen und ihre blinkenden Armaturen, sondern vor allem das Teleskop hinter der Glasscheibe.

„Wow“, entfuhr es Sarah, als ihre Füsse sie wie von selbst auf das Fenster zu trugen. „Damit schaut ihr jede Nacht in den Himmel? Damit muss man ja eine Menge sehen können…Da kennt ihr bestimmt jeden Stern und wisst alles über sie!“

„Sagen wir, ziemlich viel“, erklang Kaspars Stimme hinter ihr, und Sarah konnte ihn geradezu schmunzeln hören. Der sollte mal nicht so bescheiden tun.

„Was denn zum Beispiel?“, fragte Sarah herausfordernd, noch während sie sich umwandte.

„Was weisst du denn schon über die Sterne?“, gab Kaspar die Frage ruhig zurück, „Weisst du, warum sie am Himmel leuchten?“

„Na klar“, antwortete Sarah ohne Zögern. „Die Sterne sind superriesengrosse, wahnsinnig heisse Gaskugeln, die wie Feuer leuchten! Onkel Balthasar sagt, tief innen drin in einem Stern werden kleine Atome zu Grösseren zusammengeschmolzen, was das Feuer in Gang hält. Aber sie sind ganz, ganz weit weg, sodass wir sie nur als ganz kleine Punkte am Himmel sehen und nicht merken, dass sie heiss sind.“

Noch während Kaspar nicht ohne Erstaunen zu ihr hinabsah und nickte, kam Sarah ein Gedanke, der sie anfügen liess: „Habt ihr das Zusammenschmelzen in eurem Riesenteleskop gesehen?“

Kaspar mass den Onkel mit einem vielsagenden Blick und sah dann zum Teleskop hinüber. „Nein, so stark ist nicht einmal unser Teleskop. Selbst in die Sonne können wir damit nicht so genau hinein schauen. Aber die Sterne verraten uns trotzdem eine Menge über die Atome, aus denen sie bestehen.“

Nun machte Sarah grosse Augen. „Wie denn das?“

Der andere Himmelsforscher mit Namen Melchior schaltete sich ein. „Hast du schon einmal ein Prisma gesehen? Einen regelmässig geschliffenen Glasgegenstand, der das Licht in Regenbogenfarben zerlegt?“

Sarah nickt eifrig. Bei Onkel Balthasar hatte sie einmal solch ein Prisma gefunden und mit grosser Freude Regenbögen aus jedem Lampenschein gemacht.

Und Melchior fährt fort: „So eine Art Prisma können wir auch in das Teleskop einbauen. Wenn wir es dann auf einen Stern richten, sehen wir das Sternenlicht nicht mehr weisslich, sondern in all seine Farben zerlegt – als Regenbogen. Und das sieht dann so aus.“ Damit deutete er auf einen Bildschirm, welcher nun eine bunte Regenbogen-Grafik zeigte:

 

Lichtspektrum mit Fraunhofer-Linien

 

„So schön!“, ruft Sarah aus und betrachtet aufmerksam das Bild. „Nur schade, dass der Bildschirm irgendwie kaputt ist. Da sind ja überall schwarze Linien drauf!“

Melchior lachte leise, während er sich von hinten über sie beugte. „Der Bildschirm ist in bester Ordnung. Diese Linien gehören zu dem Bild – man nennt es ein Spektrum des Sternenlichts – und sie sind das, was für uns Himmelsforscher so spannend ist. Überall, wo eine schwarze Linie auftaucht, fehlt nämlich die entsprechende Regenbogenfarbe.“

„Die Farben fehlen? Wo sind sie den weggekommen? Hat irgendwas sie aufgefressen?“

„Hm…so könnte man es sagen“, erwidert Melchior. „Die Lichtfresser, die hier am Werk sind, sind die Atome des Sterns. Jede Sorte von Atomen ist nämlich auf seine ganz eigene Weise gebaut und kann Licht in ganz bestimmten Farben schlucken.“

Sarah dachte ein Weilchen scharf nach, ehe sie langsam nickte. Onkel Balthasar hatte ihr einmal von den Atomhüllen-Häusern erzählt, in welchen die Elektronen mit Hilfe der Lichtenergie zwischen den Etagen Aufzug fahren. Nur wenn ein Elektron die passende Energieportion erhält, kann es ein höher gelegenes Stockwerk erreichen und „schluckt“ dabei das Licht.

„Dann entsteht also jede schwarze Linie, weil es Elektronen gibt, die genau die dortige Farbe schlucken?“

„So ist es“, bestätigt Melchior. „Und weil wir wissen, in welchen Atomsorten es welche Etagen-Abstände gibt, verraten uns die schwarzen Linien, welche Sorten von Atomen zwischen uns und dem Ursprung des Lichtes sind.“

„Aber Onkel Balthasar sagt, im Weltraum ist gar nichts, zumindest fast!“, wendet Sarah ein.

„Deswegen funktioniert der Trick mit den Linien ja so wunderbar. Das Licht eines Sterns kommt tief aus seinem Inneren. Das heisst, es muss an den Atomen seiner Aussenschicht vorbei, wenn es nach draussen strahlt. Dabei werden bestimmte Farben geschluckt, während das Licht auf seinem Weg durch den Weltraum nahezu ungestört bleibt. Sofern uns die Atome in der Lufthülle der Erde nicht in die Quere kommen, können wir so die Linien sehen, die in der Aussenschicht des Sterns entstanden sind.“

„Und die Linien zeigen auch, wie die Atome verschmelzen?“

„Nicht direkt. Das Verschmelzen findet nämlich ganz tief in der Mitte des Sterns statt. Und leider sind Sterne innen völlig undurchsichtig. Aber wenn wir einmal wissen, welche Atome es in der Aussenschicht gibt, kann ein Computer ausrechnen, wie sie dort hingekommen sind.“

„Wie kamen sie denn dort hin?“

„Die meisten Atome, Wasserstoff und fast alles Helium, sind freilich Urzeit-Staub, der schon so uralt ist wie das Universums selbst und sich irgendwann zu einem Stern zusammengeballt hat. Ein paar Atome schwererer Elemente sind allerdings jünger. Diese sind, so haben Computer es ausgerechnet, im Innern von Urzeit-Sternen, wo es unglaublich heiss war und die Atome unglaublich dicht aufeinander gedrückt wurden, zusammengeschmolzen worden. Anschliessend sind die Urzeit-Sterne wieder zu Staub geworden, der sich zu unseren heutigen Sternen zusammengeballt hat. Und da es in deren Innern wieder heiss und dicht ist, können dort wieder Atome verschmolzen werden und die Sterne zum Leuchten bringen.“

Darüber musste Sarah eine ganze Weile nachdenken. „Und der Weihnachtsstern, der über Bethlehem geschienen hat“, fragt sie schliesslich, „war der so ein Urzeit-Stern? Sind in ihm vielleicht ganz besondere Atome entstanden?“

Diese Frage hatte dazu geführt, dass Onkel Balthasar ihr den Besuch in der Sternwarte versprochen hatte und sie nun hier war. Voller Spannung sah Sarah zu den Himmelsforschern auf – und verspürte aufkommende Enttäuschung, als sie die hilflosen Blicke las, welche die drei untereinander austauschten. Echt jetzt? Da hatten sie so viel Wissen und all diese Geräte… und waren schon damit am Ende?

Doch noch ehe ihre Enttäuschung sich wirklich zeigen konnte, ergriff Kaspar wieder das Wort: „Weisst du, der Weihnachtsstern macht selbst uns gewisse Schwierigkeiten. Denn er hat ja vor sehr, sehr langer Zeit, vor über 2000 Jahren, geleuchtet und war, nach allem, was wir wissen, nur wenige Wochen am Himmel zu sehen. Aber ein Urzeit-Stern war er nicht. Die ersten Sterne haben nämlich vor über 10 Milliarden Jahren geleuchtet – das ist eine 1 mit 10 Nullen, oder eine Million mal früher als der Weihnachtsstern zu sehen war.“

„Das ist unvorstellbar lang…Damit ist der Weihnachtsstern ja irgendwie schon wieder…modern“, überlegte Sarah. „Dann könnten in seinem Innern trotzdem neue Atome entstanden sein…“

„Was der Weihnachtsstern über Betlehem wirklich war, können wir heute nur raten“, erklärte Kaspar weiter. „Denn die Himmelsforscher, die damals die Sterne beobachtet haben und einem von ihnen nach Betlehem gefolgt sein wollen, hatten weder Teleskope noch Computer. Sie konnten nur deuten, was sie mit ihren eigenen Augen sahen und mit einem Schreibstäbchen auf ihren Tontafeln rechnen und für später aufschreiben konnten.“

„Und was habt ihr daraus erraten können?“, drängte Sarah weiter. Konnte das Rätsel um den Weihnachtsstern nun doch eine Lösung haben?

Onkel Balthasar liess sich auf einem Drehstuhl nieder und zog sie auf seinen Schoss, um sich mit ihr einem weiteren Terminal zuzudrehen. Ein paar Tastendrücke später erschien darauf ein farbenfroher Weltraum-Nebel.

„Es kommt vor“, erklärte der Onkel, „dass ein scheinbar neuer Stern aufleuchtet, wenn ein uralter Stern am Ende seines Lebens explodiert. Eine solche Explosion, die wir Nova oder, wenn sie richtig heftig ist, Supernova nennen, hinterlässt aber „Dreck“: leuchtende Nebel im Weltraum, die man auch Jahrtausende danach noch sehen kann.

Krebs-Nebel : Überrest einer Supernova, die für den Weihnachtsstern rund 1000 Jahre zu spät erschien.

Die Explosion dieses Sterns wurde im Jahr 1054 nach Christi Geburt am Himmel sichtbar. Himmelsforscher haben den hellen neuen Stern, der damals ganz plötzlich aufgetaucht war, bemerkt und ihre Beobachtung aufgeschrieben. Dieses Bild hat allerdings das Teleskop „Hubble“, das im leeren Weltraum um die Erde kreist, erst vor ein paar Jahren aufgenommen. Computer können den Weg der Nebelschleier zurückrechnen und kommen zu dem Ergebnis, dass sie im Jahr 1054 in einem Stern vereint waren und von da an auseinandergeflogen sind. Damit passt der „Krebs-Nebel“ wunderbar zu den Notizen von damals. Einen solchen Nebel, der um das Jahr 0 herum entstanden sein muss, hat aber noch niemand gefunden.“

„Dann war der Weihnachtsstern also keine Sternenexplosion…irgendwie schade“, kommentiert Sarah.

Der Onkel tippte schon wieder auf der Konsole herum, und als nächstes erschien ein Bild von einem leuchtenden Himmelskörper mit einem beeindruckenden Schweif.

„Der sieht ja aus wie der Stern auf unserer Holzkrippe!“, ruft Sarah aus.

„Allerdings“, stimmt Onkel Balthasar zu und fährt fort, „Das ist ein Komet – ein grosser Klumpen aus Stein und Eis, der auf einer sehr, sehr langen Bahn um die Sonne kreist und immer dann, wenn er in ihre Nähe gerät, vom Sonnen-Gegenwind einen Schweif bekommt.“

„So wie der Wind beim Radfahren meinen Pferdeschwanz hinter mir her flattern lässt! – Dann ist der Weihnachtsstern auch so ein Komet?“

„Das glaubten zumindest die Bibelforscher in den ersten beiden Jahrhunderten nach Christi Geburt, weshalb schon auf sehr alten Bildern vom Stall in Bethlehem der Stern als Komet mit Schweif dargestellt wird. Allerdings können wir heute die Bahnen der Kometen ziemlich genau berechnen und wissen, wann sie an der Sonne vorbeikommen – und vorbeigekommen sind.“

„Und…?“

„Unglücklicherweise ist einer der berühmtesten Kometen, der Halley’sche Komet, im Herbst des Jahres 12 vor  Christi Geburt am Himmel erschienen – also eindeutig ein paar Jahre zu früh, selbst wenn man alle Ungenauigkeiten berücksichtigt, die die Historiker erlauben. Um das Jahr 0 herum gab es dafür keinen Kometen. Dafür spricht übrigens auch, dass scheinbar niemand ausser den Gestalten in der Bibel einen bemerkt und etwas darüber aufgeschrieben hat.“

Wieder spürte Sarah die Enttäuschung aufkommen. „Aber…Was ist der Weihnachtsstern dann gewesen?“

Noch einmal tippte der Onkel auf den Tasten, und dieses Mal erschien ein Abbild des Sternenhimmels, auf welchem sich zwei einzelne Sterne langsam zwischen den anderen hindurch und aufeinander zu bewegten.

„Die hellsten scheinbaren Sterne am Himmel sind die Planeten unseres Sonnensystems, die von der Sonne angeleuchtet werden. Anders als richtige Sterne, die gemeinsam auf- und untergehen, wandern Planeten auf Bahnen, die wir berechnen können, über den Nachthimmel. Man findet sie deshalb jede Nacht ein Stück weitergerückt, sodass sie sich über Wochen am Himmel entlang zu bewegen scheinen. Und wenn sich zwei der ohnehin schon hell leuchtenden Planeten dabei am gleichen Flecken „begegnen“, erscheinen sie dem blossen Auge gemeinsam als ein noch hellerer Stern.“

„Und das ist im Jahr 0 passiert?“

„Wenn man die Bewegungen der Planeten auf ihren Bahnen zurückrechnet, stellt man fest, dass Jupiter und Venus sich im Jahre 3 vor Christi Geburt auf diese Weise am Himmel begegnet sein müssen. Und das gleich 3 Mal innerhalb weniger Wochen! Drei Jahre zu früh liegt ausserdem im Bereich der Ungenauigkeiten, die die Historiker dulden. Darüber, ob die Himmelsforscher aus dem Morgenland sich daraus ihrer Zeit einen Reim auf Bethlehem als Geburtsort eines neuen Königs machen konnten, ist man sich heute allerdings nicht einig.“

„Aber möglich wärs?“

„Hm…vermutlich“, räumt Onkel Balthasar ein. „Am wahrscheinlichsten ist, dass die weisen Himmelsforscher die Wege und Standorte der Planeten am Himmel, zu denen auch das Treffen zwischen Jupiter und Venus gehörte, mit ihrer eigenen Astrologie gedeutet haben. Und weil diese Astrologie wohl ziemlich kompliziert war, hat der Evangelist Matthäus, der in seiner Weihnachtsgeschichte in der Bibel von den Weisen aus dem Morgenlang geschrieben hat, das Ganze schlicht und einfach als ‚Stern über Bethlehem‘ beschrieben.“

„Dann gibt es also kein Regenbogenspektrum, das euch etwas über den Weihnachtsstern erzählen könnte? Ich hatte so gehofft, es würde etwas ganz Besonderes sein…“

Jetzt kamen die drei Himmelsforscher in der Sternwarte gehörig ins Grübeln.

„Vielleicht doch“, meinte Kaspar schliesslich, „Wenn die Weisen aus dem Morgenland über den Aufbau der Atome und die Linien im Spektrum Bescheid gewusst und ein Teleskop mit Prisma zur Hand gehabt hätten, hätten sie damit das Sonnenlicht sehen können, das von den angestrahlten Planeten zurückgeworfen wurde. Und damit hätten sie, wenn sie die Linien der Sonne gekannt hätten, etwas über die Atome in den Gashüllen der Planeten erfahren können.“

Sarah konnte das breite Lächeln ihres Onkels in der spiegelnden Bildschirmoberfläche sehen, als der hinzufügte: „Der Weihnachtsstern mag zwar keine leuchtende Gaskugel sein, wie die anderen Sterne. Aber dass er etwas über die Planeten unseres Sonnensystems zu erzählen wusste, macht ihn trotzdem zu etwas ganz besonderem, findest du nicht?“

Lächelnd nickt Sarah dem Bildschirm zu, dann drehte sie sich um: „So wie du! Wer hat schon einen Onkel, der so schlaue Freunde hat und so viel über Sterne weiss?“

„Und wer hat schon eine Nichte, die sich so für Sterne begeistern kann?“

Anstatt etwas zu erwidern schlang Sarah dem Onkel die Arme um den Hals und drückte ihn einfach an sich. Dann sah sie mit leuchtenden Augen zu ihm auf. „Zeigst du mir jetzt, wie das grosse Teleskop funktioniert…?“

 

Und wer (oder was) ist für euch (nicht nur an Weihnachten) etwas Besonderes?