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Kürbis und Kaltes Feuer : Halloween

Dieser Beitrag erscheint anlässlich des ersten Blogging Day – organisiert vom wunderbaren Bloggerforum auf meinbloggerforum.de – und neu auch im Rahmen der Kürbis-Blogparade auf „Gesundheit lenkt Energie“

Halloween ist ein Inbegriff für lange, dunkle Nächte, für Grusel und Geistererscheinungen, die gemäss altem Brauch in der Nacht vor Allerheiligen auf Abstand gehalten werden sollen. In der heutigen Zeit bedeutet Halloween jedoch vielmehr Partyspass und angenehm-schauerliche Events.

Ob es  um historische Schreckgespenster oder neuzeitliche Party-Geister geht, beim nächtlichen Spuk sind rätselhafte Lichteffekte, geisterhaftes Leuchten und kaltes Feuer, unverzichtbar.

Diese ‚Geschichte‘ lüftet das Geheimnis von drei Sorten gespenstischer Lichtphänomene, mit welchen du auch deiner Halloween-Party einen magischen Gänsehauteffekt verleihen kannst.

Fluoreszenz

Kathi und Reto arbeiten eifrig an ihrer Halloween-Dekoration. Reto ist in der Küche beschäftigt, möchte einen Kürbis schnitzen, als plötzlich ein derber Fluch ertönt.

„Das Messer ist abgebrochen“, erklärt Reto, als Kathi aufgeschreckt herbeigestürzt kommt, „so wird das nichts mit dem Schnitzen…“

„Dann nimm doch den hier, und zeichne dem Kürbis das Gesicht einfach auf.“ Kathi drückt ihrem Freund einen Filzschreiber in die Hand und ist schon wieder im Wohnzimmer verschwunden.

Kurz darauf tönt es aus der Küche: „Was soll denn das? Die Tinte sieht man ja gar nicht!“

„Du wirst sie schon sehen!“, ruft Kathi zurück, während sie eben eine ziemlich schwarzviolette Glühbirne in die Lampe auf der Fensterbank schraubt, „zeichne einfach und dann bring den Kürbis hier rüber!“

Was hat Kathi vor?

Die dunkelblaue, fast schwarz erscheinende Lampe strahlt nur wenig sichtbares, dafür aber umso mehr ultraviolettes Licht ab. Die unsichtbare Tinte des Filzstifts, mit dem Reto das Kürbisgesicht zeichnen soll, enthält eine fluoreszierende Substanz. Das ultraviolette bzw. „Schwarz“-Licht kann diese Substanz zum Leuchten, zur Fluoreszenz anregen und das Gesicht auf dem Kürbis sichtbar machen.

Halloween einmal feuerfest: fluoreszierendes Kürbis-Gesicht - nur unter UV-Licht sichtbar!

Fluoreszenz: Dieses Kürbisgesicht wird erst unter UV-Licht (380 nm) offenbart!.

Was ist Fluoreszenz?

Das Leuchten unter Schwarzlicht, das man auch Fluoreszenz nennt, kommt im Prinzip genauso zu Stande wie die Farben, die wir bei sichtbarem Licht sehen: Auf den fluoreszierenden Stoff fällt Licht, einzelne Lichtquanten werden von Elektronen in der Elektronenhülle der Atome darin geschluckt und zum Umzug auf ein passendes, höheres Energieniveau ‚verwendet‘.

Die meisten Lichtquanten aus Kathis schwarzer Glühbirne haben jedoch besonders kurze Wellenlängen und sind damit für das menschliche Auge unsichtbar (man findet dieses Licht im Lichtspektrum jenseits des violetten sichtbaren Lichts, weshalb man es „ultraviolettes“, kurz UV-Licht nennt). Eine kürzere Wellenlänge bedeutet jedoch auch eine grössere Energie, mit welcher ein UV-Lichtquant ein Elektron auf eine besonders hohe Energie-Etage in der Elektronenhülle befördern kann.

Von dort kann das Elektron in zwei Schritten auf seine Ausgangsetage – in den Grundzustand – zurückkehren („die Treppe benutzen“). Das Geheimnis des Fluoreszierens beruht dabei auf der Länge dieser beiden Schritte.

In einem fluoreszierenden Molekül ist einer dieser Schritte nämlich so klein, dass das Elektron bei seiner Überwindung nur wenig Energie, also ein Lichtquant mit sehr langer Wellenlänge abgeben muss. Solches Infrarot-Licht ist für das menschliche Auge ebenfalls unsichtbar. Der andere Schritt ist folglich um einiges länger – so lang, dass das Elektron bei seiner Überwindung  ein sichtbares Lichtquant abgibt: Dessen Energie ist hoch genug, um nicht infrarot zu sein, aber klein genug, um auch nicht ultraviolett zu sein.

Fluoreszenz

Fluoreszenz: Elektronen werden mittels UV-Licht in einen hoch angeregten Zustand gebracht (1). Das Elektron kehrt in zwei Schritten in den Grundzustand (3) zurück Dabei entspricht ein Schritt der Abgabe eines unsichtbaren Infrarot-Lichtquants, der andere der Abgabe eines sichtbaren Lichtquants.

Retos Fluoreszenz-Filzschreiber-Farbstoff fluoresziert gelblich: Die Elektronen in dessen atomarem Hochhaus überwinden also auf ihrem Rückweg in den Grundzustand einen Abstand, der einem gelben Lichtquant entspricht. Andere Moleküle können jedoch andere Abstände haben. Ein Rubin (der nicht nur als Laser-Lichtquelle taugt), fluoresziert zum Beispiel rot, wieder andere Stoffe blau oder grün.

Welche Stoffe können fluoreszieren?

LED-Lampen (also Leuchtdioden, z.B. in Taschenlampen), die UV-Licht leuchten, bekommt man heute preiswert (in der Schweiz für unter 10 CHF) im Elektro-Handel. UV-Leuchtstoffröhren oder „Energiespar“-Lampen sind unter Umständen etwas teurer. Aber mit beiden lässt sich leicht herausfinden, welche Stoffe in UV-Licht fluoreszieren.

Einer der alltäglichsten fluoreszierenden Stoffe ist wahrscheinlich Kalk (Calciumcarbonat, CaCO3), der mit UV-Licht beleuchtet ebenso hellgelblich fluoresziert wie Retos Spezialtinte. So zeigt ein Rundgang mit der UV-Lampe durch das abgedunkelte Badezimmer deutlich, wo nachlässig geputzt wurde und enttarnt selbst bei normalem Licht unsichtbare Kalkablagerungen. Auch der Kalk in unseren Zähnen fluoresziert weisslich.

Waschmittel enthalten häufig sogenannte optische Aufheller. Das sind Stoffe, die bei der Wäsche in Textilien haften bleiben und in UV-Licht, zum Beispiel in der Disco, für das bläulich-weisse Leuchten weisser T-Shirts verantwortlich sind.

Mit Absicht werden fluoreszierende Stoffe in Geldscheine und Ausweisdokumente eingearbeitet um ihre Fälschungssicherheit zu erhöhen. Mit UV-Licht beleuchtet offenbaren sie häufig überraschendes (Geheimtipp: Der EU-Führerschein (die Plastikkarten-Version) ist besonders spektakulär!).

Fluoreszenz für dein Halloween:

Mit einem UV-Filzschreiber lässt sich nahezu alles zeichnen und mit UV-Leuchtmitteln („Schwarzlicht“) gespenstisch in Szene setzen – als künstlerische Bearbeitung der Dekoration im Partyraum oder als raffinierte Details auf Kostüm und Accessoires.

Nur die eigene Haut und zum Essen gedachte Lebensmittel sollten nicht auf diese Weise dekoriert werden: UV-Filzschreiber enthalten Lösungsmittel wie Xylol, die gesundheitsschädlich sein können (Reto und Kathi wollen die Schale ihres Kürbis‘ natürlich nicht essen, sodass sie die getrost bemalen können!).

Dafür gibt es eine breite Palette von Kosmetik- und Bodypainting-Produkten mit fluoreszierenden Farbstoffen, die für ein wahrhaft gruseliges Make-Up verwendet werden können, wenn eine Halloween-Party mit Schwarzlicht ansteht. Zudem dürfte dort auch das klassische Bettlaken-Gespenst zum geisterhaft-glühend weissen Blickfang werden.

 Phosphoreszenz

Da  UV-Leuchtmittel doch recht teuer sind und im Dauerbetrieb laufend Strom verbrauchen, hat Kathi sich noch etwas ausgedacht, um ihren Kürbis auch bei ausgeschalteter Lampe schaurig glühend in Szene zu setzen. In der Halloween-Ecke im Kaufhaus hat sie deshalb nach Artikeln mit der Kennzeichnung „glow in the dark“, zu Deutsch „leuchtet im Dunkeln“, gesucht.

Und das ganz ohne Stromanschluss. Zumindest fast – denn bevor solche Gegenstände im Dunkeln leuchten, müssen sie von einer hellen Lichtquelle – der Sonne oder einer Lampe – eine Zeit lang beleuchtet werden. Wenn man das Licht dann ausmacht, leuchten sie viele Minuten, wenn nicht sogar Stunden hell gelb-grünlich vor sich hin, ohne warm zu werden oder gar Strom zu brauchen.

Halloween einmal feuerfest: phosphoreszierende Kunststoff-Maden

Phosphoreszenz: Dieses Arrangement stand zuvor auf dem Balkon, um in der Sonne aufzuladen. Plötzlich tönte es von dort: „KAAATHII! Hast du den Kürbis gesehen? DEN willst du garantiert nicht mehr essen!! — Keine Sorge, Reto: Diese Maden sind aus Kunststoff und phosphoreszieren sogar im Dunkeln!.

Wie funktioniert das?

Diese Erscheinung, Phosphoreszenz genannt, ist wiederum eine besondere Eigenschaft bestimmter Stoffe. Auch in diesen schlucken Elektronen Lichtquanten (in diesem Fall sichtbares Licht aus der hellen Lichtquelle) und ziehen damit auf ein höheres Energieniveau um. Das besondere an diesen  Energieniveaus ist jedoch, dass die Elektronen extrem lange Zeit darin verbleiben können (Minuten oder gar Stunden, während sie in ’normalen‘ Atomen und Molekülen binnen winziger Sekundenbruchteile in den Grundzustand zurückkehren!).

So können die Elektronen phosphoreszierender Stoffe von sichtbarem Licht angeregt werden und die Energie der geschluckten Lichtquanten speichern, bis das Licht aus ist und die Party läuft, um sie dann im Laufe der Zeit in Form von Lichtquanten wieder abgeben, die die gleiche Wellenlänge haben wie das zuvor geschluckte Licht.

Phosphoreszenz

Phosphoreszenz: Elektronen werden durch sichtbares Licht angeregt (1). In einem phosphoreszierenden Stoff können Elektronen eine längere Zeit im angeregten Zustand verbleiben (2), ehe sie die zur Anregung geschluckte Energie wieder abgeben (3).

Welche Chemikalien/Stoffe phosphoreszieren?

Die „Phosphoreszenz“ ist nach dem Element Phosphor (genauer gesagt nach weissem Phosphor) benannt, welcher einen Glow-in-the-dark-Effekt zeigt. Dessen Entdecker ahnte jedoch nicht, dass es sich dabei vielmehr um eine Form der Chemolumineszenz (siehe unten) handelt. Die Leucht-Farbstoffe in Glow-in-the-Dark-Accessoires bestehen meist aus Kristallen, in welche einzelne Fremdatome eingebaut sind.

Phosphoreszenz für dein Halloween:

Ob als fiese Maden, geisterhafte Spinnen oder weithin sichtbares Vampir-Gebiss: Glow-in-the-dark-Accessoires gibt es zu Halloween in reichlicher Auswahl und kommen in möglichst dunkler Umgebung besonders gut zur Geltung. Für ganz Kreative gibt es sogar Malfarben, die phosphoreszierende Stoffe enthalten. In jedem Fall sollten sie unmittelbar vor ihrem Einsatz kräftig mit Lichtquanten aus einer Lampe „aufgeladen“ werden.

 Chemolumineszenz

„Und was machen wir mit dem anderen Kürbis, den ich schon ausgehöhlt habe?“, fragt Reto schliesslich. „Wenn wir da eine Kerze hineintun, wird immer einer von uns im Wohnzimmer aufpassen müssen, wenn sie brennt…“

„Ich weiss etwas Besseres“, wirft Kathi rasch ein, bevor Reto noch anfügen kann ‚…und ich weiss auch schon, wer das sein wird…‘.

„Das hier habe ich auch im Kaufhaus gefunden“, erklärt sie und hält einen kleinen Kunststoffstab in die Höhe, der mit einer knallroten Flüssigkeit gefüllt ist. „Einmal knicken, und wir haben – hoffentlich für ein paar Stunden – kaltes Feuer: Gruselig rot leuchtend und ganz ohne Strom und Brandgefahr!“

Halloween einmal feuerfest: Kürbis mit Chemolumineszenz

Chemolumineszenz: Ein Knicklicht (links im Vordergrund) sorgt für gruselige Kürbisbeleuchtung ganz ohne Feuergefahr!

Wie will Kathi das denn hinbekommen?

Was Kathi da in der Hand hält, ist ein sogenanntes Knicklicht – ein Leuchtstab. Der besteht eigentlich aus zwei Stäben ineinander. Der innere Stab ist aus dünnem Glas und enthält den Stoff Wasserstoffperoxid (H2O2). Darum herum ist eine durchsichtige Hülle aus flexiblem Kunststoff. Im Zwischenraum zwischen Glasstab und Kunststoffhülle sind ein Stoff mit dem Name Bis(2,4,5-trichlorphenyl-6-carbopentoxyphenyl)oxalat, kurz CPPO, und ein Farbstoff, der fluoreszieren kann, eingeschlossen. Da Kathis Knicklicht rot aussieht, ist der Farbstoff darin wahrscheinlich ein Rhodamin (es gibt auch passende Farbstoffe in fast allen anderen Farben).

Knicklicht_Aufbau

Aufbau eines Knicklichts: (1) Kunststoffröhre: schliesst die Chemikalien sicher ein (2) Wasserstoffperoxid im Glasröhrchen (3) CPPO und ein Fluoreszenzfarbstoff (4) Wasserstoffperoxid tritt aus (5) wenn alle Stoffe vermischt sind, leuchtet der Stab (by Pbroks13 (CC-BY 3.0) auf Wikimedia Commons))

Wenn Kathi das Kunststoffrohr knickt, wird es nachgeben, aber nicht kaputt gehen. Anders das Glasrohr in dessen Innerem: Es wird zerbrechen, sodass alle Stoffe miteinander vermischt werden.

Sobald das geschieht, reagiert CPPO mit Wasserstoffperoxid zu zwei neuen Stoffen: 1,2-Dioxetandion und Phenol.

Reaktion_Phosphoreszenz_1

Ein „erhellendes“ Molekül entsteht: CPPO reagiert mit Wasserstoffperoxid zu Phenol und 1,2-Dioxetandion (nach cyalume-reactions by Smurrayinchester (CC-BY-SA 3.0 auf Wikimedia Commons))

Das 1,2-Dioxetandion ist ein besonderes Molekül: Es enthält einen Ring aus nur 4 Atomen. Wer einen Molekülbaukasten hat und so etwas nachbauen will, wird feststellen, dass es einiges an Nachdruck und Fingerspitzengefühl braucht, um einen Ring aus 4 Atomen zusammen zu setzen. Wie in solch einem Modell steckt auch in dem wirklichen Molekül mit dem Vier-Ring eine ganze Menge Energie, die es zu einer speziellen chemischen Reaktion mit einem Fluoreszenz-Farbstoff befähigt: Es bringt den Farbstoff zum Leuchten!

Man nimmt an, 1,2-Dioxetandion „nimmt“ sich dazu ein einzelnes Elektron aus der Hülle eines Farbstoff-Moleküls und „gibt“ es anschliessend zurück – allerdings auf eine höhere Etage im atomaren Hochhaus. Das 1,2-Dioxetandion betätigt sich also als „Aufzug“, der ein Elektron des Farbstoffs mit Energie ausstatten und in einen angeregten Zustand versetzen kann. Es übernimmt damit die Rolle des UV-Lichts bei der Fluoreszenz.

Reaktion_Phosphoreszenz_2

Chemolumineszenz: 1,2-Dioxetandion nimmt ein Elektron eines Fluoreszenzfarbstoffs („dye“) und gibt es auf ein höheres Energieniveau zurück. Dabei zerfällt 1,2-Dioxetandion in zwei Moleküle Kohlendioxid. Der Farbstoff im angeregten Zustand („dye*“) gibt die so erhaltene Energie in Form eines sichtbaren Lichtquants („hv“) ab: Der Farbstoff „fluoresziert“ ohne dass UV-Licht zur Anregung nötig ist. (nach cyalume-reactions by Smurrayinchester (CC-BY-SA 3.0 auf Wikimedia Commons))

So kehrt ein angeregtes Elektron wie bei der Fluoreszenz alsbald in den Grundzustand zurück und strahlt dabei ein sichtbares Lichtquant ab. Ein Knicklicht „fluoresziert“ also ohne Bestrahlung mit UV-Licht. Da es die Energie für sein Leuchten stattdessen aus einer chemischen Reaktion bezieht, nennt man diesen Vorgang „Chemolumineszenz“.

Chemolumineszenz für dein Halloween:

Knicklichter in allen Farben gibt es für wenige Rappen oder Cent zu kaufen. So lange du sie sachgemäss verwendest, d.h. ihre Kunststoffhülle nicht beschädigst oder sie grosser Hitze (offenes Feuer) aussetzt, sind die darin eingeschlossenen Chemikalien auch nicht gefährlich (entgegen mancher Gerüchte enthalten Knicklichter schliesslich KEINE radioaktiven Stoffe!).

Bedenke aber: Einmal geknickt wird ein Knicklicht bestenfalls einige Stunden leuchten, bis das enthaltene CPPO verbraucht ist – die Reaktion lässt sich, einmal gestartet, nicht mehr anhalten.  Dafür leuchten verbrauchte Knicklichter in UV-Licht weiter: Der enthaltene Farbstoff wird schliesslich nicht aufgebraucht und kann auch „normal“ fluoreszieren!

Fazit

Ob mit Schwarzlicht, Glow-in-the-Dark oder erleuchtender Chemie: Zahlreiche geisterhafte Lichteffekte können uns eine gruselige Zeit bescheren. In diesem Sinne: Happy Halloween!

Und mit welchem gespenstischen Lichtzauber sorgst du für ein echt gruseliges Halloween-Erlebnis? 

Farben, Licht und Glanz: Wie Stoffe zu ihrem Aussehen kommen

Es ist Herbst geworden. Die Blätter an den Bäumen färben sich leuchtend gelb, orange oder rot. Am zurückliegenden herrlichen Oktober-Wochenende schien die Sonne vom strahlend blauen Himmel, und wir haben braune Walnüsse aus dem noch saftig grünen Gras unter den Nussbäumen gesammelt.

Aber warum sind all diese Dinge eigentlich bunt? Unter welchen Umständen erscheinen Stoffe uns farbig? Und warum sind andere Stoffe farblos oder sogar durchsichtig, wie Glas? Und warum glänzen wieder andere wie ein blanker Spiegel?

 

Wie wir Farben sehen

Um zu erfahren wie Farben, Transparenz und Glanz entstehen, solltest du wissen wie der menschliche Sehsinn funktioniert. Unsere Augen funktionieren nämlich ganz ähnlich wie eine Kamera: Wir „sehen“ Licht, welches durch unsere Augäpfel (deren Innenleben im Normalfall durchsichtig ist) auf die Netzhaut fällt und dort chemische Reaktionen auslöst. Die Produkte dieser Reaktionen führen zu elektrischen Signalen, die über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet und dort zu einem Bild interpretiert werden. Die Ausgangsstoffe für die Reaktionen zur Erzeugung eines einfachen „Hell“-, aber auch von Farb-Signalen sind Abkömmlinge von Vitamin A bzw. Retinol, Varianten des „Seh-Stoffs“ Retinal.

Licht ist aber nicht gleich Licht, sondern kommt in unterschiedlichen Wellenlängen, d.h. mit unterschiedlicher Energie daher. Die Bandbreite möglicher Wellenlängen reicht dabei von extrem langwelligen (und energiearmen) Radiowellen bis zu energiereicher Röntgen- oder gar Gamma-Strahlung mit extrem kurzen Wellenlängen. Das menschliche Auge ist in der Lage einen kleinen Teil dieses Spektrums (eine grafische Darstellung des gesamten Licht-Spektrums findest du hier), das „sichtbare Licht“, wahrzunehmen und nach Wellenlängen zu unterscheiden.

Dazu gibt es in der Netzhaut drei verschiedene Arten von Zapfen-Zellen, welche nach ihrer jeweiligen Licht-Empfindlichkeit benannt sind. In den K-Zapfen reagiert eine Retinal-Variante mit kurzwelligem (violetten bis blauen), in den M-Zapfen mit mittelwelligem (blaugrünen bis gelben), und in den L-Zapfen mit langwelligem (orangegelben bis roten) Licht.

Das erinnert nicht umsonst an das gängige RGB-Farbschema zur Darstellung von Farben auf dem Computerbildschirm. Dieses nutzt schliesslich aus, was unser Gehirn tut: Es mischt sich aus den „blau“-, „grün“- und „rot“-Signalen der Netzhaut-Zapfen die gesehenen Farben zusammen. Da sich die Wellenlängenbereiche, die in den jeweiligen Zapfen Reaktionen auslösen, überlappen, erzeugt jede Wellenlänge ihre ganz eigene Kombination von Signalen, die das Gehirn auf 1 bis 2 Nanometer Licht-Wellenlänge genau bestimmen kann. Wir können damit 200 verschiedene Farbtöne sehen, jeden für sich in unterschiedlichen Sättigungen (Grau-Beimischungen).

Wenn die Netzhaut alle möglichen Farben gleichzeitig, oder zumindest die Signale für zwei „komplementäre“ Farben zusammen empfängt, macht das Gehirn daraus die Information „weiss“.

Farbenkreis: Komplementärfarben liegen einander gegenüber

Im Farbkreis liegen Komplementärfarben einander gegenüber. Nebeneinander nehmen wir sie grösstmöglicher Kontrastwirkung wahr, während das Gehirn ihre Überlagerung als ‚weiss‘ interpretiert. (by Benutzer:Golden arms (von mir erstellt) CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons])

Weiss entspricht also keiner eigenen Licht-Wellenlänge, sondern einer Zusammenstellung verschiedener Wellenlängen. Wenn man eine Farbe also als bestimmte Wellenlänge sichtbaren Lichts definiert, ist Weiss keine Farbe.

 

Warum sehen Stoffe bunt aus?

Das Licht, das unseren Tag erhellt, kommt üblicherweise von der Sonne oder von elektrischen Leuchtmitteln und erscheint uns weiss. Tatsächlich ist dieses Tagelicht ein Gemisch von Lichtwellen aller Wellenlängen (nicht nur) im sichtbaren Bereich (für Sonnenlicht gelten einige Ausnahmen, aber das ist eine andere Geschichte!). Wer dafür einen Beweis möchte, besorge sich ein Prisma – das ist ein durchsichtiger, symmetrischer Gegenstand, der das weisse Licht in seine farbigen Bestandteile „bricht“.

Prisma : zerlegt das Licht in seine Farben

Weisses Licht besteht aus Lichtwellen aller Farben: Das weisse Lichtbündel kommt von links unten und wird an der Oberfläche des Prismas teilweise reflektiert (ein kleineres Lichtbündel geht nach oben ab). Der Rest wird beim Austritt aus dem Prisma rechts abhängig von der jeweiligen Wellenlänge gebrochen: Die unterschiedlichen Farben der Lichtwellen werden sichtbar. (by Spigget (Own work) [CC BY-SA 3.0via Wikimedia Commons])

Wenn wir direkt in eine Lampe (aber niemals direkt in die Sonne!!) schauen, sehen unsere Augen das Licht, wie es aus der Glüh- (oder Leuchtstoff-)birne kommt: alle Wellenlängen miteinander, und das Gehirn interpretiert „weiss“. Wenn das weisse Tageslicht aber zunächst auf einen Rasen fällt und dann unser Auge erreicht, nehmen wir „grün“ wahr. Was ist mit dem Licht passiert?

Elektronen bewegen sich im atomaren Hochhaus

Gras enthält Moleküle des Stoffs Chlorophyll, die aus verschiedenen Atomen zusammengesetzt sind. Diese Atome sind (wie alle Atome) mit „Wolken“ umgeben, welche ihre Elektronen enthalten. Im Molekül sind diese Wolken teilweise miteinander verbunden (die Atome „teilen“ ihre Elektronen miteinander, was sie zusammenhält: eine chemische Bindung entspricht solch einer „Gemeinschaftswolke“).

Jedes Elektron, das sich in solch einer Wolke befindet, hat eine ganz bestimmte, der Position „seiner“ Wolke entsprechende Energie, sodass die Elektronenhülle eines Atoms mit einem Hochhaus mit vielen von Elektronen bewohnten (und unbewohnten) Etagen vergleichbar ist. Analog zur klassischen Mechanik, gemäss der jemand, der nach oben will, Energie aufnehmen muss (die Treppe raufgehen ist anstrengend!), entsprechen die „oberen“ Wolken (oder „Orbitale“) im atomaren Hochhaus viel Energie, während „darunter“ Wolken mit weniger Energie zu finden sind.

Fällt nun ein Lichtquant (eine elementare Portion einer Lichtwelle) mit passender Energie auf ein Elektron in einer niedrigen Wolke, kann das Elektron mit dieser Energie in eine höher gelegene, leere Etage umziehen. Das Lichtquant entspricht also einer Schlüsselkarte für den Fahrstuhl, welche diesen veranlasst eine bestimmte Strecke nach oben zu fahren. Wenn sich genau dort eine Fahrstuhltür zu einer leeren Etage öffnet, kann das Elektron aussteigen und einziehen (wenn nicht, d.h. wenn der Fahrstuhl an seinem Ziel vor einer Wand halten würde, tritt es die Fahrt erst gar nicht an).

Anregung von Elektronen durch Lichteinfall: Das Schema stellt stark vereinfacht die Besetzung von Energieniveaus bzw. „Etagen“ im atomaren Hochhaus durch Elektronen (blaue Kreise) dar. Die Energie von sichtbarem Licht, das auf ein Atom im Grundzustand (1) fällt, entspricht genau dem markierten Abstand zum übernächsten Energieniveau (blauer Pfeil). Das Elektron absorbiert das Licht und zieht um in den angeregten Zustand (2). Der Weg zurück in den Grundzustand (3) verläuft für dieses Elektron in zwei Schritten über das Zwischengeschoss: Die entsprechenden Energien bzw. Licht-Wellenlängen liegen im Infrarot-Bereich und sind damit nicht sichtbar.

 

Die Energie des Lichtquants wird bei einem erfolgreichen Umzug vom Elektron absorbiert, also „geschluckt“, und wird erst wieder abgegeben, wenn das Elektron wieder in seine vorherige, tiefer gelegene Etage zurückkehrt (da es dazu häufig die „Treppe“ benutzt und die Energie auf dem Weg über Zwischengeschosse in kleineren, also langwelligeren, für uns unsichtbaren Portionen (im Infrarot-Bereich) abgibt, sehen wir das einmal absorbierte Licht oft nicht mehr wieder).

Das Farben-Hochhaus des Chlorophylls

Die Abstände zwischen den Wolken-Etagen eines Chlorophyll-Moleküls sind nun genau so beschaffen, dass vornehmlich „rote“ Lichtquanten die Elektronen zu einer höher gelegenen Aufzugtür und damit auf ein höheres Energieniveau befördern können. Wenn also weisses Licht auf das Chlorophyll im Gras fällt, werden darin enthaltene rote Lichtwellen von aufzugfahrenden Elektronen geschluckt. Alle übrigen Wellen werden unverrichteter Dinge wieder zurückgeschickt (reflektiert) und können in unser Auge gelangen und als „alles ausser rot“ empfangen werden. Und das Signal für „alles ausser rot“ entspricht für das Gehirn „grün“.

Wenn wir einen farbigen Gegenstand sehen, weil er von weissem Licht beleuchtet wird, sehen wir also den Rest des weissen Lichts, der nicht von den Elektronen im Gegenstand geschluckt bzw. absorbiert worden ist.

Manche Stoffe haben genügend verschiedene Wolken-Etagen, um Lichtwellen aller sichtbaren Wellenlängen zu schlucken, sodass keine davon unser Auge erreicht. Solche Stoffe erscheinen uns schwarz. Damit ist Schwarz streng genommen auch keine Farbe, sondern einfach „dunkel“ bzw. „kein Licht“. Andere Stoffe, die (mangels passender Etagen-Abstände) gar kein sichtbares Licht absorbieren können, erscheinen uns dagegen weiss.

Was farbig leuchtet

Selbst leuchtende Stoffe funktionieren übrigens genau umgekehrt. Die orange-gelb strahlenden Strassenlaternen, die man mancherorts findet, enthalten zum Beispiel Natrium-Atome, deren Elektronen mittels der Energie aus elektrischem Strom nach „oben“ umziehen, d.h. angeregt werden. Anschliessend fahren sie mit dem Fahrstuhl wieder nach „unten“ auf ihre Ausgangs-Etage (den Grundzustand) und geben dabei je ein Lichtquant mit der zugehörigen „gelben“ Wellenlänge ab (genauer gesagt gibt es im Natrium-Atom zwei sehr ähnliche „gelbe“ Abstände, die so überbrückt werden können).

Wenn wir etwas farbig leuchten sehen, nehmen wir Licht mit genau den Wellenlängen wahr, die von angeregten Elektronen bei der Rückkehr in den Grundzustand abgegeben bzw. emittiert worden sind.

Dass wir auch im gelben Licht einer Natrium-Lampe erkennen, dass ein Stück Papier weiss ist, obwohl es nur gelbes Natrium-Licht an unser Auge weiterschicken kann, haben wir übrigens der Photoshop-Software unseres Gehirns zu verdanken, die weiss, dass das Papier weiss zu sein hat und das empfangene Bild entsprechend bearbeitet.

 

Warum glänzen Metalle?

Ein Stück Metall besteht aus einem einzigen Riesenverbund gleichartiger Atome, die sich allesamt eine Riesen-Elektronenwolke teilen (Chemiker sprechen hier gern von einem „Elektronen-Gas“). Solch eine Wolke, die Etagen aller daran beteiligten Atome umfasst, kommt auf so viele dicht beieinander liegende Wolken-Etagen bzw. Energieniveaus, dass sich diese gar nicht mehr auseinanderhalten lassen.  Entsprechend können sich die Elektronen des Metalls frei in der Riesenwolke bewegen und jede sichtbare Licht-Wellenlänge zum Umziehen absorbieren.

Demnach sollten Metalle also schwarz sein (nur sehr wenige Metalle, vornehmlich Gold und Kupfer, haben dennoch eine Farbe). Die freie Beweglichkeit erlaubt den Elektronen jedoch auch, ebenso leicht mit dem Fahrstuhl nach unten zu fahren wie sie nach oben gekommen sind, sodass sie ein absorbiertes Lichtquant bei ihrer Rückkehr in die untere Etage unverändert wieder abgeben können. Wenn das an einer polierten, d.h. gleichförmigen Oberfläche aus gleichartigen Atomen passiert, kommt das Licht genauso wieder zurück, wie es auf die Oberfläche getroffen ist.

Fällt solches Licht von einer Lichtquelle zuerst auf unser Gesicht, dann auf eine glatte Metalloberfläche und schliesslich zurück in unser Auge, sehen wir uns selbst in einem „Spiegel“. Deshalb wird „Metallglanz“ auch „Spiegelglanz“ genannt. Manche Mineralien (besonders solche, die viele Metallatome enthalten), sind reinen Metallen in ihrem Aufbau übrigens so ähnlich, dass sie ebenfalls Spiegelglanz zeigen, obwohl sie chemisch keine Metalle, sondern Ionenverbindungen sind.

Pyrite-49354

Pyrit oder „Katzengold“ ist ein Mineral, das aus Eisen- und Schwefel-Ionen besteht. In seinem Aufbau ist es einem Metall dennoch so ähnlich, dass die glatte Oberfläche der Kristalle das Licht spiegelt. (by Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0 [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons)

Metalle glänzen, weil ihr „Elektronen-Gas“ sichtbares Licht nicht nur uneingeschränkt absorbieren, sondern ebenso wieder abgeben kann. An einer glatten, gleichförmigen Oberfläche wird das Licht somit genauso reflektiert, wie es gekommen ist.

 

Warum ist Glas durchsichtig?

Ein Stück Glas ist chemisch ähnlich aufgebaut wie ein Quarzkristall (der ist auch durchsichtig). Beide bestehen aus Silizium- und Sauerstoff-Atomen (in dem Glas, das wir im Alltag nutzen, kommen noch verschiedene andere Elemente dazu, die dem Glas weitere erwünschte Eigenschaften geben), die zu einem einzigen Riesenmolekül verbunden sind.

Im Kristall sind Atome und Bindungen in einem regelmässigen, sich stetig wiederholenden Gitter angeordnet (das macht einen Kristall aus), während die Atome im Glas zu einem ungeordneten Netzwerk verknüpft sind: Glas ist eine Flüssigkeit, die erstarrt ist, ohne dass die Teilchen darin sich zu einem Kristall hätten ordnen können – eine „unterkühlte Schmelze“.

Quarz_vs_Glas

Aufbau von Quarzkristall und Quarzglas: Im Quarzkristall sind Silizium- (rot) und Sauerstoffatome (blau) regelmässig angeordnet. Im Glas bilden sie ein ungeordnetes Netzwerk. In beiden Stoffen sind die Elektronen fest an ihre jeweiligen Atome gebunden, sodass sie mit sichtbarem Licht nicht wechselwirken können.

Sowohl im Kristall als auch im Glas sind die Elektronen den einzelnen Atomen und Bindungen fest  zugeordnet. Daraus ergeben sich grosse Abstände zwischen den Orbitalen bzw. „Wolken-Etagen“, die vornehmlich mit der Energie von UV-Licht überwunden werden können (tatsächlich ist Glas für UV-Licht „undurchsichtig“: Hinter Glas bekommt man so schnell keinen Sonnenbrand!). Licht mit Wellenlängen im sichtbaren Bereich kann hingegen keine Elektronen im Glas anregen (zum Umziehen bewegen) und geht somit unverändert hindurch.

Anders als in weissen, undurchsichtigen Stoffen wird das Licht in Glas zudem nicht nennenswert gestreut: Eine gleichmässige Streuung von Licht verschiedener Wellenlängen findet nur an Strukturen statt, deren Grösse in der Grössenordnung dieser Wellenlängen liegt – für sichtbares Licht sind das einige hundert Nanometer. Atome und kleine Moleküle, aber auch Atomgruppen in einem Kristall oder Glas sind hingegen mindestens 1000 mal kleiner.

Glas ist also durchsichtig, weil sichtbares Licht weder die richtige Wellenlänge hat, um von den fest verorteten Elektronen des Materials absorbiert, noch um darin gestreut zu werden.

Während es draussen zunehmend grauer und dunkler wird, werden die Oktober-Geschichten in Keinsteins Kiste ganz im Zeichen von Licht und Farben stehen. Macht euch auf spannende Entdeckungen und Phänomene gefasst!

 

Und was ist deine Lieblingsfarbe? Oder bist du vielleicht sogar farbenblind?